YogaYoga bei Burnout, Depression und Ängsten

Mit Yoga Healing wieder ins innere Gleichgewicht finden. Diese Übungen helfen den Körper zu entspannen.

Junge Frau sitzt auf dem Sofa, die Hände halten den Kopf und bedecken das Gesicht.
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Ängste sind aus ayurvedischer Sicht eine Vata-Erhöhung. Einige Ayurveda-Experten sprechen von der "modernen Vata-Erhöhung". Unregelmäßiger Schlaf, wenig soziale Unterstützung, unregelmäßiges Essen, ständige Ablenkung über moderne Medien und zu wenig Konzentration auf das eigene Innere beschleunigen die Funktionsabläufe des Körpers. Der Organismus stellt sich auf schnelle Umsetzung ein und es fehlt die nötige Regeneration.

So logisch und einfach sie erscheinen mögen, sind die Regeln des Ayurveda dennoch im Alltag immer wieder eine Herausforderung.

Ayurvedische Regeln für mehr Balance

  • Bewusst frühe Bettruhe
  • Ausschlafen ohne Wecker
  • Regelmäßige Essenszeiten, gutes Kauen und Ruhe beim Essen
  • Heißes Wasser direkt nach dem Aufwachen
  • Warme Getränke tagsüber
  • Regelmäßige Spaziergänge oder Bewegung in der Natur
  • Ein bis zwei Mal täglich eine Meditation mit ungestörter Aufmerksamkeit
  • Regelmäßiges, ruhiges Yoga

Gemäß dem Ayurveda und den Yoga-Texten liegen der Weg zur Balance sowie die größte und stärkste Heilkraft in der geistigen Stille. Der Mensch, der sich so sehr mit den äußeren Aspekten des Lebens identifiziert, dass er seine eigentliche, innere Natur nicht mehr wahrnehmen kann, gerät ins Wanken.

Die Kunst der achtsamen Wahrnehmung

Baya bedeutet Angst. Der Begriff taucht schon in den ältesten Yogatexten, den Rigveda auf. Beschrieben wird die Urangst vor Geburt, Tod, Alter, Verlust und Krankheit, den elementaren Bestandteilen des Lebens. Das heißt: Auch Ängste gehören zu unserem Leben. Sie können ein mächtiger Lehrer sein, sie können aufdecken, wo sich Stress oder unverarbeitete Emotionen verbergen. Sie können uns daran erinnern, dass es etwas gibt, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken sollten. Und sie können ein Signal sein, inneres Wachstum und Veränderungen als unabdingbar zuzulassen. Es geht also weniger darum, Ängste zu eliminieren, sondern vielmehr darum, ihnen die Macht zu nehmen.

Patañjali beschreibt in den Leitfäden des Yoga eindrucksvoll, wie eng Angst und Stress verknüpft sind. Er beschreibt Angst als das Gefühl, vom Universum getrennt zu sein. Getrennt von unserem inneren Licht und dem Gefühl, getragen zu sein von einer Einheit, sehnen wir uns nach bestimmten Erfahrungen und wollen andere vermeiden. Die Sehnsucht führt unvermeidlich zur Angst, das nicht zu bekommen, was wir wollen, und von dem wir uns vorstellen, dass es der einzige Weg zum Glück ist. Vielleicht ist es der berufliche Erfolg, vielleicht die große Liebe.

Angst bezieht sich immer auf die Zukunft und ist damit vorausschauend. Der yogische Weg zeigt, wie man den Ängsten die Macht nehmen und sich im Jetzt verankern kann.

Ängste zeigen sich auf körperlicher Ebene beispielsweise im Anstieg des Blutdrucks, des Pulses, in Muskelverspannungen und verklebten Faszien. Aber auch in oberflächlichem und unregelmäßigem Atem, hormonellen Dysbalancen sowie Verdauungsproblemen. Die emotionale Ebene ist geprägt von Besorgnis, Furcht, Entsetzen oder Panik in unterschiedlicher Intensität. Die geistige Ebene wird geprägt von Konzentrationsschwäche, kreisenden oder fixierten Gedanken, einem Tunnelblick oder sogar einem Blackout. Eine Harmonisierung auf einer der Ebenen hat immer auch eine Resonanz auf den anderen Ebenen.

