ErnährungRichtig essen in der Stillzeit

Eine der ersten und intensivsten Erfahrungen zwischen Mutter und Kind ist die Stillzeit. Körperliche Nähe und Muttermilch sind das Beste für beide und in den ersten 4–6 Monaten sollte idealerweise ausschließlich gestillt werden.

Frau, die ihr Baby auf dem Arm hält und stillt.
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Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Kost (plus ggf. Jod) versorgt in der Stillzeit optimal die Mutter und den Säugling.

von Marlein Stasche

Vollstillende haben einen Energiebedarf von plus 500 Kalorien am Tag. Über eine ausgewogene Ernährung können sowohl Mischköstler wie auch Ovo-lacto-Vegetabile bis auf Jod ausreichend mit allen Nährstoffen versorgt sein. Wer keinen Seefisch regelmäßig isst, was in Deutschland weit verbreitet ist, dem werden 200 mg DHA als Substitut empfohlen.

Inhalt

Viel trinken!

Beim Stillen isst das Baby mit!

Vitamin- und Mineralstoffbedarf beim Stillen

In Deutschland besteht seit einem historischen Tiefpunkt zu Beginn der 1970er-Jahre beim Stillen ein stetig anhaltender Aufwärtstrend [1]. Neben der 1997/1998 einzigen bundesweiten prospektiven Studie (SuSe-Studie „Stillen und Säuglingsernährung“) liegen aktuellere Erhebungen nur aus Berlin und Bayern vor. Die daraus verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass in Deutschland etwa 90 % der Mütter mit dem Stillen beginnen. Nach 2 Monaten werden noch 70 % der Säuglinge gestillt, nach 6 Monaten sind es nur noch zwischen 40 und 50 % [2]. Aktuell läuft diesbezüglich die SuSe-II-Studie. Die Ergebnisse sollen 2020 im 14. DGE-Ernährungsbericht veröffentlicht werden (http://www.suse-fke.de).

Merke

Wissenschaftlich belegt: Das Stillen bzw. Teilstillen ist im gesamten ersten Lebensjahr sinnvoll.

Der Wunsch der Ernährungswissenschaft, von Hebammen, Kinder- und Frauenärzten zum Stillen klafft jedoch mit zunehmender Stilldauer gegenüber der Realität immer weiter auseinander. Klappt das Stillen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht, ist es in der Ernährungsberatung aber nicht sinnvoll, darüber negativ mit der meist schon frustrierten Mutter zu reden. Alternativ bietet sich dann Säuglingsmilchnahrung an – und beim Flaschenfüttern kann ebenso die wichtige körperliche Nähe aufgebaut werden. Auch Teilstillen ist sinnvoll. Frauen, die wenig Milch haben (das Baby nimmt nicht weiterhin zu), können dann einen Teil der Mahlzeiten mit Säuglingsmilchnahrung bestücken.

Mit dem 5., spätestens dem 7. Monat, beginnt das Zufüttern, wenn das Baby dazu bereit ist. Das bedeutet nicht, dass mit dem Stillen abrupt aufgehört werden soll, sondern, dass einzelne Milchmahlzeiten durch Breimahlzeiten im Laufe des ersten Lebensjahres ersetzt werden. Stillen dürfen Mütter ihr Kind, solange wie sie wollen und sich dabei wohl fühlen.

Viel trinken!

Eine ausgewogene Ernährung und vor allem ausreichendes Trinken sind die Grundlagen für eine optimale Milchbildung. Wenn im Wochenbett der Appetit noch fehlt, ist dies zweitrangig. Es werden dann die Fettreserven mobilisiert. Doch da der menschliche Organismus keine Wasserreserven bilden kann, ist das Trinken so wichtig.

Merke

Es ist von Anfang an darauf zu achten, dass eine Trinkmenge von mindestens 2 Liter am Tag erreicht wird.

 Auch wenn der Säugling wenige Milliliter und somit pro Anlegen vielleicht 1–4 Esslöffel trinkt, gilt von Anfang an die Regel: Nach jedem Anlegen ein Glas Wasser trinken. Für viele Frauen stellt das Trinken der empfohlenen Flüssigkeitsmenge am Tag ein Problem dar.

Dass Stilltees wirklich die Milchproduktion fördern, konnte wissenschaftlich nicht bewiesen werden. Fenchelsamen, Anissamen, Dillsamen, Bockshornkleesamen und Majorankraut gelten in der Alternativmedizin als stillfördernd. Dies lässt sich angeblich auch bei Hildegard von Bingen nachlesen.

Cave

Salbei- und Pfefferminztee gelten als hemmend für die Milchbildung.

Beim Stillen isst das Baby mit!

Energie- und Nährstoffversorgung

Stillen braucht Energie. Der DGE-Richtwert für die zusätzliche Energiezufuhr für Stillende bei ausschließlichem Stillen während der ersten 4–6 Monate liegt bei + 500 kcal/Tag. Die DGE schätzt für Vollstillende einen erhöhten Eiweißbedarf von + 23 g/Tag. Die Fettmenge sollte bei 30–35 % der Energiemenge liegen, dabei gilt für Stillende das Gleiche wie für Schwangere. Mindestens 200 mg der Omega-3-Fettsäure DHA sollten im Durchschnitt pro Tag aufgenommen werden.

