Kampō-MedizinKampō – traditionelle japanische Arzneimitteltherapie

Die traditionelle japanische Arzneimitteltherapie Kampō kann vielseitig angewendet werden, z.B. bei funktionellen, hormonellen, neurologischen und somatoformen Störungen.

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Getrockneter Ginseng
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Ginseng: Eine Heilpflanze, die in vielen Medizinsystemen eine wichtige Rolle spielt, so auch in der traditionellen japanischen Arzneimitteltherapie Kampō.

Ein traditionelles und zugleich modernes Medizinsystem

  1. Die traditionelle japanische Arzneimitteltherapie Kampō hat ihren Ursprung in der klassischen chinesischen Medizin, hat sich jedoch in Japan zu einer eigenständigen Therapieform entwickelt.
  2. Kampō kann vielseitig angewendet werden, zum Beispiel bei funktionellen, hormonellen, neurologischen und somatoformen Störungen.
  3. Die Anwendung von Kampō hat zahlreiche Facetten; einige Grundbegriffe können diese beispielhaft verdeutlichen, zum Beispiel In-Yō (chin. Yin und Yang), Hyō-Ri (Außen-Innen) und Kyū-Jitsu (Mangel-Überschuss).

Traditionelle Medizin ist in Japan allgegenwärtig. Dazu zählen Akupunktur, Heilmassage, Heilgymnastik und Kampō – die Arzneimitteltherapie. Laut einer Umfrage von 2012 verschreiben 80 % aller japanischen Ärzte regelmäßig Kampō-Arzneimittel.

Was bedeutet Kampō?

Die erste Wortsilbe „Kam“ bezieht sich im Japanischen auf die Ethnie der Han-Chinesen oder – je nach Interpretation – auf die Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.). Während dieser Zeit erlebte die klassische chinesische Medizin ihre Hochblüte, und ihre bedeutendsten klassischen Werke wurden verfasst. Die zweite Wortsilbe „pō“ bedeutet Methode, Weg oder Richtung. So kann man Kampō als Han-Methode übersetzen.

Kampō hat den Ursprung in der klassischen chinesischen Medizin. Jedoch bildete die japanische Kultur den Inkubator für die Transformation zu diesem gleichsam traditionellen wie modernen Medizinsystem.

Kampō ist – bildhaft gesprochen – ein sehr lebendiger Baum, dessen Wurzeln sich aus dem antiken medizinischen Wissen nähren.

In Japan fest verankert

Seit fast 50 Jahren werden traditionelle Heilmittel von der japanischen Krankenkasse nach ärztlicher Verordnung erstattet. Dies schaffte die Basis für eine bis heute ungebrochene Popularität der Kampō-Arzneimittel. Viele Kampō-Mittel sind rezeptfrei erhältlich, mit einigen wenigen Ausnahmen.

Wenn auch Sushi, Manga und vieles andere „made in Japan“ weltweit beliebt ist, ist die Kampō-Medizin bislang noch kein bedeutender Exportartikel.

Inhaltsstoffe der Mittel

Die verordneten Kampō-Heilmittel sind pflanzlichen, zu einem geringen Teil mineralischen oder tierischen Ursprungs. Zum Beispiel enthalten sie Ginsengwurzel, Tragantwurzel, Angelikawurzel, Pfingstrosenwurzel, Süßholz, Zimtrinde, Minzkraut, Chrysanthemenblüten, Porling-Heilpilze, Austernschalenpulver oder mineralischen Gips. Einige wenige Arzneimittel sind potenziell gesundheitsschädlich und daher dem erfahrenen Therapeuten vorbehalten, zum Beispiel, wenn sie Eisenhut, Meerträubel oder Rhabarber enthalten.

Kampō und die TCM

Die Kampō-Medizin und die TCM haben Verbindungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede. Diese sind im Folgenden zusammengefasst.