Laut vedischem Modell sind Sinnesorgane und Psyche untrennbar verbunden. Um sich der Angst zu nähern, braucht es also eine achtsame Wahrnehmung. Das hört sich einfacher an, als es ist. Ist die Angst ein häufiger Begleiter, sind das generelle Stressempfinden und die individuelle Belastung erhöht und eine klare Wahrnehmung eingeschränkt.

Regelmäßige Yoga-Praxis kann das erhöhte Stresslevel reduzieren. Zunächst gilt es, den unruhigen und aufgebrachten Verstand zu besänftigen. Der zweite Schritt ist, zu erkennen, dass die übersprudelnden Emotionen, wenn wir sie nicht selbst verstärken, ihre Macht verlieren und im achtsamen Jetzt verglühen. Patañjali lehrt, die gelassene Haltung des wertfreien Beobachtens zu üben und zu kultivieren. Daraus resultiert die Fähigkeit, die Angstgedanken zu zähmen, im Rahmen zu halten und sie so immer seltener aufkommen zu lassen.

Die Yoga-Praxis

Achtsame, fließende Bewegungen und eine bewusste Körperwahrnehmung können in dieser Praxis die Unruhe und Dynamik des Geistes auffangen. Nehmen Sie im Jetzt Ihren Körper, den angemessenen Tonus der Muskulatur wahr. Lernen Sie, übermäßige Spannung in so viel Kraft wie nötig und so viel Entspannung wie möglich umzuwandeln. Die Übungsfolge beginnt kraftvoll bewegt, um die Möglichkeit der persönlichen Kontrolle und Struktur zu erfahren. Eine wertvolle Unterstützung bei den Übungen ist die Wand zum Aufrichten und Anlehnen und als Spiegel der eigenen Kräfte. Nach und nach werden die Bewegungen sanfter, ruhiger, bis Sie sich auf das Entspannen einlassen können und zum stillen Beobachter werden.

Einstiegsritual die Flügel des Atems

Beginnen Sie im aufrechten Stand. Die Beine sind etwas weiter als schulterbreit geöffnet. Die Fußspitzen und Knie weisen sanft nach außen. Nehmen Sie Ihren stabilen Stand bewusst wahr. Fersen, Großzehenballen und die Außenkanten der Füße sind fest mit dem Boden verbunden. Stellen Sie sich vor, die Beine sanft aufeinander zuzuziehen. Die gewonnene Kraft lenken Sie nach oben in Bauch und Beckenraum. Sie stehen noch stabiler.

So geht es:

  • In diesem stabilen Stand vertiefen Sie Ihre Atmung. Atmen Sie gelassen durch die Nase ein und aus.
  • Geben Sie dem Atem mehr Kraft und Raum, indem Sie den Oberkörper aufrichten. Nehmen Sie die Schwingungen des Atems im Bauch- und Beckenraum wahr.
  • Die Bauchdecke dehnt sich mit der Einatmung und schwingt ausatmend nach innen.
  • Ihre Bauchmuskeln lassen diese Bewegung ungehindert zu. Sie weiten sich und wählen den angemessenen Tonus zum Zentrieren.
  • Nun dehnt sich die Atembewegung auf Ihre Arme aus. Einatmend steigen die Arme sanft wie Flügel seitlich auf.
  • Ausatmend sinken sie entspannt zurück.
  • Lassen Sie sieben Flügelbewegungen des Atems entstehen. Die Flügel steigen seitlich so weit auf, wie es sich leicht anfühlt.
  • Ihre Schultern bleiben ganz gelöst. Der Atem trägt die Arme nach oben und senkt sie wieder. Die Schultern liegen breit auf dem Oberkörper und lassen die Flügelbewegung zu.
  • Lassen Sie sich viel Zeit beim Atmen und Bewegen.

Samasthiti Achtsamkeit im Aufrichten

Aufrichtung ist ein lebenslanges Thema. Manchmal braucht es eine Unterstützung, um Muster zu lösen und Turbulenzen zu beruhigen. Die Achtsamkeit des Yoga lehrt uns, die innere Stärke zum Aufrichten zu finden und zu nutzen. Der Yoga-Weg motiviert uns aber auch, Unterstützungen anzunehmen und dankbar zu nutzen.

So geht es:

  • Stellen Sie sich etwa eine Fußlänge entfernt mit dem Rücken an eine Wand. Schmiegen Sie Becken, Brustkorb und Hinterkopf an die Wand.