Energiebedarf beim Stillen

Der zusätzliche Energiebedarf beträgt beim Stillen 500 kcal und 23 g Eiweiß am Tag.

Beispiel

  • 200 g Magerquark: 124 kcal und 26 g Eiweiß

  • 100 g Himbeeren: 40 kcal und 1 g Eiweiß

  • 50 g Roggenvollkornbrot: 120 kcal und 4 g Eiweiß

  • 5 g Butter: 36 kcal und 0 g Eiweiß

  • 30 g gekochter Schinken: 91 kcal und 6 g Eiweiß

  • 1 kleine Banane (150 g): 99 kcal und 1 g Eiweiß

Gesamt: 510 kcal und 38 g Eiweiß

Anhand des Beispiels ist klar zu erkennen: Wenn Stillende abwechslungsreich essen und nicht auf die Idee kommen, den erhöhten Energiebedarf mit leeren Kalorien zu decken, ist die Eiweißversorgung über die normalen Lebensmittel ein Kinderspiel. Auch Vitamin- und Mineralstoffpräparate sind während des Stillens bei einer ausgewogenen Ernährung nur mit einer Ausnahme beim Spurenelement Jod notwendig [3]. Die Tabelle verschafft einen Überblick über die wichtigsten natürlichen Quellen von Vitaminen und Mineralstoffen sowie den Mehrbedarf beim Stillen.

Quelle: https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/ Stand vom 18.01.2019

Vitamin/Mineralstoff/Spurenelement

Bedarf absolut

Mehrbedarf

Lebensmittelquellen

Funktion

Vitamin A

1,5 mg

90 %

Möhren, Paprika, Spinat, Brokkoli, Käse, Ei, Leber

Sehvorgang, Immunabwehr, antioxidativer Schutz

Vitamin D

20 µg

0 %

Eigelb, Pilze, Butter, Fettfisch (Sonnenbestrahlung ist die wichtigste Quelle)

Knochenbildung

Vitamin B1

1,3 mg

30 %

Vollkornprodukte, Sprossen, Hülsenfrüchte, Schweinefleisch, Hefe

Energiestoffwechsel, Muskelaufbau, Reizleitung

Vitamin B2

1,4 mg

50 %

Milch u. Milchprodukte, Käse, Ei

Energiestoffwechsel

Vitamin B6

1,9 mg

60 %

Vollkornprodukte, Sojaprodukte, Fleisch, Seefisch

Wachstum, Energiestoffwechsel

Vitamin B12

5,5 µg

40 %

Milch u. Milchprodukte, Käse, Fleisch, Eier

Wachstum, Blutbildung

Niacin

16 mg

30 %

Vollkornprodukte, Kartoffeln, Pilze, Fleisch, Seefisch

Wachstum

Folsäure

450 mg

50 %

Spinat, Wirsing, Blattsalate, Kohl, Fenchel, Lauch, Rote Beete, Eigelb, Orange, Kirsche, Erdbeere

Blutbildung, Wachstum

Vitamin C

125 mg

30 %

Kartoffel, Paprika, Tomate, Zitrusfrüchte, Beeren

Immunabwehr, Energiestoffwechsel

Vitamin E

17 mg

40 %

Pflanzliche Öle, Keime, Nüsse, Mandeln, Fettfisch

Immunsystem, antioxidativer Schutz

Vitamin K

60 µg

0 %

Kohl, Spinat, Kohlrabi, Blattsalate, Milch u. Milchprodukte, Eier, Fleisch

Blutgerinnung

Calcium

1000 mg

0 %

Milch u. Milchprodukte, Sesam, Nüsse, Hülsenfrüchte, Mineralwasser (Analyse beachten)

Knochenaufbau, Blutgerinnung, Energiestoffwechsel

Magnesium

390 mg

25 %

Vollkornprodukte, Kartoffeln, Gemüse, Banane, Kakao, Nüsse

Muskeltätigkeit, Energiestoffwechsel

Eisen

20 mg

25 %

Fleisch, Vollkornprodukte, grünes Gemüse

Sauerstoffversorgung, Blutbildung

Jod

200 µg

25 %

jodiertes Speisesalz, Seefisch, Milchprodukte

Wachstum

Zink

11 mg

60 %

Vollkornprodukte, Fisch, Fleisch, Milch und Milchprodukte, Eigelb, Nüsse, Samen

Immunsystem, Wundheilung, Energiestoffwechsel

         
 
Eisenaufnahme bei vegetarischen Kostformen

Laut Handlungsempfehlungen kann eine ovo-lakto-vegetarische Ernährung mit einer bewussten Lebensmittelauswahl auch den erhöhten Nährstoffbedarf der Stillenden decken. Hier gilt es, insbesondere auf Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln in Kombination mit Vitamin C zu beraten. Denn mit einer vegetarischen oder veganen Kost wird nur 3-wertiges Eisen zugeführt. Dessen Aufnahme kann jedoch durch bereits kleine Mengen an Vitamin C oder auch andere organische Säuren aus Obst, Gemüse oder Sauerkraut (z. B. Milchsäure) um das 2- bis 4-Fache gesteigert werden [4].

