Covid-19Mitochondrien – Funktion und funktionelle Störungen

Mitochondrien sind die wesentlichen Erzeuger von Energie durch Synthese von Adenosintriphosphat (ATP). Was passiert, wenn den Mitochondrien keine ausreichende Regenerationszeit für das verbrauchte ATP gewährt wird?

Grafik Mitochondrien
Artur/stock.adobe.com

von Kurt E. Müller

Mitochondrien sind Ort der ATP-Synthese, haben Funktionen im Abwehrsystem und produzieren Pregnenolon als Ausgangssubstanz der Sexualhormone. Bei unzureichender Regeneration des verbrauchten ATP kommt es zu energetischer Erschöpfung und Manifestation depressiver Symptomatik durch Überlastung der neuroendokrinen Stressachse. Mögliche Ursachen sind andauernder Stress, chronische Entzündungen und Umweltschadstoffe, die die Atmungskette beeinträchtigen und Membranen schädigen. Oxidativer und nitrosativer Stress haben protektive Bedeutung, können bei langer Dauer aber dem Organismus schaden. Die Beatmung von COVID-19-Patienten bewirkt durch die Sauerstoffzufuhr einen nicht mehr kontrollierbaren oxidativen Stress, der wahrscheinlich zum Tod durch Mitochondriopathie führt.

Evolution von Mitochondrien

Wichtige Funktionen, deren sich Mitochondrien bis heute bedienen, waren früh entwickelt. Bereits vor mehr als 2 Mrd. Jahren gab es schon Glykolyse, Pyruvatdehydrogenase, Pentose-Phosphat-Stoffwechsel, Fettsäuresynthese und -oxidation, den Zitratzyklus (Krebs-Zyklus) und das für die ATP-Bildung so wichtige Koppeln von Protonen für die ATP-Bildung. Karotinoide, Kobalamin und das vielseitige Ubichinon waren schon entstanden. Selbst die Cytochrome gab es bereits, die lipophile Stoffe in hydrophile umwandeln können und die durch den Verbrauch für den Abbau von Chemikalien und Medikamenten dem physiologischen Stoffwechsel entzogen werden. Alle diese Mechanismen fanden in Funktionen der Mitochondrien Verwendung. Die grünen Schwefelbakterien waren die ersten Bakterien, die diese schon komplett besaßen. Die Evolution hat bis heute keine besseren Lösungen hervorgebracht, sodass die Menschen bis jetzt auf diese archaischen Mechanismen angewiesen sind. Bei der Fehleinschätzung relevanter Umweltbelastungen und in der modernen Mainstreammedizin glaubt man, sie nicht beachten zu müssen, da man unter Einsatz chemischer Stoffe mit selektiven Mechanismen bessere Wege zu kennen meint. Dabei beachtet man nicht, dass funktionelle Mechanismen, die sich evolutionär durchgesetzt haben, nicht nur eine bessere Wirkung in einem speziellen Segment besitzen, sondern immer auch einen Vorteil für das gesamte System haben. Kein Prüfverfahren ist genauer und selektiver als die Evolution es ist, die gnadenlos eliminiert, was nicht von Wert ist. Von der Genauigkeit und Systemrelevanz biologischer Systeme sind Technologie und moderne Medizin weit entfernt.

In der Endosymbiontentheorie geht man davon aus, dass Mitochondrien ursprünglich eigenständige prokaryotische Lebewesen waren, die diese Eigenschaften besaßen. Durch Endosymbiose, wie man sie heute noch bei Amöben und Cyanobakterien finden kann, wurden sie im Verlauf der Evolution in eukaryotische Zellen aufgenommen und übernahmen wichtige funktionelle Aufgaben in einem Ausmaß, dass beide beteiligte Zellen nicht mehr ohne einander existieren konnten. Analysen des mitochondrialen Genoms lassen es möglich erscheinen, dass sie von Proteobakterien abstammen.

Funktionen von Mitochondrien

Mitochondrien sind nicht nur die wesentlichen Erzeuger von Energie durch Synthese von Adenosintriphosphat (ATP), sondern durch Bereitstellung freier Radikale und Verursachung des oxidativen Stresses das erste Abwehrsystem des Organismus [36]. Ihnen kommt außerdem bei der Evolution von Lebewesen die Organisation des innaten Immunsystems zu. Diese Schlüsselrolle ist wenig bekannt. Mitochondrien produzieren zudem Pregnenolon, das Mutterhormon der Sexualhormone ([Abb. 1], [32]). Es ist Voraussetzung für die Produktion von Progesteron, Cortisol, Aldosteron, DHEA, Cortisol, Östrogen und Testosteron. Eine Mitochondriopathie ist deshalb nicht selten mit einer Endokrinopathie vergesellschaftet. Auch konnte in jüngerer Zeit die Synthese des Schlafhormons Melatonin nachgewiesen werden, einem starken Antioxidans [9].