1. Qualität der Heilmittel

Arzneimittel und Rezepturen des Kampō sind zwar aus der TCM entlehnt, werden aber nach eigenen Gesichtspunkten verwendet. Ursprünglich wurden viele der Kampō-Heilpflanzen in Japan angebaut oder durch gleichartige botanische Vertreter ersetzt. Heutzutage wird der Großteil aus anderen asiatischen Ländern, insbesondere aus China, Korea und Vietnam, importiert. Die Verarbeitung der Rohstoffe findet jedoch in Japan statt, wo industrielle Standards weitgehend den europäischen gleichen und Preise der Produkte daher auch teurer als Mittel aus China sind. Hinsichtlich der Qualität des Anbaus, der Selektion und der Weiterverarbeitung von Arzneirohstoffen haben japanische Betriebe einen Wissensvorsprung gegenüber anderen asiatischen Ländern. Das hat einerseits mit dem typisch japanischen Hang zur Perfektion und dem daraus resultierenden Qualitätsbewusstsein zu tun. Andererseits wurde das Land im Vergleich zu anderen asiatischen Ländern früher industrialisiert und modernisiert. Gerade im Bereich der Pharmazie zählen japanische Firmen zu den weltweit führenden Unternehmen. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Granulate, Tabletten und andere Verarbeitungsformen im Vergleich mit jenen aus China bezüglich Haltbarkeit, Wirksamkeit und Verträglichkeit besser abschneiden.

Die Preise für die Arzneirohstoffe waren in China über lange Zeit viel günstiger als in Japan. Im Zuge der weltweit hohen Nachfrage nach TCM-Arzneimitteln sind die chinesischen Preise mittlerweile sehr stark gestiegen. Japan hat sich durch die Globalisierung jedoch mitunter von China abhängig gemacht, da in Japan kaum noch Arzneirohstoffe erzeugt, sondern diese günstiger aus China importiert wurden. Traditionelle Arzneimittelbetriebe wie etwa die Firma Tsumura haben mittlerweile Anbauflächen vor allem in China erworben und Fabriken zur Verarbeitung der Rohstoffe dorthin verlagert. In den letzten Jahren gab es zudem Bestrebungen, den Anbau der Heilpflanzen teilweise wieder nach Japan zurückzuholen.

2. Reduktion der Komplexität

Während die Komplexität der TCM diese teilweise unüberschaubar erscheinen lässt (zum Beispiel sind über tausend verschiedene Arzneimittel in Verwendung), hat sich in der Kampō-Medizin jener Minimalismus durchgesetzt, welcher der Schlichtheit eines Zen-Kunstwerks entspricht. In solchen Kunstwerken, ob es ein Pinselstrich oder ein Blumengesteck ist, wird seit jeher nichts dem Zufall überlassen. Die Beschränkung auf wenige hundert Arzneimittel war jedoch auch der mangelnden Verfügbarkeit an Rohstoffen geschuldet.

Mehrere Heilmittel werden gesammelt in Rezepturen bei einem definierten klinischen Muster verordnet. Dieses Muster kann man nicht mit einer Krankheit nach dem Verständnis der westlichen Medizin gleichsetzen. Das gleiche Muster kann sich bei unterschiedlichen Krankheiten finden und wird dennoch mit derselben Formel therapiert. Ein Muster besteht aus typischen Symptomen, klinischen Zeichen und Befunden. Als ein Beispiel sei hier die Rezeptur Rikkunshi tō genannt, die bei funktionellen Verdauungsbeschwerden verordnet wird. Der dazu passende Patient hat einen schwachen Radialispuls, eine blasse Zunge mit Zahnabdrücken und weißem Zungenbelag sowie eine weiche Bauchdecke mit Druckschmerz im Oberbauch.

Hintergrundwissen Kampō 

Kampō bedeutet übersetzt Han-Methode. In der chinesischen Han- Dynastie, 206 v. Chr. bis 220 n. Chr., wurden die bedeutendsten Klassiker der chinesischen Medizin verfasst, darunter die Werke Shennong- Bencaojing, Huangdi-Neijing und die beiden Bücher Shanghan-Lun und Jingui-Yaolue. Dieses Wissen erreichte Japan wahrscheinlich im 6. Jahrhundert durch die Gesandtschaften buddhistischer Mönche, welche aus China und Korea Arzneimittel und Schriften mitnahmen. Über die Heiltraditionen in Japan vor dieser Zeit gibt es keine Überlieferung. Das früheste medizinische Werk Japans ist das Ishinpō, das ein gewisser Yasuyori Tanba im Jahr 984 verfasste. Es kommentiert klassische chinesische Medizinliteratur, die heute teilweise als verschollen gilt.

