DemenzErhöhtes Demenzrisiko bei Profi-Fußballern

Eine Studie hat 6000 ehemalige Fußballspieler mit einer Kontrollgruppe verglichen: Feldspieler hatten ein um 50 % erhöhtes Risiko, Torhüter dagegen nicht.

Fußball mit Fuß auf dem Fußballfeld
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Eine neue Kohortenstudie aus Schweden hat über 6000 ehemalige Fußballspieler der höchsten Liga mit einer Kontrollpopulation (> 50.000) aus der Allgemeinbevölkerung verglichen [1]. Im Ergebnis hatten insbesondere Feldspieler ein um 50% erhöhtes Risiko für M. Alzheimer und andere Demenzen, Torhüter dagegen nicht.

Studie

Die Kohortenstudie aus Schweden [1] bewertete das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen bei 6007 Fußballspielern. 56.168 Männer aus der Allgemeinbevölkerung wurden als Vergleichsgruppe hinzugezogen. Die Wissenschaftler*innen analysierten Daten von Profi- und Amateurspielern (darunter 510 Torhüter), die zwischen 1924 und 2019 in der höchsten schwedischen Fußball-Liga gespielt hatten. Der Vergleich mit der Kontrollpopulation (bis zu 10 Kontrollen pro Spieler) erfolgte gematcht nach Alter und Wohnregion. Das Follow-up erfolgte bis Ende 2020. Es wurden landesweite Sterbe-, Krankenhaus- und ambulante Patientenregister verwendet. Demenzerkrankungen, Motoneuronerkrankungen und M. Parkinson wurden separat erfasst.

Ergebnisse

  • Bei 537 der 6007 Fußballspieler (8,9%) wurde die Diagnose einer neurodegenerativen Erkrankung gestellt – gegenüber 3485 (6,2%) bei den Kontrollpersonen.
  • Das Erkrankungsrisiko der Fußballer insgesamt (Feldspieler und Torhüter) war signifikant um fast 50% höher (Hazard Ratio/HR 1,46) als in der Allgemeinbevölkerung.

Betroffen waren vor allem Profifußballer, die Mitte des 20. Jahrhunderts spielten. Gegenüber den Kontrollen hatten Feldspieler eine HR von 1,50; Torhüter dagegen keine signifikante Erhöhung (HR 1,07). Speziell das Demenzrisiko der Feldspieler war hoch (HR 1,67). Bei Motoneuronenerkrankungen gab es keine signifikanten Unterschiede. Parkinson-Erkrankungen waren sogar bei Fußballspielern seltener als in der Kontrollgruppe (HR 0,68, ohne signifikanten Unterschied zwischen Feldspielern und Torhütern).

Die Gesamtmortalität der Fußballspieler war insgesamt etwas niedriger als in der Allgemeinbevölkerung (HR 0,95). Die Sterblichkeit an Lungenerkrankungen (Bronchialkarzinom, chronisch obstruktive Lungenerkrankung) war sogar deutlich niedriger (HR 0,82). Die Sterblichkeit an/mit neurodegenerativen Erkrankungen war bei den Fußballern dagegen signifikant höher als bei den Kontrollen (HR 1,54 und HR 1,69 für Tod mit/an Demenz).

Die Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass eine Übertragbarkeit z.B. auf den Fußballsport dieses Jahrhunderts, Frauenfußball oder Freizeitfußball nicht ohne Weiteres möglich ist. Dennoch bewerten sie die Ergebnisse als relevant für das grundsätzliche Risikomanagement in diesem Sport.

„Auch in dieser Studie bestätigte sich ein erhöhtes Demenz-Risiko bei ehemaligen Fußballern. Anders als in der Studie aus Schottland war das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen allerdings nicht ganz so ausgeprägt (1,5-fach versus 3,5-bis 5-fach), und es bestand auch nur für Demenzen, nicht aber für M. Parkinson“, kommentiert Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

„Sport ist für alle Altersgruppen zweifellos wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils und regelmäßige Bewegung ist auch eine relevante Säule der Demenzprävention. Kopftraumata durch Kopfbälle scheinen beim Fußball diesen Effekt jedoch umzukehren. Ob es für die Gesunderhaltung der kognitiven Fähigkeiten reicht, nur auf das ‚Köpfen‘ im Kindes- und Jugendalter zu verzichten, müssen weitere Studien klären.“

Hintergrund

Beobachtungstudien haben Anlass zur Sorge hinsichtlich der späteren Entwicklung neurodegenerativer Erkrankungen gegeben. Zwar sind schwere Kopfverletzungen im Fußballsport selten. Es wird aber vermutet, dass wiederholte, subklinische Verletzungen bzw. Kopfprellungen (v.a. durch Kopfbälle) im Sinne einer „chronisch traumatischen Enzephalopathie“ zu einem erhöhten Risiko für neurodegenerative Erkrankungen führen könnten. Dazu gehören z.B. M. Alzheimer, Demenzen, M. Parkinson und Motoneuronerkrankungen. Abschließende Evidenz ist noch nicht vorhanden. Manche Studien werden kontrovers diskutiert, sind widersprüchlich, im Studiendesign limitiert oder aus anderen Gründen wie Fehlen einer Kontrollgruppe oder unvollständiger Ergebniserfassung nur schwer miteinander vergleichbar.

2019 hatten Untersuchungen aus Schottland gezeigt, dass Profifußballspieler gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein mindestens 3,5-mal höheres Risiko haben, an einer neurodegenerativen Erkrankung zu versterben [2]. Die UEFA und die britischen Fußballverbände haben daraufhin ihre Richtlinien überarbeitet, um die Sportler*innen bestmöglich zu schützen. Beispielsweise mit einem Verbot von Kopfballtraining unter 12 Jahren.

2022 beschloss auch der DFB Änderungen im Kinder- und Jugendfußball im Sinne eines „altersgerechten Umgangs mit dem Kopfballspiel“ [4]. Das beinhaltet z.B. neue Wettbewerbsformen, kleinere Tore und Spielfelder oder das Erlernen der richtigen Kopfballtechnik mit geringem Übungsumfang und leichteren Bällen. Es gibt jedoch auch Rufe aus der medizinischen Fachwelt, das so genannte Köpfen wie in anderen Ländern vor dem Jugendalter ganz zu verbieten.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Literatur

[1] Ueda P, Pasternak B, Lim CE et al. Neurodegenerative disease among male elite football (soccer) players in Sweden: a cohort study. Lancet Public Health 2023; doi: 10.1016/S2468-2667(23)00027-0

[2] Mackay DF, Russell ER, Stewart K et al. Neurodegenerative disease mortality among former professional soccer players. N Engl J Med 2019; 381: 1801–08

[3] Russell ER, Mackay DF, Stewart K et al. Association of Field Position and Career Length With Risk of Neurodegenerative Disease in Male Former Professional Soccer Players. JAMA Neurol 2021; doi: 10.1001/jamaneurol.2021.2403

[4] Nachwuchs und Kopfball: DFB beschließt altersgemäße Richtlinien. https://www.dfb.de/news/detail/nachwuchs-und-kopfball-dfb-beschliesst-altersgemaesse-richtlinien-236483/