In pflanzlichen Lebensmitteln wirken die Phytate am stärksten hemmend auf die Eisenaufnahme. Phytate sind sekundäre Pflanzenstoffe, die vor allem in Getreide, Hülsenfrüchten und Nüssen vorkommen. Das bedeutet nicht, dass die Stillende auf Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte sowie auch Nüsse verzichten muss. Es sollten eisenhaltige pflanzliche Lebensmittel wie Spinat, Grünkohl, Rote Bete & Co. nur bevorzugt nicht mit Vollkorngetreide, sondern eher mit Kartoffeln gegessen werden. Auch auf Tee und Kaffee sollte zu den eisenreichen Mahlzeiten verzichtet werden. Selbst wenn Vollkornbrot Eisen enthält, ist zu vermitteln, dass hier das Eisen für die Stillende schwerer verfügbar ist als aus eisenreichem Gemüse. Gutes Kombinieren wie beispielsweise Orangensaft (Vitamin C) zum Haferflockenmüsli (Eisen) oder Paprika (Vitamin C) zum Vollkornbrot (Eisen), Vollkornnudeln (Eisen) mit Gemüsebolognese (Vitamin C, organische Säuren) stellen die Grundlage fleischfreier Eisenversorgung dar.

Jod als Tablette

Jod während des Stillens zu supplementieren, basiert auf dem Jod-Mehrbedarf des mütterlichen Organismus in der Stillzeit. Die Gründe liegen in der Aufrechterhaltung der eigenen Stoffwechselaktivität und in der Sicherstellung einer ausreichenden Jodversorgung des Säuglings über die Muttermilch.

Merke

Ein Jodmangel der Mutter führt zu jodarmer Frauenmilch, sodass ein mütterlicher Jodmangel an den gestillten Säugling weitergegeben wird.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Forschungsinstitut für Kinderernährung und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sehen in der durchschnittlichen Jodversorgung der Erwachsenen in Deutschland im unteren optimalen Bereich einen Anlass, neben der Verwendung von Jodsalz auch 100 µg Jod/Tag in Form von Jodtabletten zu empfehlen. Vom Verzehr getrockneter Algen- und Tangpräparate wird abgeraten. Eine Gesamttageszufuhr von bis zu 500 µg Jod/Tag gilt als sicher, diese Produkte liegen eventuell darüber [5].

Seefisch – ein Muss

Nicht nur wegen der Jodversorgung, sondern auch wegen der Versorgung mit Docosahexaensäure (DHA) sollten Stillende 2-mal pro Woche Mahlzeiten mit Seefisch verzehren. Dabei sollte es einmal wöchentlich fettreicher Fisch, wie z. B. Hering, Lachs, Makrele oder Sardine sein. Begründet wird diese Empfehlung zum einen aus dem Bereich der Allergieprävention. Es gibt Hinweise, dass die Entstehung einer atopischen Erkrankung durch den regelmäßigen Verzehr von Seefisch vermindert werden kann. Stillende, die keinen Seefisch essen, sollten 200 mg DHA in Form von Fischöl, Algenöl oder Kapseln aus diesen Produkten einnehmen.

Schadstoffminimierung

Aufgrund von Schadstoffen in Fischen weisen die Empfehlungen zur Ernährung Stillender auf einen Verzicht von Thunfisch, Schwertfisch und Hai hin. Diese großen Raubfische stehen am Ende der Nahrungskette und sind somit am höchsten mit Schadstoffen belastet.

Allergene

Sehr verbreitet, aber ohne Grundlage: Stillende sollten keine Lebensmittel aus ihrer Ernährung ausschließen, um ihr Baby vor potenziellen Allergien zu schützen. Vielleicht ist das sogar gerade falsch und Allergene in der Muttermilch in Spuren sorgen womöglich für eine natürliche Hyposensibilisierung.

[1] Kersting M, Dulon M. Fakten zum Stillen in Deutschland. Ergebnisse der SuSe-Studie. Monatsschr Kinderheilkd 2002; 150: 1196-1201

[2] Lange C, Schenk L, Bergmann R. Verbreitung, Dauer und zeitlicher Trend des Stillens in Deutschland – Ergebnisse des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2007; 50: 624-633

[3] Koletzko B, Bauer C-P, Cierpka M. et al. Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen. Monatsschr Kinderheilkd 2016; 164 (Suppl. 05) S433-S457

[4] Craig WJ, Pinyan L. Nutrients of concern in vegetarian diets. In: Sabaté J. ed. Vegetarian nutrition. Boca Raton: CRC Press; 2001: 299-332

[5] Bundesinstitut für Risikobewertung. Gesundheitliche Risiken durch zu hohen Jodgehalt in getrockneten Algen. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 026/2007. Berlin: Bundesinstitut für Risikobewertung; 2007

Marlein Stasche
Ernährungsberaterin, Dozentin und Buchautorin