Entwicklungen der Kampō-Medizin

Wie auch in der chinesischen Medizin entwickelten sich im Lauf der der Zeit verschiedene Denkrichtungen der Kampō-Medizin. Die Goseiha-Schule, deren wichtigster Vertreter der Arzt Manase Dōsan (1507–1594) war, propagierte neuere Lehren der chinesischen Medizin, darunter jene von Zhu Danxi oder auch Li Dongyuan. Die Kohōha-Schule hingegen vertrat die Ansicht, dass alle neuen Entwicklungen seit der Han-Dynastie einer Verwässerung der essenziellen Lehren seien. Als ihr Befürworter galt Yoshimasu Tōdō (1707–1773). Mit ihm begann eine neue Ära der eigenständigen Entwicklung in der Kampō-Medizin, welche durch die Abschottung des Landes in der japanischen Edo-Periode (1600–1868) begünstigt wurde. Tōdō vertrat die Ansicht, dass Medizintheorien wie die Fünf-Elemente-Lehre für die Arzneitherapie nicht praxistauglich wären, und war davon überzeugt, dass allein die Evidenz des klinischen Bildes die richtige Therapie vorgeben würde. Zu jener Zeit wurde auch die diagnostische Bauchuntersuchung entwickelt und erstmals in dem Buch Fukushō Kiran von dem Japaner Katsubunrei Inaba systematisch beschrieben.

Westliche Medizin durch Handelsmonopol

Zu dieser Zeit hatten allein die Holländer ein Handelsmonopol mit Japan inne. Sie waren die Ersten, welche die westliche Medizin in das Land brachten. Diese wurde deshalb ursprünglich Ranpō genannt, wörtlich Holland-Methode. In der nachfolgenden Meiji-Zeit (1868– 1912) kam es zu einer schrittweisen Öffnung des Landes mit Reformen in vielen Bereichen, so auch in der Medizin. Die neue Denkschule Setchūha trat für eine Synthese der modernen westlichen und der traditionellen Medizin ein.

Kampō wird wieder bedeutend

Vorübergehend kam es zu einem Niedergang der Kampō-Medizin, als ein Berufsverbot für Kampō-Mediziner erlassen worden war, welche nicht die Ausbildung der westlichen Medizin absolviert hatten. Es waren gerade diese in westlicher Medizin approbierten Ärzte, welche Kampō wiederbeleben sollten. Denn zur Zeit des zweiten Weltkrieges kam es zu einem teilweisen Zusammenbruch der medizinischen Infrastruktur und zu mangelnder Verfügbarkeit von Medikamenten. Kampō erlangte von da an wieder an Bedeutung.

Der Arzt Keisetsu Otsuka (1900–1980) war in westlicher Medizin ausgebildet und kannte sich auch hervorragend in der Kampō-Medizin aus. Von ihm liegen zwei Bücher in englischer Übersetzung vor, ein Lehrbuch und eine höchst lesenswerte Sammlung von Fallgeschichten aus 30 Jahren Praxis. 1950 gründete er das heute noch bestehende Institut an der Kitasato-Universität sowie die Japanische Ärztegesellschaft für fernöstliche Medizin, die heute über 8000 aktiven Mitglieder zählt.

Von damals bis heute

Ursprünglich wurde das Kampō-Wissen durch Schriften und mündliche Überlieferung verbreitet. Heute gibt es regionale und überregionale Verbände und Fachgruppen, sowie Institute für Forschung und Lehre. Diese stehen in engem Austausch mit Herstellern von Kampō- Arzneimitteln, welche Fortbildungen und Kongresse fördern. Kampō-Medizin wird seit vielen Jahren intensiv nach modernen, wissenschaftlichen Kriterien erforscht. Dies war die Voraussetzung für die nachhaltige Integration in das öffentliche Gesundheitssystem, die Synergie mit der modernen Medizin und die Förderung durch die nationale Krankenversicherung. In Apotheken und Drogerien kann man viele Kampō-Mittel auch rezeptfrei erwerben, und viele Krankenhäuser verfügen über eine eigene, interdisziplinäre Kampō-Abteilung.

3. Diagnostik

Die Kampō-Diagnostik setzt sich zusammen aus:

  • Befragung: Anamnese, bisher erhobene Befunde, Vitalfunktionen
  • Beobachtung: Konstitution, Vitalität, Gesichtsfarbe und Zungenbild
  • Betastung: Radialispulse und Bauchtastung

Fukushin, die Bauchpalpation, ist ein besonderes Merkmal der Kampō-Medizin. Sie darf nicht mit der Bauchdiagnose von Akupunktur- oder Shiatsu-Schulen verwechselt werden. In den klassischen Werken der chinesischen Medizin werden Bauchbefunde erwähnt, jedoch ist deren Rolle dort heutzutage nachrangig. Anders in Japan, wo dem Bauch als vitales Zentrum eine besondere Bedeutung zukommt. Er steht symbolisch für die Mitte des Menschen.

