WeltstillwocheStillen günstig bei Diabetes Typ 1 und Gestationsdiabetes

Expert*innen klären auf: Stillende Mütter erkranken seltener an Diabetes Typ 2 – bei ihren Babys sinkt das Risiko für Diabetes Typ 1.

Mutter stillt ihr Baby.
GTeam/stock.adobe.com

Stillen verringert das Diabetesrisiko für Mutter und Baby. Die Immunabwehr der Kinder wird auch gestärkt.

Die gesundheitlichen Vorteile des Stillens für Mutter und Kind sind wissenschaftlich belegt [1]. Für Frauen sinkt das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen wie Brust- und Eierstockkrebs sowie für Stoffwechselerkrankungen wie Osteoporose oder Diabetes mellitus.

Stillkinder entwickeln eine bessere Immunabwehr und sind so effektiver gegen Infektionen der Luftwege, der Harnwege, des Magen-Darm-Trakts sowie Mittelohrentzündungen geschützt. Sie haben zudem ein geringeres Risiko im Verlauf ihres Lebens übergewichtig zu werden.

Gestationsdiabetes: Stillen reduziert Risiko für Diabetes Typ 2

Jährlich erhält jede zehnte Schwangere – also rund 70 000 Frauen – die Diagnose „Gestationsdiabetes“. Das ist eine erstmalig in der der Schwangerschaft auftretende Störung der Blutzuckerverarbeitung. Doch häufig manifestiert sich in den Folgejahren eine Diabeteserkrankung:

Fast zwei Drittel der insulinpflichtigen Frauen mit Gestationsdiabetes entwickeln innerhalb von drei Jahren nach der Entbindung einen Typ-2-Diabetes – innerhalb von 15 Jahren sogar mehr als 90 Prozent. Übergewichtige Frauen sind besonders gefährdet.

„Untersuchungen zeigen, dass diese Frauen ihre Stoffwechsellage verbessern, wenn sie nach der Geburt ihr Kind stillen“, erklärt Dr. med. Lars Hecht, Vorstandsmitglied des Verbandes der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V. (VDBD).

Je länger sie mit Muttermilch versorgen, desto deutlicher sinkt das Risiko für einen manifesten Diabetes mellitus Typ 2. Das Diabetesrisiko kann bei stillenden Frauen mit Gestationsdiabetes um mehr als 40 Prozent gesenkt werden und damit die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes um 10 Jahre verzögern [2].

Ein Grund dafür ist, dass die Milchproduktion und die damit verbundene Serotoninfreigabe das schnelle Wachstum von Beta-Zellen stimuliert und so die Insulinproduktion anregt. So haben Frauen mit Diabetes, die ihre Babys stillen, niedrigere Blutzuckerkonzentrationen im Blut als nicht-stillende Diabetespatientinnen.

Diabetes Typ 1: Stillen verringert Insulinbedarf und schützt Kind

Gleiches gilt für Frauen mit Diabetes Typ 1, was bei ihnen jedoch die Angst vor nächtlichen Unterzuckerungen schürt. Häufig meiden sie das Stillen, da sie die Notwendigkeit für nächtliche Mahlzeiten fürchten. „Dass eine zusätzliche Kohlenhydratversorgung in der Nacht notwendig ist, ist jedoch inzwischen widerlegt“, betont Prof. Ute Schäfer-Graf, Leiterin des Diabeteszentrums für Schwangere am St. Joseph Krankenhaus in Berlin [3].

„Wichtig ist jedoch, dass stillende Mütter mit Diabetes Typ 1 den aktuellen Insulinbedarf anpassen und berücksichtigen, dass der Insulinbedarf beim Stillen sinkt sowie regelmäßig den Blutzucker messen und die Gesamtmenge der Kohlehydrataufnahme im Blick behalten. Für das Kind sinkt durch das Stillen die Gefahr deutlich, selbst an Typ-1-Diabetes zu erkranken.

Wichtig: Insulin nach Geburt anpassen und Blutzucker prüfen

Schäfer-Graf rät Frauen mit insulinpflichtigem Diabetes das Basalinsulin nach der Geburt anzupassen. „In der Regel beträgt die nötige Insulindosis nur die Hälfte des vorgeburtlichen Bedarfs“, rechnet Graf vor. Auch während des Stillens reduziert sich der Insulinbedarf dauerhaft: So benötigen die Frauen in der Regel rund 25 Prozent weniger Insulin.

„Die Angst, das Baby könne das Insulin über die Muttermilch zu sich nehmen, ist unbegründet. Insulinmoleküle können nicht in die Muttermilch gelangen“, gibt Schäfer-Graf Entwarnung. 

Eine optimale Stoffwechseleinstellung erreichen Frauen am besten durch regelmäßige Blutglukosekontrollen, ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung. Ebenfalls wichtig: Viel Trinken, um den gestiegenen Flüssigkeitshaushalt zu gewährleisten – insbesondere in warmen Monaten, wie derzeit. Die Expert*innen raten Frauen mit Diabetes Typ 1 und 2 oder Schwangerschaftsdiabetes, bereits während ihrer Schwangerschaft multiprofessionelle Diabetesambulanzen aufzusuchen.

Literatur:

[1] Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, Stillen in Deutschland, Volume 61, issue 8, August 2018 https://link.springer.com/journal/103/volumes-and-issues/61-8?page=1

[2] Ziegler, A.-G. et al. (2012): Long-Term Protective Effect of Lactation on the Development of Type 2 Diabetes in Women With Recent Gestational Diabetes Mellitus, Diabetes. doi: 10.2337/db12-0393 

[3] Ringholm L et al., Breastfeeding at night is rarely followed by hypoglycaemia in women with type 1 diabetes using carbohydrate counting and flexible insulin therapy. Diabetologia. 2019 Mar; 62(3): 387-398. doi: 10.1007/s00125-018-4794-9. 

Quelle: Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland e. V.