Long COVIDChronisch geminderte Hirnaktivität bei Long COVID

Neuropsychologische Studien der Uni Jena belegen eine verlangsamte Informationsverarbeitung und objektivieren damit die von Betroffenen oft berichtete kognitive Beeinträchtigung.

Symbolbild Long Covid: Ein Mensch zieht riesiges Coronavirus hinter sich her
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Die chronisch geminderte Hirnaktivität war in der Studie charakteristisch für neurokognitive Post-COVID-Symptome.

Eine verlangsamte Informationsverarbeitung ist charakteristisch für die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme bei Long COVID. Mit diesem Ergebnis können neuropsychologische Studien des Universitätsklinikums Jena die von Betroffenen oft berichtete kognitive Beeinträchtigung objektiv belegen. Damit wird auch eine Zielgröße für therapeutisches Training und ein Kriterium für die Effektivität von Therapieansätzen aufgezeigt.

Objektiver Nachweis für mentale Fatigue

Ein multidisziplinäres Team der Uni Jena untersuchte die kognitive Leistungsfähigkeit von 40 Post-COVID-Patient*innen mit subjektiv anhaltenden kognitiven Defiziten nach COVID-Infektion. Es verglich die Ergebnisse mit denen von 40 gesunden Kontrollpersonen mit entsprechendem Alter, Geschlecht und Bildungsgrad.

Alle Teilnehmenden durchliefen unter Laborbedingungen einen computerbasierten Test, bei dem sie kurzzeitig präsentierte Buchstaben erfassen und benennen sollten. So können verschiedene Aufmerksamkeitsfunktionen mit großer Genauigkeit bestimmt werden.

Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass die Post-COVID-Patient*innen visuelle Informationen deutlich langsamer verarbeiten als Gesunde. Diese Geschwindigkeit sei ein gutes Maß für geistige Wachheit und Reaktionsfähigkeit, berichtet Neuropsychologin Eva Maria Martin.

Um zu messen, wie schnell die Proband*innen ermüden, nutzte das Studienteam eine spezielle Brille mit integrierter Infrarotkamera im Schlaflabor der Klinik für Neurologie. Diese kann die Pupillenunruhe erfassen, einen Biomarker für die allgemeine Gehirnaktivierung. Zudem schätzten die Teilnehmenden ihre mentale Erschöpfung mithilfe eines Fragebogens ein.

Im Ergebnis konnte das Studienteam einen deutlichen Zusammenhang zwischen der gemessenen Verarbeitungsgeschwindigkeit, der Pupillenunruhe und der subjektiv empfundenen Erschöpfung feststellen.

Eva Maria Martin: "Die Post-COVID-Gruppe hat im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Verarbeitungsgeschwindigkeit und ermüdet schneller. Damit können wir die von den Betroffenen berichtete mentale Fatigue objektiv nachweisen."

Standardtests bestätigen die kognitiven Defizite

In Fortführung der Studie untersuchte das Team, ob sich dieser Befund mit neuropsychologischen Tests bestätigen lässt, die wesentlich breiter angewandt werden und für die keine speziellen Labore notwendig sind. Außerdem interessierte die Forschenden, ob sich die gefundenen Defizite mit der Zeit verändern. Dazu wiederholten sie die Untersuchungen nach einem Zeitraum von 6 Monaten.

Das Ergebnis: Auch in den klinisch etablierten Standardtests zeigten sich Defizite in der Post-COVID-Gruppe immer dann, wenn es um eine schnelle Informationsverarbeitung und eine schnelle Reaktion ging. Diese Verlangsamung bestand unverändert über 6 Monate fort.

Fazit

Die Forscher*innen sehen in ihren Untersuchungen den Beleg für eine chronisch geminderte Hirnaktivität bei Long COVID. Diese äußere sich v.a. in einer verlangsamten Informationsverarbeitung.

"Dieses relativ stabile Profil ist charakteristisch für die neurokognitiven Symptome bei Post-COVID und sicher auch für Langzeitfolgen nach anderen Infektionen", betont Kathrin Finke.

Damit ist die verlangsamte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit nicht nur ein wichtiges Kriterium für die Objektivierung der kognitiven Defizite im Rahmen dieses Krankheitsbildes. Sie könnte sich auch als Maß eignen, um die Wirksamkeit von Therapieansätzen zu beurteilen.

Auch an geeigneten neuropsychologischen Trainings für Post-COVID forscht das Jenaer Gedächtniszentrum. Einige Ergebnisse wird Kathrin Finke im Rahmen des 2. Long COVID Kongresses vorstellen, der am 24. und 25. November in Jena stattfindet.

Quelle: Uniklinikum Jena

Literatur

Martin EM, Rupprecht S, Schrenk S et al. A hypoarousal model of neurological post-COVID syndrome: the relation between mental fatigue, the level of central nervous activation and cognitive processing speed. J Neurol 2023; doi:10.1007/s00415-023-11819-7