Bei der Bauchdiagnostik wird die Bauchform, die Elastizität und Druckempfindlichkeit der Bauchdecke in den einzelnen Bauchregionen beurteilt und entsprechenden Krankheitsmustern zugeordnet. Besondere Befunde wie Pulsationen oder Plätschergeräusche werden pathologischen Mustern zugeordnet. Plätschergeräusche beispielsweise finden sich etwa bei einer Schwäche der Milz und der Bauchspeicheldrüse. Bei dieser kommt es häufig zu einer Stagnation von Verdauungssäften in den Hohlorganen des Bauches. Eine passende Formel zur Behandlung wäre Rikkunshi tō.

4. Traditionelle Medizin – erfahrungs- und evidenzbasiert

Über viele Jahrhunderte hinweg hat sich im Land der aufgehenden Sonne ein großer Erfahrungsschatz über die Wirkung der Arzneimittel angesammelt. Einst geheim gehalten, ist das Wissen heute frei zugänglich.

In China wurden während der Kulturrevolution bedeutende Bücher zerstört, in Japan hingegen haben sich einige verloren geglaubte Klassiker der chinesischen Medizin erhalten.

Heute wird Kampō nach den strengen Kriterien der evidenzbasierten Medizin erforscht, beispielsweise in randomisierten klinischen Studien.

Anwendungsgebiete

Die Anwendungsgebiete der Kampō-Medizin sind vielfältig: funktionelle, hormonelle, neurologische und somatoforme Störungen, Allergien, Infektionen ohne schweren Verlauf und Schwächezustände. In Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachdisziplinen kann die Traditionelle Japanische Medizin – und so auch die Kampō-Medizin – zudem bei schweren Erkrankungen wie Rheuma, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Krebserkrankungen einen wertvollen, unterstützenden Beitrag leisten. Es kann jedoch zu Wechselwirkungen zwischen Heilpflanzen und Medikamenten kommen. Deshalb ist die Behandlung insbesondere von chronisch schwerkranken Menschen erfahrenen Kampō-Experten vorbehalten und erfolgt in Rücksprache mit entsprechenden Fachärzten.

Grundbegriffe

Es würde hier den Rahmen sprengen, wollte man alle Facetten der Kampō-Medizin aufzählen. Die Erläuterung einiger elementarer Begriffe gibt einen ersten Einblick. Diese folgenden Aspekte werden mitunter herangezogen, um die richtige Rezeptur für einen Patienten zu ermitteln.

Taishitsu (Konstitution): Die individuelle Konstitution ist maßgebend für die Wahl der Therapie. Daher ist die traditionelle Kampō- Medizin auch eine Form der personalisierten Medizin.

In-Yō (chin. Yin und Yang): elementare Naturkräfte, welche sich in der menschlichen Physiologie und Pathologie widerspiegeln. Die Kenntnis ihrer Dynamik ist für die Diagnostik und Therapie wichtig. Normalerweise sind die Kräfte im Gleichgewicht. Dieses wird durch krankmachende Einflüsse gestört. So kann es bei einer Viruserkrankung zu Fieber kommen, wobei das extreme Yang das Yin stört und es dadurch zu einer bedrohlichen Austrocknung der Körperflüssigkeiten kommt. Daher werden zu fiebersenkenden Arzneimitteln zusätzlich solche zum Schutz des Yin verordnet.

Hyō-Ri (Außen-Innen): Die Differenzierung in interne oder externe Krankheitsbilder ist für den Therapieerfolg entscheidend. So kann es zu Beginn einer Infektion zu Symptomen wie Gliederschmerzen und Frösteln kommen, welche die Lokalisierung des Krankheitsgeschehens an der Körperoberfläche anzeigen. Es können hier schweißtreibende Arzneimittel zum Einsatz kommen. Diese sind aber bei hohem Fieber (interne Erkrankung) kontraindiziert, weil sie zu noch schnellerer Austrocknung führen.

Kyū-Jitsu (Mangel-Überschuss): Diese grundlegenden Krankheitsmuster sind entweder mit tonisierenden oder ausleitenden Methoden zu therapieren.

Kan-Netsu (Kälte-Hitze): geht oft mit Unter- und der Überfunktion einher. So kann eine Überfunktion der Schilddrüse zu einem Hitze-Muster führen, das von Schlaflosigkeit, Schwitzen und schnellem Puls gekennzeichnet ist. Eine Unterfunktion führt hingegen zu Kälte-Zeichen wie etwa Müdigkeit und Ödemen. Physiologische Prozesse sind von der Körpertemperatur abhängig. Zu deren Regulierung werden ausgleichende, wärmende oder kühlende Heilmittel verordnet.

