AlzheimerNeues Alzheimer-Medikament zeigt Therapieerfolg

Ein neues Medikament kann die Alzheimer-Progression um 35 Prozent verlangsamen, v.a. in frühen Krankheitsstadien. Allerdings können auch ernste Nebenwirkungen auftreten.

Symbolbild Alzheimer: 2 Bäume in Kopfform, rechts mit wegfliegenden Blättern
freshidea/stock.adobe.com

Etwa 40 % aller Demenzerkrankungen könnten vermieden oder ihr Fortschreiten verlangsamt werden, wenn die entsprechenden Lebensstilfaktoren angegangen würden.

Eine kürzlich im renommierten Journal JAMA publizierte Studie [3] zeigt: Das Medikament Donanemab kann die Progression der Alzheimer-Erkrankung um 35 Prozent verlangsamen.

Besonders gut scheint die Therapie in sehr frühen Krankheitsstadien zu wirken, was die Frage nach einfach handhabbaren Alzheimer-Frühtests aufwirft. Doch auch die neue Therapie ist nicht nebenwirkungsfrei. Zudem müsse eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Kosten geführt werden. Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bleibt die Prävention eine wichtige Säule im Kampf gegen Alzheimer: 40 Prozent der Erkrankungsfälle könnten dadurch verhindert werden.

Phase-III-Studie

Die Phase-III-Studie zu Donanemab [3] zeigte eine hohe Effizienz eines Antikörpers, der sich gegen Alzheimer-Plaques aus Beta-Amyloid richtet. 1736 Patient*innen im Alter von durchschnittlich 73 Jahren wurden randomisiert und erhielten über einen Zeitraum von 72 Wochen verblindet alle vier Wochen intravenös den Antikörper oder ein Placebo.

Die Patient*innen waren im Frühstadium der Erkrankung. Sie wiesen bei Einschluss in die Studie nur leichte klinische Alzheimersymptome (milde kognitive Einschränkungen) auf sowie bildgebend Beta-Amyloid-Ablagerungen und eine Tau-Pathologie (unterteilt in Gruppen: mild/medium und hoch). Die Amyloid-Pathologie wurde mittels 18F-Florbetapir13- oder 18F-Florbetaben14-Positronenemissionstomographie (PET), die Tau-Pathologie mittels 18F-Flortaucipir-PET erfasst.

Der primäre Endpunkt war der Unterschied im Ergebnis auf der „integrated Alzheimer Disease Rating Scale“ (iADRS). Diese Skala eignet sich besonders für die Erfassung der Progression in frühen Demenzstadien [4].

Ergebnisse

Im Ergebnis zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen: In der gesamten Studienpopulation hatte der Wert auf der iARDS in der mit Donanemab behandelten Gruppe in Woche 76 um 10,2 abgenommen, in der Placebogruppe um 13,1 (p < 0,001). Betrachtete man nur die Patient*innen mit geringer und mittlerer Tau-Pathologie, war der Unterschied sogar noch etwas höher: Die Abnahme auf der Skala betrug 6,02 in der Verumgruppe und 9,27 unter Placebo. Somit konnte die Progression der Erkrankung um 35,1% verlangsamt werden.

Auch verschiedene sekundäre Endpunkte bestätigten den Therapievorteil: Die Amyloid-Plaques verringerten sich (87,0 Centiloide in der Donanemab-Gruppe gegenüber 0,67 in der Placebogruppe). Betrachtete man nur die Patient*innen mit zum Studieneinschluss geringer und mittlerer Tau-Pathologie, zeigte sich unter der Antikörper-Therapie ein deutlicher Rückgang der Amyloid-Plaques, während diese in der Placebogruppe zunahmen. Auf die Tau-Pathologie hatte die Therapie keinen Einfluss.

Einordnung der Ergebnisse

"Wir haben nun den Nachweis, dass die Amyloid-Plaques ein ‚driver‘ der Erkrankung und damit ein klinisch effektives Therapietarget sind und nicht nur ein ‚Begleitprodukt‘ der Alzheimer-Pathogenese. Die klinische Befundung der Patient*innen und die Biomarkerbefunde stimmen überein“, erklärt Prof. Lars Timmermann. „Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass insbesondere Betroffene in frühen Erkrankungsstadien von der Therapie profitieren.“ Das mache deutlich wie wichtig Biomarker für das frühe Erkennen der Erkrankung seien.

„Es ist nun wichtig, dass wir zeitnah einen Frühtest, vorzugsweise einen einfachen Bluttest, auf Alzheimer bekommen.“ Erste Tests sind bereits für die Anwendung in klinischen Studien zugelassen, ein Test wurde von Wissenschaftler*innen der Uni Bochum entwickelt: Er erkennt erste Fehlfaltungen den Beta-Amyloid bereits, bevor es zu den krankheitsauslösenden Ablagerungen kommt und hat somit prognostischen Wert, wie eine kleinere Studie zeigte [5]. Derzeit befindet sich der Test in der Evaluierung anhand von größeren Kohorten.

