PräventionBrain Health: 6 Säulen für Gehirngesundheit

Etwa 40 Prozent aller Demenzerkrankungen könnten verhindert werden - durch Prävention. Das "Brain Health Network" hat 6 Säulen für die Gehirngesundheit definiert.

Illustration: Mechanismen im menschlichen Gehirn, Zahrädchen
Sergey Nivens/stock.adobe.com

Mit einfachen Maßnahmen und Lebensstiländerungen kann jeder Einzelne das persönliche Demenzrisiko beeinflussen.

Die Gesundheit des Gehirns muss nicht zwangsläufig mit dem Älterwerden abnehmen. Die Bedeutung einer gesunden Lebensweise für die Gehirngesundheit zählt zu den noch neueren Erkenntnissen. In den USA wurde das Brain Health Network ins Leben gerufen, das die wichtigsten Säulen der Gehirngesundheit identifiziert hat, mit denen sich insbesondere das Demenzrisiko beeinflussen lässt.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie möchte das Konzept der Brain Health in Deutschland in ähnlicher Weise etablieren [2]. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nimmt die Relevanz für jeden Einzelnen zu. In einer immer älter werdenden Bevölkerung steigt die Zahl altersassoziierter Krankheiten wie vaskulärer und Alzheimer-Demenz, aber auch neurodegenerativer Erkrankungen wie M. Parkinson. Weltweit leiden etwa 50 Millionen Menschen an Demenz, in Deutschland sind es 1,6 Millionen. Im Jahr 2050 könnten es bereits 2,8 Millionen sein [3].

Etwa 40 % aller Demenzerkrankugen könnten verhindert oder verlangsamt werden, wenn die Risikofaktoren angegangen würden.

Die Säulen der Gehirngesundheit

Das Brain Health Network hat folgende Säulen der Gehirngesundheit identifiziert:

  • gesunder Lebensstil,
  • mentale Aktivität,
  • körperliche Aktivität,
  • gesunde Ernährung,
  • Darmgesundheit,
  • guter Schlaf.

Diese Säulen müssen in allen Altersgruppen täglich gepflegt und gestärkt werden, um die Gehirngesundheit zu erhalten.

Gesunder Lebensstil

Das Vermeiden von Risikofaktoren bzw. deren Behandlung ist ein wesentliches Element dieser Säule. Das umfasst u.a. Nikotinverzicht, Normalgewicht, die Behandlung von Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus.

Mentale Aktivität

Mentale Aktivität mit regelmäßigem kognitiven Training ist einer der wesentlichsten Faktoren für die Gehirngesundheit. Dazu gehören v.a. soziale Kontakte und Aktivitäten, Interessen und Hobbys (z.B. Museumsbesuche, Kreuzworträtsel, Puzzeln, Erlernen eines Musikinstruments oder Sprachen). Ein niedriger Bildungsstand ist ein eigenständiger Risikofaktor der Demenzentwicklung [3].

Zur Aufrechterhaltung von intellektuellen Interessen und sozialer Teilhabe im Alter und damit zur Vorbeugung einer Demenzentwicklung wurde das Hörvermögen als wichtigster Faktor ermittelt. Die frühzeitige Korrektur und Wiederherstellung eines beeinträchtigten Hörvermögens trägt wesentlich zur Demenzprävention bei.

Körperliche Aktivität

Soziale Aktivität kann gut mit körperlichen Aktivitäten verbunden werden. Empfohlen werden in allen Altersgruppen pro Woche mindestens 140 Minuten Bewegung bzw. Sport. Allerdings können Sportarten mit höherem Risiko für Schädelprellungen bzw. leichte Schädel-Hirn-Traumata (z.B. Ballsportarten wie Fußball oder Kampfsport) das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im späteren Leben erhöhen. Im höheren Lebensalter senkt bereits regelmäßiges Spazierengehen das Demenzrisiko deutlich, zeigt eine aktuelle Studie [4].

Gesunde Ernährung

Die mediterrane Kost gilt als optimal zum Schutz vor Krebs und zur Erhaltung der kardiovaskulären sowie der Gehirngesundheit (MIND-Diät, Mediterranean Diet Intervention for Neurodegenerative Delay [5]). Der Alkoholkonsum sollte 15 g/d (Frauen) und 30 g/d (Männer) nicht überschreiten. Völlige Abstinenz führt nach der aktuellen Datenlage nicht zur Senkung spezifischer gesundheitlicher Risiken (Ausnahme: in der Schwangerschaft).

Gesunder Darm

Die Bedeutung des Darmmikrobioms für die Gesundheit steht zunehmend im Fokus. Die Forschung entschlüsselt immer neue Zusammenhänge zwischen Darmmikrobiom und z.B. Immunsystem, Übergewicht, Diabetes mellitus bis hin zur Hirngesundheit. Faktoren wie Ernährung, Antibiotika, Stress, Erkrankungen beeinflussen das Darmmikrobiom. Zwischen Darm und Gehirn gibt es Millionen von Nervenverbindungen, die zunehmend besser verstanden werden. So hat das Darmmikrobiom nachweislich Einfluss auch auf neurologische und neurodegenerative Erkrankungen, die früher in erster Linie mit genetischer Veranlagung in Verbindung gebracht wurden, wie Multiple Sklerose, M. Parkinson, Depression und Demenzen.

Guter Schlaf

Zu wenig Schlaf kann die Gesundheit auf vielfältige Weise beeinträchtigen: So zeigt die Forschung z.B. einen Zusammenhang mit Adipositas, Blutzuckerkontrolle, Bluthochdruck oder erhöhter Entzündungsbereitschaft des Organismus. Ebenso wichtig ist Schlaf für die Gehirngesundheit, u.a. für kognitive Prozesse, Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit. Zusammenhänge zwischen schlechtem Schlaf und neurologischen Erkrankungen wurden beobachtet, z.B. mit erhöhtem Auftreten der Alzheimer-Erkrankung sowie einem Rückgang der kognitiven Fähigkeiten. 

„Aber auch andere zerebrale Erkrankungen müssen kein Schicksal sein, wie z.B. Schlaganfälle, die ja auf dem Boden von Gefäßschäden entstehen“, erläutert Prof. Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Auch dieses Risiko wird praktisch durch die gleichen Maßnahmen positiv beeinflusst.“ Es sei dringend notwendig, das Thema Gehirngesundheit stärker in Öffentlichkeit, Gesundheitswesen und Politik zu tragen. Durch einfache Lebensstilmaßnahmen könne eine Menge zur Prävention getan werden. Jeder Einzelne sollte die Möglichkeiten, das persönliche Demenzrisiko zu senken, kennen. 

Quellen: Deutsche Gesellschaft für Neurologie/Brain Health Network/Ni

Literatur

[1] Brain Health Network 2022; https://brain.health/

[2] Berlit P. Hirngesundheit: Eine Aufgabe für die Neurologie. DGNeurologie 2022; 5 (4): 257-258

[3] Livingston G, Huntley J, Sommerlad A et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission. Lancet 2020 Aug 8; 396 (10248): 413-446

[4] Kim J, Lee J, Kim YS et al. Identifying the Relationship between Leisure Walking and Prevalence of Alzheimer’s Disease and Other Dementias. Int. J. Environ. Res. Public Health2022,19,8076. https:// doi.org/10.3390/ijerph19138076

[5] Dhana K, Franco OH, Ritz EM et al. Healthy lifestyle and life expectancy with and without Alzheimer’s dementia: population based cohort study. BMJ 2022 Apr 13; 377: e068390