  • Nutzen Sie die Wand, um sich von innen aufzurichten und im Hier und Jetzt zu verankern.

  • Einatmend ziehen Sie die Beckenrückseite und den Kopf auseinander immer in Kontakt mit der Wand. Der Brustkorb bleibt großflächig gegen die Wand gelehnt.

  • Einatmend heben Sie den rechten Arm seitlich an, der aufgerichtete Rücken bleibt eng an der Wand. Ausatmend senken Sie den Arm.

  • Wiederholen Sie mit dem linken Arm und mit beiden Armen.

  • Nun krabbeln Sie mit den Füßen etwas weiter nach vorne und beugen beide Knie. Nehmen Sie die Kraft Ihrer Beine wahr. Halten Sie den Rücken an der Wand aufrecht und wiederholen Sie die Armbewegungen synchron zum Atem.

  • Anschließend lösen Sie den Rücken von der Wand, strecken die Beine und nehmen Ihre innere, gestärkte Aufrichtungskraft wahr.

Talāsana die Palme

In dieser Bewegungsfolge wird unser Geist durch zwei Herausforderungen beschäftigt, sodass er sich nicht im Gedankenstrudel verlieren kann. Einmal spielen Sie mit dem Gleichgewicht. Um die Balance zu bewahren, muss der Körper im Lot ausgerichtet sein, dabei stabilisieren die inneren Muskeln Ihre Haltung. Beim Wiegen der Palme im Wind fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem und die Bewegung, die aufeinander abgestimmt werden.

So geht es:

  • Stellen Sie sich seitlich mit der rechten Schulter zur Wand. Legen Sie die rechte Hand sanft gefächert in Schulterhöhe an die Wand.

  • Einatmend rollen Sie die linke Schulter sanft nach außen und heben den Arm im großen Bogen über die Seite an. Neigen Sie sich dabei wie eine Palme nach rechts.

  • Ausatmend richten Sie sich wieder auf und senken den Arm seitlich.

  • Wiederholen Sie diese beiden Bewegungen im Einklang mit dem Atem.

  • Verlagern Sie gleichzeitig das Körpergewicht auf das linke Bein. Lenken Sie die Bauchdecke zum Stabilisieren nach innen. Fokussieren Sie Ihren Blick auf einen Punkt in Augenhöhe vor Ihnen.

  • Bewahren Sie Ihre Balance und heben Sie die rechte Ferse, wenn Sie stabil stehen, den ganzen Fuß, und heben Sie das Knie in Höhe der Hüfte an.

Pranāma achtsame Verneigung

Nutzen Sie mutig Ihre Kraft. Sie stabilisieren den Körper in einer Linie von den Füßen bis zur Kopfkrone. Richten Sie die Schultern kraftvoll weit seitwärts aus und spielen Sie mit der koordinierten Kraft Ihrer Schultern, der Arme, der Körpermitte und des Rückens.

So geht es:

  • Drehen Sie sich frontal zur Wand und strecken Sie beide Arme in Schulterhöhe nach vorne aus. Die Mittelfingerspitzen sollten ganz zart die Wand berühren.

  • Nun aktivieren Sie Ihre Beckenkraft, indem Sie die Sitzbeine aufeinander zubewegen, und lenken die Kraft nach oben in den Bauchraum. Die Bauchdecke zieht sich wie magnetisch nach innen.

  • Lassen Sie den Atem fließen und nehmen Sie Stabilität und innere Kraft wahr.

  • Neigen Sie sich mit stabiler Ganzkörperspannung nach vorne und legen Sie die Hände flach an die Wand. Die Fersen können sich dabei vom Boden lösen. Halten Sie die Kraft aus Ihrem Zentrum aktiv und längen Sie den ganzen Körper von den Fersen bis zu Kopfkrone.

  • Ausatmend beugen Sie beide Arme nur ein paar Zentimeter.

  • Einatmend und im gleichen Rhythmus strecken Sie die Arme wieder. Wiederholen Sie die Bewegung mehrfach, aber behalten Sie das gleichmäßige Tempo bei.

  • Sie können die Arme stärker beugen. Beide Schultern bleiben weit entfernt von den Ohren und weiten sich nach außen.