Die Lebensweise in der heutigen Zeit gewährt den Mitochondrien keine ausreichende Regenerationszeit für das verbrauchte ATP. In Verbindung mit der bes. bei Entzündungen und in Stressreaktionen mangelhaften Versorgung mit Mikronährstoffen und dem immer bedeutsameren Defizit an Ubichinon, das ein intrazelluläres Redoxsystem darstellt, kommt es zu funktionellem Stress. Ubichinon kann infolge polypragmatischen Arzneimittelgebrauchs erheblich reduziert werden, was bei älteren Menschen von bes. Bedeutung ist. Der ständige Verbrauch an Energie führt schließlich zu einer Erschöpfung der neuroendokrinen Stressachse und mündet u. a. letztendlich in dem, was inzwischen als Burnout in aller Munde ist [19] . Die Stresssituationen, in denen sich diese Problematik klinisch manifestiert, sind nur selten der Grund des Problems, sondern der Moment, in dem sich die mangelhafte Kompensationsfähigkeit erstmals bemerkbar macht. In diesen Fällen sind psychotherapeutische Therapieansätze weder präventiv noch kurativ. Der Organismus verliert infolge der funktionellen Schädigung von Mitochondrien die Fähigkeit, Stress rasch zu regulieren und die Regelkreise des Neuroendokrinoimmunsystems (NEIS) zu ökonomisieren. Da bei der akuten Stressreaktion die Bildung von Serotonin abnimmt, kommt es neben der energetischen Erschöpfung wegen des ATP-Defizits auch häufig zur Manifestation depressiver Symptomatik, die in diesen Fällen somatische Gründe hat. Dieser Effekt wird im Fall chronischer Inflammation durch die Aktivierung von NF-κB, IFN-γ, IL-1β und TNF-α verstärkt. Dadurch wird die Aktivität der Indol-2,3-Dioxygenase (IDO) gesteigert, sodass aus L-Tryptophan in viel größerem Maß Kynurenin statt Serotonin gebildet wird [30]. Daran angekoppelt ist die Aktivierung der Large Amino Acid Transferase 1 (LAT1), die die Mikroglia 1 entzündlich aktiviert [7]. Es resultiert eine somatisch bedingte Depression.

Als bes. Problem erweist sich, dass die Funktion der Mitochondrien durch eine große Zahl exogener, im Alltag vorkommender Noxen bzw. durch die hierdurch ausgelösten Effekte beeinträchtigt werden kann [16] [17].

Bestandteile der Atmungskette und ihre Hemmung

NADH-Ubiquinon-Oxidoreduktase (Komplex I)

Komplex I oxidiert NADH und transportiert 4 Protonen (H+) aus der Mt-Matrix in den Intermembranraum. Er kann durch das Biozid Rotenon und durch Glutathionmangel blockiert werden.

Succinat-Ubiquinon-Oxidoreduktase (Komplex II)

Defekte des Komplex II gehen meist mit Störungen der Aconitase und der Succinatdehydrogenase einher. Er wird durch Malonsäure gehemmt, die bei der Spaltung von Thiopental und Phenobarbital entsteht. Sie konkurriert mit Succinat um die Bindung am aktiven Zentrum.

Ubichinon-Cytochrom-c-Oxidoreduktase (Komplex III)

Die in Komplex II enthaltenen b- und c-Cytochrome transferieren 2 Protonen in den Intermembranspalt. Er wird durch Antimycin und Strobilurine (Fungizide) gehemmt.

Cytochrom-c-Oxidase (Komplex IV)

Durch Übertragung von 2 Elektronen auf O2 wird dort mittels Kupferhydrid durch Bindung an den aktivierten Sauerstoff Wasser gebildet. Komplex IV kann durch Cyanide, Schwefelwasserstoff, Azide und Kohlenmonoxid gehemmt werden. Von bes. Bedeutung ist Stickstoffmonoxid, das sowohl bei Entzündungen als auch bei zahlreichen Chemikalienbelastungen vermehrt anfällt und zusammen mit dem Superoxid der Mitochondrien Peroxinitrit bildet. Es ist der stärkste natürliche Induktor von oxidativem Stress.