Ki-Ketsu-Sui: Ki (chin. Qi) ist eine vitale Kraft, die physiologische Prozesse beeinflusst. Ketsu (Blut) ist die nährende Grundsubstanz und die Basis des zellulären Immunsystems. Sui (Wasser) sind die Körperflüssigkeiten und Botenstoffe. Diese drei interagieren miteinander und sind für die Regeneration von großer Bedeutung.

Shō-Hō (Krankheitsbild-Therapiemethode): Die Therapiemethode richtet sich nach dem aktuellen Befundmuster. Jede Arzneiformel passt auf ein definiertes Befundmuster.

Hieishō (Kälte-Muster): Viele Menschen leiden an Kälteempfindlichkeit und sind anfällig für bestimmte Krankheiten. Sie werden mit wärmenden und stärkenden Arzneimitteln behandelt.

Suidoku (Wasser-Gift): Pathologische Ansammlungen von Körperflüssigkeiten kommen bei vielen chronischen Krankheiten vor. Sie stören die Physiologie des Körpers und müssen mit diuretischen, manchmal auch mit schweißtreibenden Arzneimitteln behandelt werden.

Mibyō (Kränklichkeit): Gemeint ist ein unterschwelliger Zustand von mangelnder Gesundheit oder latenter Krankheit, der als Vorläufer von Krankheit angesehen wird.

Nobōse (Blut-Fülle im Kopf): Symptome des vegetativen Nervensystems wie plötzlich auftretende Schweißausbrüche, Schwindel oder Erröten kommen häufig vor – nicht nur, aber vor allem in der Menopause. Hier werden Symptome als auch Ursachen behandelt.

Mengen (Heilungskrise): Heftige Reaktionen wie Durchfall, Erbrechen oder Schwindel können nach Beginn der Therapie auftreten und als Erstverschlechterung gewertet werden. Nach früherer Auffassung war dies eine Notwendigkeit bei ernsten Erkrankungen.

Kampō in der EU

Außerhalb Japans ist Deutschland führend in der Verbreitung der Kampō-Medizin. Der deutsche Mediziner Dr. Ulrich Eberhard hat als Pionier ein Schlüsselwerk verfasst [1]. Gemeinsam mit Dr. Heidrun Reissenweber-Hewel, Dr. Silke Cameron und anderen hält er Kurse für Mediziner im Rahmen der DÄGFA (Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e. V.) ab. Die genannten Personen engagieren sich innerhalb der Internationalen Gesellschaft für Kampō- Medizin, an deren Gründung sie im Jahr 2009 maßgeblich beteiligt waren.

Als erstes Land in der Europäischen Union ist in Deutschland seit 2020 ein traditionelles Arzneimittel der Kampō-Medizin registriert und rezeptfrei erhältlich: Yamato-Gast. Es wird von der in Wakayama ansässigen Firma Ominedo hergestellt und vertrieben.

Fazit

Die japanische Kampō-Medizin ist ein Teil der Familie asiatischer Medizintraditionen und heute in Japan eine tragende Säule des Gesundheitssystems. Im Vergleich zur TCM ist sie in Europa relativ unbekannt. Sie wäre jedoch gut dazu geeignet, die westliche Medizin zu ergänzen, da sie sich gut in ein westliches Medizinsystem integrieren ließe.

Dr. Med. Bernd Kostner
Allgemeinmediziner, Dipl.-Osteopath und Experte für Traditionelle Chinesische und Japanische Medizin.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  1. Eberhard E. Leitfaden Kampō-Medizin. München: Elsevier; 2003
  2. Frass M, Krenner L. Integrative Medizin – Evidenzbasierte komplementärmedizinische Methoden. Heidelberg: Springer; 2019
  3. Otsuka K, Soriano G, Dawes N. Kampo – A Clinical Guide to Theory and Practice. London: Elsevier / Churchill Livingstone; 2010
  4. Shibata Y, Wu J. Kampo Treatment for Climacteric Disorders. Paradigm Publications; 1997
  5. Sato Y, Hanawa T. et al. Introduction to Kampo – Japanese Traditional Medicine. Elsevier / JSOM; 2005
  6. Ahrens T. Kampo – Einführung in die japanische Pflanzenheilkunde in 25 Fragen und Antworten. München: Iudicium; 2018
  7. Dawes N. Fukushin and Kampo – Abdominal diagnosis in traditional japanese and Chinese Medicine. Jessica Kingsley Publishers / Singing Dragon; 2021