Ein valider Frühtest, der sich für Massen-Screenings eigne und eine in Frühstadien effektive Therapie könnte die Alzheimer-Therapie revolutionieren. Damit sei Alzheimer mit dieser Therapie jedoch noch nicht heilbar, da auch andere Ursachen als Amyloid-Ablagerungen zur Krankheitsprogression beitragen.

Zudem ist die Therapie nicht nebenwirkungsfrei: In der Behandlungsgruppe traten drei Todesfälle auf, die im Zusammenhang mit der Therapie stehen (vs. einem Todesfall in der Placebogruppe). Auffällig häufiger ließen sich bildgebend kleine Hirnblutungen (sog. zerebrale Mikrohämorrhagien) nachweisen - mit 26,8 Prozent in der Verumgruppe und 12,5 Prozent in der Placebogruppe.

Ein weiterer limitierender Faktor im klinischen Alltag könnten die hohen Therapiekosten sein, erklärt Prof. Peter Berlit von der DGN. Es stelle sich, bei steigender Prävalenz, die Frage, ob das Gesundheitssystem einen flächendeckenden Einsatz  finanzieren kann und will. Dazu brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs auf wissenschaftlicher Basis.

Prävention weiter wichtig

Die Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie dürfe auf keinen Fall das Bemühen um die Prävention behindern.

Die wichtigsten präventiven Maßnahmen

Etwa 40 % aller Demenzerkrankungen könnten vermieden oder ihr Fortschreiten verlangsamt werden, wenn die entsprechenden Lebensstilfaktoren angegangen würden. Dazu gehören vor allem:

  • ausgewogene, bevorzugt mediterrane Ernährung,
  • Vermeidung von Übergewicht,
  • Gesunderhaltung der Darmflora,
  • regelmäßige geistige, körperliche und soziale Aktivität,
  • Erhalt bzw. Korrektur des Hörvermögens durch ein Hörgerät,
  • erholsamer Schlaf,
  • Vermeidung von übermäßigem Stress,
  • Blutdruck im Normalbereich und
  • maßvoller Umgang mit organ- und hirnschädigenden Substanzen wie Alkohol und Nikotin.

Hintergrund

Angesichts des demographischen Wandels ist die Demenz ein wachsendes Gesundheitsproblem in unserer Gesellschaft. In Deutschland gibt es jährlich ungefähr 244.000 Neuerkrankungen [1]. Die Demenz-Prävalenz nimmt mit dem Lebensalter zu: Bis zu 10% der über 65-Jährigen und bis zu 40% der über 80-Jährigen leiden an einer Demenz [2].

Demenzen sind chronisch-neurodegenerative Erkrankungen, die zu kognitiven Störungen, Verhaltensauffälligkeiten und anderen, beispielsweise neuropsychiatrischen Symptomen, führen. Die Mehrzahl der Betroffenen, etwa 70-80%, hat eine Alzheimer-Erkrankung (AD), die typischerweise durch spezielle neuropathologische Merkmale nachweisbar ist. Dies sind eiweißhaltige Ablagerungen (Proteinaggregate) im Gehirn, sogenannte Alzheimer-Plaques aus Beta-Amyloid sowie Alzheimer-Fibrillen (Fasern) aus Tau-Protein.

Diese Ablagerungen bilden Angriffspunkte neuer Therapien, sei es mit Antikörpern oder „small molecules“. Erste Antikörper sind bereits in USA auf dem Markt und zugelassen. „Die Wirkstoffe sind wirksam, aber bisher hatten wir noch nicht das Gefühl, dass sie echte ‚Gamechanger‘ im Bereich der Alzheimertherapie sind. Der Nutzen war oft nicht so hoch wie erhofft und die Nebenwirkungen mitunter beträchtlich“, erklärt DGN-Präsident Prof. Lars Timmermann. Mit der aktuellen Studie scheine sich das Blatt zu wenden.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)

Literatur

[1] Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. 2016. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien

[2] Hacke, Werner, Hrsg. Neurologie. Springer-Verlag 2016. S. 648 ff.

[3] Sims JR, Zimmer JA, Evans CD et al. TRAILBLAZER-ALZ 2 Investigators. Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial. JAMA 2023; doi: 10.1001/jama.2023.13239

[4] Wessels AM, Andersen SW, Dowsett SA et al. The Integrated Alzheimer's Disease Rating Scale (iADRS) Findings from the EXPEDITION3 Trial. J Prev Alzheimers Dis 2018; doi: 10.14283/jpad.2018.10

[5] Stockmann J, Verberk IMW, Timmesfeld N et al. Amyloid-β misfolding as a plasma biomarker indicates risk for future clinical Alzheimer's disease in individuals with subjective cognitive decline. Alzheimers Res Ther 2020; doi: 10.1186/s13195-020-00738-8. Erratum in: Alzheimers Res Ther 2021; Jan 15;13(1):25

[6] Deutsche Hirnstiftung. World Brain Day 2023: Prävention ist das A & O des „Brain Health“-Konzepts.  https://hirnstiftung.org/2023/07/world-brain-day-2023-praevention-ist-das-a-o-des-brain-health-konzepts/