ATP-Synthase (Komplex V)

Der Komplex V bindet Phosphat an Adenosindiphospht (ADP), sodass energiereiches Adenosintriphosphat (ATP) entsteht. Er arbeitet als Protonenpumpe, dessen F0-Teil membranständig ist. Sie leitet die Protonen zum F1-Teil, der in den Zwischenmembranraum ragt und durch Rotation 3 ATP pro Umdrehung erzeugt. Da er sich pro Minute 2600-mal dreht, resultieren 7800 ATP. Oligomycin hemmt das F0-Segment, sodass bei Anwendung dieses Chemotherapeutikums ohne Ubiquinol die Patienten an Myokardversagen sterben.

Der nicht mehr kompensierbaren erhöhten Bildung freier Radikale (ROS) durch Mitochondrien kommt bei der Schädigung eine Schlüsselrolle zu ([Abb. 2]). ROS können strukturelle Schäden, aber auch chronische Entzündung mit Expression proinflammatorischer Zytokine auslösen. Die in Gang gesetzte NO/ONOOˉ-Kaskade ist auch hier von zentraler Bedeutung [30]. Der Mechanismus unterhält einerseits die weitere Bildung der ROS und schädigt gleichzeitig die Funktion der Mitochondrien. Es kann sich dabei ein Prozess der Autoinflammation manifestieren, bei dem insb. Interleukin-1β (IL-1β) eine lenkende Rolle spielt. Die chronische Inflammation steigert den Energiebedarf um 25–30%, sodass jede andauernde Entzündung unabhängig von ihrer Ursache zur Dekompensation der Stressregulation infolge des gesteigerten Energieverbrauchs und der gleichzeitig verursachten Senkung der Kapazität der ATP-Bildung durch die Mitochondrien beiträgt. Die Bedeutung chronischer Infektionen bzw. der chronischen Einwirkung von Metallen, Chemikalien, radioaktiven Strahlen, elektromagnetischen Feldern, Partikeln und anderer Noxen für die Auslösung chronischer Inflammation wird immer noch unterschätzt. Ubichinon, Lycopin und die Vitamine A und E schützen vor Oxidation [18].

Das Energiesubstrat: Adenosintriphosphat (ATP)

Adenosintriphosphat (ATP) wurde 1929 von Biochemiker Karl Lohmann entdeckt. Es ist ein energiereiches Nukleotid und Triphosphat des Nukleosids Adenosin. Alle Lebewesen nutzen ATP für energieverbrauchende metabolische Prozesse. Die Energiebereitstellung erfolgt durch enzymatische hydrolytische Spaltung. Im 1. Schritt entsteht aus ATP Adenosindiphosphat (ADP), im 2. Adenosinmonophosphat (AMP). Bei jedem Schritt der Phosphatabspaltung werden 32,3 kJ/mol, ingesamt 64,6 kJ/mol Energie freigesetzt, die der Arbeitsleistung der Zellen zur Verfügung gestellt werden. Aus AMP und ADP regeneriert die Zelle ATP in geringerem Maß durch Substratkettenphosphorylierung, durch Glykolyse im Zitratzyklus sowie in überwiegendem Maß in der Atmungskette der Mitochondrien durch Elekronentransportphosphorylierung (oxidative Phophorylierung) zur Aktivierung des Enzymkomplex der aus mind. 17 Aminosäureketten bestehenden ATP-Synthase [11] [13].

Zahlreiche Umweltschadstoffe können die Atmungskette unmittelbar funktionell und/oder strukturell beeinträchtigen oder den nur von der Mutter stammenden haploiden Gencode der Mitochondrien dauerhaft schädigen. Dies geschieht bes. dann leicht, wenn die schützende Funktion der SOD2 genetisch eingeschränkt leistungsfähig oder funktionell überlastet ist, wie es insb. bei chronischer Belastung mit Schwermetallen (z. B. Hg aus Amalgam und anderen Quellen) der Fall ist. Der vermehrte Anfall von Stickoxiden und deren Reaktion mit Superoxid zu Peroxinitrit (s. nitrosativer Stress) spielt eine entscheidende Rolle [14]. Neben dem Abfall von ATP kommt es zu einem pathologisch erhöhten Lactat/Pyruvat-Quotienten. Der durch den geringen ATP-Vorrat bedingte Leistungsverlust, die damit verbunden schnelle Ermüdbarkeit und langsame Erholungsfähigkeit werden i. d. R. als Depression diagnostiziert. Wird ATP komplett dephosphoryliert, bleibt Adenosin übrig, das eine erhebliche immunsuppressive Wirkung hat [Abb. 3].

