Kindliche EntwicklungWarum Eltern ihren Babys vorsingen sollten

Musikalische Wahrnehmung und Sprachentwicklung hängen zusammen: Spiellieder mit mehr Rhythmik scheinen die Sprachentwicklung eher zu fördern als beruhigende Einschlaflieder.

bunte Noten auf weißem Hintergrund
radenmas/stock.adobe.com

Spiellieder prägen die Sprachfähigkeiten von Kleinkindern. Das fanden Forschende der Uni Wien und der der University of East London in einer Studie heraus. Darin gingen sie der Frage nach, wie Babys auf Wiegenlieder und Spiellieder reagieren und welche Rolle diese für die kindliche Entwicklung spielen.

Das Fazit: Welche Lieder Eltern mit ihren Kleinen singen und wie Babys auf unterschiedliche Rhythmen reagieren, hängt mit der späteren Sprachentwicklung der Kinder zusammen.

Musik spielt eine tiefgreifende Rolle im menschlichen Alltag – bereits von ganz früh an. Weltweit singen Eltern instinktiv für ihre Babys in alltäglichen Situationen, z.B. beim Wickeln oder Spielen. Dabei wollen sie ihre Kleinen beruhigen, deren Aufmerksamkeit gewinnen oder einfach gemeinsam Spaß haben. Forscher*innen aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien haben sich nun gefragt, wie junge Säuglinge auf unterschiedliche, von der Mutter vorgesungene Rhythmen reagieren und welche Folgen die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Rhythmen für die Sprachentwicklung hat.

Musik motiviert

Die akustischen Merkmale von Kinderliedern variieren abhängig von ihrem Verwendungszweck:

  • Spiellieder zeichnen sich durch eine höhere Rhythmik, ein schnelleres Tempo und höhere Tonhöhen aus. Sie sind zudem musikalisch vielfältiger und komplexer als Schlaflieder.
  • Schlaflieder sind durch ein langsames Tempo, tiefere Tonhöhen und weniger musikalische Variation gekennzeichnet, um Babys zu beruhigen und beim Einschlafen zu helfen.

In der Studie sangen Mütter ihren 7 Monate alten Babys 2 bekannte Kinderlieder vor: ein Schlaflied ("Schlaf, Kindlein schlaf") und ein Spiellied ("Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann"). Bei den Säuglingen wurde dabei die Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen. Zusätzlich wurden die rhythmischen Bewegungen (z.B. wippen oder strampeln) der Babys beobachtet.

Als diese Kinder 20 Monate alt waren, wurden die Eltern mittels Fragebogen über den Wortschatz ihrer Kleinkinder befragt.

Durch moderne Analyseverfahren konnten die Forscher*innen zeigen, dass es möglich ist, anhand der Gehirnaktivität der Babys die neurale Verarbeitung beider Arten von Liedern zu beobachten.

Dazu Studienerstautorin Trinh Nguyen: "Unsere Ergebnisse zeigten, dass es den Babys leichter fiel, das Schlaflied mit ihrer Gehirnaktivität zu "tracken". Das bedeutet, dass die Gehirnwellen den Klang des Gesangs widerspiegeln. Das liege wahrscheinlich am langsamen Tempo und den einfachen Strukturen des Liedes.

Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge allerdings während des Spiellieds." Die etwas komplexeren musikalischen Strukturen der Spiellieder könnten anregender sein und die Kinder dadurch motivieren, sich mehr zur Musik zu bewegen. Spannenderweise wirkte sich aber nur das neuronale Tracking in Kombination mit rhythmischen Bewegungen beim Spiellied positiv auf die Größe des Wortschatzes der Kinder im Alter von 20 Monaten aus.

Fazit

Die Studie legt nahe, dass die Art und Weise, wie Babys auf unterschiedliche Lieder reagieren, mit ihrer späteren sprachlichen Entwicklung zusammenhängen könnte. Dies eröffne Möglichkeiten für weitere vertiefende Forschung, um die Mechanismen und genauen Zusammenhänge zwischen musikalischer Wahrnehmung und Sprachentwicklung besser zu verstehen.

In weiterführenden Studien untersucht das Forschungsteam z.B., welche musikalischen Elemente (Tonhöhe, Tempo, Klangfarbe) für Babys besonders anregend sind. Die Erkenntnisse könnten für die Entwicklung von Interventionsprogrammen hilfreich sein, die die musikalische Interaktion zwischen Eltern und Babys gezielt fördern. Dies könnte von der Frühförderung bis zum Kindergarten und darüber hinaus reichen, um die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern zu unterstützen.

Quelle: Universität Wien

Literatur

Nguyen T, Reisner S, Lueger A et al. Sing to me, baby: Infants show neural tracking and rhythmic movements to live and dynamic maternal singing. Developmental Cognitive Neuroscience 2023; doi: 10.1016/j.dcn.2023.101313