SchmerzChronischer Schmerz: Motorischer Kortex Schlüssel zur Schmerzlinderung

Ein Forschungsteam hat 2 Nervenzellschaltkreise identifiziert, die zentral für die Schmerzlinderung verantwortlich sind. Das Belohnungssystem spielt dabei offenbar eine wichtige Rolle.

Illustrationen von Neuronen-Verbindungen im Gehirn.
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Bislang war unklar, warum die Stimulation der motorischen Großhirnrinde chronische Schmerzen lindern kann.

Die motorische Großhirnrinde steuert die willentliche Bewegung der Muskulatur. Weitestgehend unverstanden ist, warum ihre elektrische oder magnetische Stimulation therapieresistente chronische Schmerzen – wenn auch unzuverlässig – lindern kann. Eine Forschungsgruppe der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) ist nun an Mäusen den zugrundeliegenden Mechanismen und beteiligten Nervenbahnen auf die Spur gekommen.

Die Wissenschaftler*innen zeigten, dass bestimmte Nervenschaltkreise der motorischen Großhirnrinde mit den Emotionszentren im Gehirn verbunden sind, nach direkter Aktivierung sowohl Schmerzinformationen als auch Schmerzemotionen verarbeiten und so das Schmerzempfinden reduzieren. Damit definiert das Team nicht nur eine neue Zielstruktur des Gehirns für Schmerztherapien durch Nervenzellstimulation, sondern rückt auch das hirneigene Belohnungssystem als Ansatzpunkt für zukünftige Behandlungen in den Fokus.

Anwendung der Hirnstimulation bei chronischen Schmerzen

Sprechen chronische Schmerzen, z.B. in Folge einer Nervenverletzung (sog. neuropathische Schmerzen), nicht auf medikamentöse Therapien an, kommt eine sogenannte Hirnstimulation in Frage.

Dabei werden nicht-invasive Elektroden auf der Kopfhaut platziert und bestimmte Großhirnregionen mittels elektrischer oder magnetischer Reize stimuliert. „Es gibt großen Verbesserungsbedarf bei dieser Therapie, da man kaum etwas über die Funktionsweise der Stimulation weiß, z.B. wo die Sonden am besten platziert werden sollten, über welche Nervenbahnen die Schmerzlinderung erreicht wird und wie diese Schaltkreise auf die Stimulation reagieren“, erläutert Prof. Kuner, Seniorautorin des Artikels.

Für ihre Arbeit nahmen sich die Forscher*innen mit dem sogenannten motorischen Kortex den Teil der Großhirnrinde vor, dessen Stimulation bislang den größten Effekt bei chronischen Schmerzen bewirkt. Die verschiedenen Nervenbahnen dieses Hirnbereichs schaltete das Team mit Hilfe genetischer Veränderungen in lebenden Mäusen gezielt an oder aus, um ihren Einfluss auf das Schmerzempfinden zu überprüfen. „Wir haben gezeigt, dass tatsächlich der motorische Kortex, genauer die Region M1, der Schlüssel zur Schmerzlinderung ist. Das wurde bisher zwar vermutet, war aber nicht wissenschaftlich belegt“, sagt Zheng.

Das Team identifizierte zudem zwei Nervenzellschaltkreise in den beiden untersten Schichten des Motorkortex, die zentral für die Schmerzlinderung verantwortlich sind:

In der vorletzten Schicht 5 sind dies jene Nervenzellen, die über das Rückenmark die Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung beeinflussen. Ihre Aktivierung verringerte zwar die Überempfindlichkeit der zentralen Schmerzbahnen, konnte jedoch das dauerhaft bestehende, reizunabhängige Schmerzempfinden nicht komplett ausschalten. Erst wenn bestimmte Nervenzellen der untersten Schicht 6 aktiv waren, trat vollständige Linderung ein.

 „Wir waren überrascht, dass diese Nervenbahnen mit dem Belohnungssystem in tieferen Gehirnbereichen, die Emotionen verarbeiten, verbunden sind“, so Prof. Kuner. „Sie beeinflussen wahrscheinlich die emotionale Komponente des Schmerzerlebens. Diese Verbindung war bisher nicht bekannt und wirft interessante neue Fragestellungen auf.“

Behandlung therapieresistenter Schmerzen kann von Erkenntnissen profitieren 

Aus den Ergebnissen lassen sich Empfehlungen für die Anwendung der Hirnstimulation bei chronischen Schmerzen ableiten: Damit sie eine optimale Wirkung entfalten kann, muss sie die beiden unteren Schichten des Motorcortex erreichen. Darüber hinaus können nun basierend auf dieser Arbeit Parameter zur Therapiekontrolle entwickelt und somit die Methode verfeinert werden.

Quelle: Pressemitteilung/Universitätsklinikum Heidelberg