Dies erklärt die hohe Infektanfälligkeit bei außerordentlichem körperlichen und/oder mentalen Stress. Die Situation spitzt sich bei solchen Personen bes. schnell zu, die eine genetische Minderung der Enzymleistung der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) besitzen. Die dadurch erhöhte und verlängerte Wirkung von Noradrenalin steigert den unnötigen Energieverbrauch erheblich. Dieser kann durch verstärkte Produktion von S-Adenosylmethionin (SAMe) wenigstens z. T. kompensiert werden, das für die Metabolisierung von Noradrenalin zu Adrenalin benötigt wird [31]. Da auch für die Produktion von SAMe ATP benötigt wird, unterbleibt dieser metabolische Schritt, der die Problematik begrenzen könnte. Das klinische Bild ist geprägt durch Erschöpfung, Müdigkeit, schlechte und langsame Erholungsfähigkeit, gepaart mit innerer Unruhe und Angetriebensein bis hin zur Rastlosigkeit. Die Patienten klagen zu Recht über „Luftnot“ oder „Sauerstoffnot“. Obwohl sie nicht von „Atemnot“ sprechen, ist diese Symptomatik i. d. R. der Anlass zu nicht zielführender pneumologischer Diagnostik. Die üblichen Parameter wie Vitalkapazität und Sauerstoffsättigung des Blutes sind unauffällig [19].

Membranen

Mitochondrien besitzen eine äußere und innere Membran, die strukturelle und funktionelle Unterschiede aufweisen. Die äußere Membran hat vorrangig die Aufgabe der Protektion und enthält deshalb mehr Lipide. Sie besitzt Porine, die den Durchtritt ermöglichen. Bei der inneren Membran stehen funktionelle Abläufe im Vordergrund. Der Anteil der Lipide ist geringer und Proteine stehen im Vordergrund. Cardiolipin, ein Molekül mit starker Elektronegativität kommt in beiden Membranen vor, an der inneren Membran in größerer Menge als an der äußeren. Membranen werden bis heute nicht als eigenständiges strukturelles und funktionelles System gesehen, obwohl ihr Aufbau bei allen Warmblütern und in allen Strukturen, in denen sie vorkommen, gleich ist. Erkrankungen von Membranen sind ein wesentlicher Teil von Multisystemerkrankungen.

Lipide und Proteine sind die entscheidenden strukturellen Elemente des Aufbaus von Membranen. In deutlich geringerem Umfang findet man Glykoproteine und Glykolipide. Kohlenhydrate werden strukturell nicht verwendet. Bei den Lipiden unterscheidet man

  • Glycerophospholipide (Phosphatidylethanolamin/Cephalin, Phosphatidylcholin/Lecithin, Phosphatidylserin, -inositol, Diphosphoglycerol/Cardiolipin),
  • die aus Ceramid (Sphingosin) bestehenden Sphingophospholipide (Sphingomyelin, Cerebroside, Ganglioside) und
  • das Steroid Cholesterin, ein relativ kleines Molekül und eigentlich ein Alkohol (Cholesterol).

Die Aufgabe der Proteine ist es, den Stoffaustausch und die Kommunikation zu gewährleisten. Sie bilden zudem wasserlösliche Enzyme, die man als extrinsische Proteine zusammenfasst. Proteolipide und Glykoproteine werden als intrinsische Proteine zusammengefasst. Sie können nur durch organische Lösemittel und Detergenzien gelöst werden [20].