Vīrabhadrāsana III der Held III

Auch in der Herausforderung zentriert und ausbalanciert zu bleiben ist in dieser Haltung erfahrbar. Dabei nutzt der Held, der in sich ruht, auch außergewöhnliche Unterstützung. Das Ziel fest im Blick, kann der Weg zum Glück sehr individuell sein.

So geht es:

  • Sie stehen mit dem Blick zur Wand, an die Sie Ihre Hände legen.

  • Laufen Sie mit den Füßen zurück, bis der Oberköper horizontal ist; beide Hände stützen sich kraftvoll an der Wand ab.

  • Lenken Sie beide Schulterblätter breit zum Becken.

  • Die Schultern senken sich, Ihre Rückenkraft wird spürbar.

  • Lenken Sie den Bauch nach innen, die vorderen Rippen werden sanft von den Bauchmuskeln nach innen gezogen.

  • Verlagern Sie das Gewicht auf das rechte gestreckte Bein.

  • Heben Sie das linke Bein horizontal in einer Linie zum Oberkörper und zu den Händen an.

  • Der Fuß ist geflext und steht rechtwinklig zum Schienbein. Schieben Sie Großzehenballen und die Ferse gleichmäßig nach hinten und spreizen Sie alle Zehen.

  • Verweilen Sie drei bis fünf Atemzüge lang kraftvoll in dieser Körperspannung.

  • Senken Sie abschließend das linke Bein und richten Sie sich auf. Drehen Sie sich mit der rechten Schulter zur Wand und wiederholen Sie die Palme, das Verneigen und den Held III auf dem linken Bein.

Schnelle Hilfen

Ich kann mich anlehnen

Setzen Sie sich aufrecht an die Wand. Nehmen Sie sich Zeit, einen angenehmen Sitz zu finden. Es geht weniger um den »idealen« Meditationssitz als um den Sitz, bei dem Sie sich bequem anlehnen können und die Wand als wertvolle Unterstützung wahrnehmen. Wenn Sie mögen, lenken Sie dann Ihre Achtsamkeit auf Ihren Atem. Er kann frei, gelassen und ungehindert fließen. Unterstützend kann sich ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit ausbreiten. Sie können die Stille jederzeit verlassen.

Mikroentspannungspause Bauen Sie in Ihren Alltag regelmäßig Mikropausen ein. Einfach gerade aufsetzen, mit einem tiefen Ausatemzug die Schultern bewusst fallen lassen, seitwärts ausbreiten und lächeln. Greifen Sie zu jeder erdenklichen Erinnerungshilfe, um sich so oft wie möglich aufzurichten und sich selbst zuzulächeln, ob Handy- oder Computer-Erinnerungsfunktion, Memozettel, Bilder. Die regelmäßige Mikroentspannungspause hilft, Angst oder Panik erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Finger-Yoga: Shakti-Mūdrā Dieser Handgeste wird eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Sie ist nach der Göttin der Lebenskraft benannt. Beugen Sie beide Daumen zum Handteller und legen Sie Zeige- und Mittelfinger darüber. Legen Sie die Fingerbeeren des linken kleinen Fingers an den rechten kleinen Finger und abschließend die Ringfinger aneinander und drehen Sie diese Finger nach unten.

Tipp für Yogalehrende

Dominiert Angst die Psyche, soll die Yoga-Praxis die Stärke zur Veränderung verleihen. Dabei sind ein fester Ablauf der Yoga-Praxis, Rituale und eine klare Struktur ein Weg, Unsicherheit zu vermeiden. Gleichzeitig muss es möglich sein, Mut für Variationen zu finden. Eine verbal klare und präzise Anweisung nimmt Unsicherheit. Ungewohntes, Neues, Fremdes sollten erklärt und begründet werden. So kann es beängstigend sein, die Augen zu schließen. Hier hilft der Hinweis, dass es auch möglich ist, den Blick auf einem Punkt an der Wand ruhen zu lassen. Angst trübt die Selbstwahrnehmung und hemmt das Selbstvertrauen. Lob und Bestätigung sollten im Yoga-Unterricht oft erfolgen. Dabei geht es weniger um das perfekte Asana, sondern sehr viel mehr um die kleinen Fortschritte, die zu großen Erfolgserlebnissen werden, wenn sie ausgesprochen werden.

Wolff C, Starck A. Heilen mit Yoga: Die Seele stärken bei Burnout, Depression und Ängsten. 4. Auflage. Stuttgart: TRIAS Verlag; 2021