Die Membranarchitektur besteht aus einer Schicht hydrophiler polarer Köpfe mit einem hydrophoben Schwanz. Diesen Aufbau bezeichnet man als amphiphile oder auch amphipathische Struktur. In wässriger Lösung wenden sich die hydrophilen Köpfe dem Wasser zu, während der hydrophobe Schwanz sich zu einer inneren Struktur einrollt. Liegt eine einfache Lipidschicht (Monolayer) vor, wird von einer Mizelle gesprochen. Die Ausbildung einer doppelten Lipidschicht wird als Bilayer bezeichnet. Cholesterin lagert sich zwischen die langkettigen Fettsäuren und trägt dadurch entscheidend zu den Fluiditätseigenschaften der Lipidmembranen bei. Der Lipidanteil und Cholesterin sind gegenüber Oxidation anfällig. Aus diesem Grund sind zum Schutz vor Oxidation insb. Ubichinon und Vitamin E integriert. Das Muster von Lipiden und Proteinen ist in den einzelnen Membranen verschieden [8]. Während bspw. der Anteil von Lipiden im Myelin mit 70% hoch und der von Proteinen mit 30% niedrig ist, findet man an der inneren Membran der Mitochondrien ein umgekehrtes Verhältnis. Bereits diese Strukturunterschiede konditionieren die unterschiedliche Lokalisierung der schädigenden Wirkung lipophiler und hydrophiler Schadstoffe an Membranen. Die lipophilen Strukturen werden bes. durch lipophile Schadstoffe geschädigt, allen voran Dioxine, Furane und polychlorierte Biphenyle (PCB). Die hydrophilen Strukturen schädigen Lösemittel und Metalle. Das im Amalgam verwendete Quecksilber (Hg) bindet sich v. a. an die funktionellen S-hydril Gruppen der Membranen und blockiert sie. Die strukturell bedeutsamen Disulfidbrücken werden durch Hg gesprengt. Dadurch wird die Raumstruktur von Proteinen verändert und das Risiko von Autoimmunreaktion erhöht.

Wegen der Oxidationsanfälligkeit wird Cholesterin in der Blutbahn in sphärischen Liposomen transportiert und durch eine Phospholipidhülle geschützt. Dadurch wird die der Oxidation bes. ausgesetzte Oberfläche verkleinert. In den Liposomen ist es als Cholesterin und Cholesterinester zusammen mit Lipoproteinen sehr geringer Dichte (VLDL), geringer Dichte (LDL) und hoher Dichte (HDL) radiär angeordnet gelagert. Die Umhüllung mit Phospholipiden und die Einlagerung von Ubichinon und Vitamin E schützen vor Oxidation [18].

Oxidativer Stress

Während immunologische Reaktionen Antworten des Immunsystems auf das auslösende Agens auf der Basis der individuellen genetischen und/oder erworbenen Mechanismen sind, stellt der oxidative Stress eine unspezifische Reaktion mit nützlichem und gefährdendem Potenzial dar. Sauerstoff spielt dabei die zentrale Rolle. Er ist ein essenzielles Element für jegliches Leben auf der Erde und kommt diatomer (O2) und triatomer (O3) vor. Er besitzt durch die Fähigkeit zur Aufnahme von Elektronen aus reduzierten Substraten herausragende oxidative Eigenschaften.

Freie Sauerstoffradikale sind starke Oxidanzien. Zu ihnen zählt man Singulettsauerstoff (¹O2), Superoxidradikal (•O‾2/HO•2), Hydrogenperoxide (H2O2), Hydroxylradikal (OH•), Peroxylradikale (ROO•) und reaktive Stickstoffspezies (RNS). Physiologische Marker des oxidativen Stresses sind:

  • 8-Hydroxydeoxyguanosin,
  • 8-Nitroguanin, Proteincarbonyl,
  • induzierbare Stickoxidsynthase,
  • Nitrotyrosin,
  • Malondialdehyde,
  • F2–Isoprostane,
  • oxidative Zuckerprodukte,
  • Redox-Ratio von GSH/GSSG,
  • Nuclear-Factor-κB (NF-κB),
  • Cyclooxigenase-L,
  • Glutathion-S-Transferase-Pi und
  • Häm-Oxigenase I.

Quellen des oxidativen Stresses sind Mitochondrien, zelluläre Oxidasen (NOX), durch Übergangsmetalle katalysierte Reaktionen, Myeloperoxidase (MPO), NO-Synthasen (NOS), Oxidasen des Endoplasmatischen Retikulums, zytosolische Enzyme und DNA-methylierende Enzyme.

Freie Radikale werden für sinnvolle Aufgaben genutzt. So werden sie bspw. in den Lysosomen der Makrophagen gezielt für die lytische Aufgabe eingesetzt. Sie spielen in der Auseinandersetzung mit Tumoren und Infektionserregern eine wichtige Rolle, aber auch mit Umweltnoxen [28] [30] [35]. Belastungen mit Partikeln verschlechtern die Kapazität der Makrophagen bei Infekten. Ein wesentlicher Grund, warum COVID-19 in entsprechend belasteten Gebieten (China, Indien, Lombardei, Metropolen wie New York, Madrid u. a.) bes. gravierend war [29]. Endogene Quellen freier Radikale sind Mitochondrien, Peroxisome, NADPH-Oxidase und Enzyme des Cytochrom-P450-Systems. Exogene Quellen sind Chemikalien und Toxine, UV- und ionisierende Strahlung sowie Mutagene ([Abb. 2]). Ihre Einwirkung kann von Entzündung begleitet sein. Eigene Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies auch für elektromagnetische Felder von 5 G zutrifft [12]. Postinflammatorische Gewebsschädigung ist durch die Einwirkung der freien Radikale verursacht. Über lange Zeit ging man davon aus, dass lokale Entzündungsprozesse nur lokale Bedeutung haben. Inzwischen weiß man, dass auch eine geringfügige lokale Entzündung (silent inflammation) dann systemische Auswirkung hat, wenn sie chronisch ist. In der Folge kommt es zu Veränderungen des Neurotransmittergefüges, des Cortisolhaushalts, der gonadalen Funktion. des Energiehaushalts, der Endothelfunktion, der Genaktivierung und -inaktivierung sowie der Struktur von Proteinen. Das primäre therapeutische Ziel ist es nicht, durch den Einsatz von Antioxidanzien den oxidativen Stress zu beenden oder wenigstens zu mindern, sondern durch Identifikation der Ursache diesen Prozess abzustellen. Dabei ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit unverzichtbar. Es wird darüber hinaus künftig eine wichtige Aufgabe sein zu erkennen, wann Oxidation eine protektive Bedeutung hat und seine Beseitigung das Risiko erhöht (antioxidant paradox) und nicht mindert.

Nitrosativer Stress

Obwohl es sich bei Stickstoffmonoxid (NO) strukturell um eine anorganische Verbindung und kein typisches Zytokin handelt, erfüllt NO die Aufgabe eines Zytokins. NO hat einerseits die Funktion, den Blutstrom verstärkt an den Ort des entzündlichen Geschehens zu lenken, um dadurch einen zügigen Transport der benötigten Substrate zu ermöglichen. Andererseits hat es die Aufgabe, intrazelluläre Pathogene direkt zu schädigen. Dabei ist die Entstehung von Peroxinitrit (ONOOˉ) infolge der Reaktion von NO mit Superoxid (OO˙ˉ) zunächst von Vorteil, da ONOOˉ die Aktivierung von NF-κB bedingt, wodurch der entzündliche immunologische Prozess aktiviert wird [30]. Es ist dies die Schnittstelle der mitochondrialen physikalischen und immunologischen Abwehr mit dem innaten Immunsystem. Sowohl proinflammatorische Zytokine als auch NO können die Aktivität der Stickstoffmonoxidsynthase (iNOS) induzieren. Dies kann auch in neurogenem Gewebe durch Aktivierung der neurogenen Stickstoffmonoxidsynthase (nNOS) und an Endothelien durch Bildung der endothelialen Stickstoffmonoxidsynthase (eNOS) der Fall sein. Solange der Prozess von kurzer Dauer ist, überwiegt der Vorteil der NO/ONOOˉ-Kaskade gegenüber dem Nachteil. Die Situation ändert sich immer dann, wenn entzündliche Prozesse chronisch werden, wie es bei der chronischen Einwirkung von Xenobiotika im privaten und beruflichen Umfeld, der Verwendung alloplastischer Materialien oder chronisch verlaufenden Infektionen die Regel und nicht die Ausnahme ist. Oxidativer Stress wurde bei Chronischem Erschöpfungssyndrom (CFS) als wesentlicher Mechanismus beschrieben [1] [2] [3] [4] [27] [14].

Beatmung von COVID-19-Patienten

Der fatale Verlauf bei beatmeten COVID-19-Patienten ist dadurch bedingt, dass die Sauerstoffzufuhr den oxidativen Stress in eine nicht mehr kontrollierbare Dimension treibt. Der Elektronenfluss wird in den Mitochondrien massiv erhöht. Angetrieben wird dieser Prozess durch die Spannungsdifferenz (ΔE) von Sauerstoff (O2) und NADH, die als Motor der Mitochondrienfunktion bezeichnet wird [28]. Das in physiologischen Mengen unproblematische Superoxid steigt dabei erheblich an. Die Menge kann durch Katalasen, Glutathionperoxid und Superoxiddismutase 2 (SOD2) nicht mehr kompensiert werden [Abb. 4]. Dabei steigt die Wasserbildung bei gleichzeitig erhöhter Proteinsynthese an [5]. Wasser wird dadurch in der Zelle retiniert. Die Anwesenheit von Übergangsmetallen verschärft diesen Prozess katalytisch [Abb. 5]. Die Patienten entwickeln das Gefühl des Ertrinkens. Die Diffusionsstrecke wird für den Sauerstoff so hoch, dass die Erythrozyten nicht mehr erreicht werden. Obgleich noch keine Daten dazu vorliegen, ist anzunehmen, dass in dieser späten Phase die Virusreduplikation völlig erlischt und die Patienten an dem massiven oxidativen Stress, nicht aber an der Virämie versterben. Dies würde auch die zahlreichen Schäden in vielen ursprünglich nicht betroffenen Organen, insb. dem Gehirn und den Nieren erklären können. Bei keiner Indikation konnte durch die Beatmung die Mortalität gesenkt werden [6]. Auf das Risiko der Beatmung und den durch resultierenden oxidativen Stress letztendlich induzierten Zytokinsturm war schon früh aufmerksam gemacht worden [21] [22] [23] [24] [25]. Die fatalen Interaktionen bei der Beatmung von COVID-19-Patienten auf Intensivabteilungen wurden dargestellt. Behandlungsalternativen durch Einsatz hoher Dosen von Kortikoiden, Antioxidanzien und Scavengern von freien Radikalen in Verbindung mit Hämofiltration wurden publiziert [23] [24]]. Bei Menschen, die an Ebola erkrankt waren, stieg die Mortalität durch Beatmung um den Faktor 3,8 [26]. Es handelt sich hierbei um einen Erreger, der keine bes. Affinität zu den Atmungsorganen besitzt. Es ist zu erwarten, dass bei Viruserregern mit hoher Affinität zu den Atmungsorganen wie den Coronaviren die Rate höher liegt. Obwohl diesbezüglich keine genauen Daten vorliegen, ist die Annahme eines Faktors 5 realistisch. Das würde bedeuten, dass nur bei 20% der beatmeten Patienten der Tod unvermeidlich gewesen wäre.

Bei Erkennung der Situation hätte die Risikobewertung von COVID-19 anders ausfallen müssen, was schon die Infection Fatility Rate (IFR) der Heinsberg-Studie erkennen ließ, die mit 0,24 im Bereich üblicher Influenzavirus-Epidemien lag [34]. Die Bilder aus Bergamo und Cremona, auch aus dem Mount Sinai Hospital in New York boten das Szenario, eine Welle der Angst auszulösen und objektive Meinungsbildung zu verhindern. Die häufigste Todesursache bei COVID-19 Infektionen ist mit großer Wahrscheinlichkeit die nicht erkannte, durch die Infektion bzw. iatrogen induzierte Mitochondriopathie.

Dr. med. Kurt E. Müller
Dermatologe 
Er ist Gründungsmitglied des Deutschen Berufsverbands für Umweltmedizin (dbu) und der European Academy for Environmental Medicine (EUROPAEM).

Erklärung: Der Autor verneint wirtschaftliche Interessen.

1 Bansal M, Kaushal N. Oxidative Stress, Mechanisms and their Modulation. New Delhi: Springer India; 2014

2 Beckman JS. et al. Nitric oxide, superoxide and peroxynitrit: the good, the bad and the ugly. Am J Physiol 1996; 27: C1424-C1437

3 Boveris A. Determination of the production of superoxide radicals and hydrogen peroxide in mitochondria. Methods Enzymol 1984; 105: 429-439

4 Bredt DS. et al. Nitric oxide: a physiological messenger molecule. Ann Rev Biochem 1994; 63: 175-195

5 Bojkova D, Klann K, Koch B. et al. Proteomics of SARS-CoV-2-infected host cells reveals therapy targets. Nature 2020; 583: 469-472

6 Chu DK, Kim LH-Y, Young PY, Zamiri N, Almenawer SA, Jaeschke R, et al. Mortality and morbidity in acutely ill adults treated with liberal versus conservative oxygen therapy (IOTA). A systematic review and meta-analysis. The Lancet. 2018; Vol. 391, Issue 10131: 1693–1705

7 Dantzer R, Capuron L: Inflammation-associated depression: Evidence, Mechanisms, and Implications. Springer Verlag 2017 amylois-ß

8 Dezfouli A (2019): Melatonin has protective effect against amyloid-ß Induced neurotoxicity mediated by mitochondrial biogenesis; involvement of hippocampal Sirtuin signalling pathway. DOI: 10.1016/jphysbeh.2019.02.016

9 Devlin TM. Biological Membranes: Structure and Membrane Transport. In: Devlin TM (Ed): Textbook of Biochemistry. 5th Ed. Wiley-Liss 2002; 493–534

10 Fonne-Pfister R. et al. Xenobiotic and endobiotic inhibitors of cytochrome P-450dbl function, the target of the debrisoquine/sparteine type polymorphism. Biochem Pharmacol 1988; 37: 3829-3835

11 Hatefi Y. The mitochondrial electron transport chain and oxidative phosphorylation system. Annual Review of Biochemistry 1985; 54: 1015-1069

12 Henz D, Müller KE. Einflüsse von 5G auf die Immunfunktion und Veränderungen des Elektroenzephalogramms. umg 2022; 35: 30-33

13 Hinkle PC, McCarty RE. How Cells Make ATP. Scientific American 1978; 238: 104-123

14 Kuklinski B. Zur Praxisrelevanz von nitrosativem Stress. umg 2005; 18: 95-105

15 Kuklinski B. SOD2-Polymorphismus, mitochondriale Zytopathie und nitrosativer Stress. OM & Ernährung 2009; 129: 2-12

16 Kuklinski B (2014): Frequenzkorrigierte QTc-Zeit im EKG,Coenzym Q10 und Mitochondrienfunktion. Tei 1. OM & Ernährung 146, F2–F12

17 Kuklinski B (2018): Differenzialdiagnostik und –therapie der Mitochondropathie. OM & Ernährung, SH10: 4–13

18 Littarru GP. Energy and defense. Rom: Casa Editrice Scientifica Internationale; 1994 (ODER im Text 1996 genannt)

19 Müller KE. Stressregulation und Mitochondrienfunktion. OM Zs f Ortomol Med 2013; 11: 9-13

20 Müller KE. Schädigung von Strukturen und Funktionen der Membranen durch Umwelteinflüsse. umg 2014; 27: 11-16

21 Müller KE. Artificial Respiration in Severe COVID-19 Cases – A beneficial or Deleterious Treatment. umg 2020; 33: 42-45

22 Müller KE. Phasengerechte Therapie der COVID-19-Patienten. umg 2020; 33: 21-27

23 Müller KE. Artificial respiration in severe COVID-19 cases – A beneficial or deleterious treatment. Cinical Microbiology and Infectious Diseases 2021; 6: 1-5

24 Müller KE. Artificial respiration in severe COVID-19 cases – A beneficial or deleterious treatment. J Immunol and Inflammation Diseases Therapy 2021; 4 DOI: 10.31579/2637-8876/017.

25 Müller KE: Artificial Respiration in Severe COVID-19 Cases – A Beficial or Deleterious Treatment. J Immunol and Inflammation Diseases Therapy. 2021; 4(1) DOI: 10.31579/2637-8876/017

26 Mulangu S. A Randomized, Controlled Trial of Ebola Virus Disease Therapeutics. 2019; 381: 2293-2303

27 Nathan C. et al. Nitric oxide synthase: roles, tolls and controls. Cell 1994; 78: 915-918

28 Naviaux RK. Oxidative shielding or oxidative stress?. J Phamacol Exp Ther 2012; 342: 608-616

29 Ogen Y. Assessing nitrogen dioxide (NO2) levels as a contributing factor to coronavirus (COVID-19) fatality. Science of Total Environment 2020; 726: 138605

30 Pall M. Explaining „Unexplained Illnesses”. New York: Harrington Park. 2007

31 Rassow J. et al. Aufbau biologischer Membranen. Funktion biologischer Membranen. In: Rassow J et al. Biochemie. 2. Aufl. Duale Reihe. Stuttgart: Thieme; 2008: 331-351

32 Römmler H: Hormone. Thieme Verlag 2014

33 Straub RH. Altern, Müdigkeit und Entzündung verstehen. Berlin: Springer; 2018

34 Streeck H. et al. Infection fatility rate of SARS-CoV-2 infection in German community with a super-spreading event. Nature Communication 2020; DOI: 10.1038/s41467-020-19509-y.

35 Valko M, Leibfritz D, Moncol J. et al. Free radicals and antioxidants in normal physiological function and human disease. Int J Biol 2007; 39: 44-84

36 West AP, Shadel GS, Gosh S. Mitochondria in innate immune response. Nat Rev Immunol 2011; 11: 389-402

37 Yakimenko I, Tsybulin O: Oxidative mechanisms of biological activity of low intensity radiofrequency radiation. Electromagn Biol Med 2016; 35(2): 186–202