Herz-Kreislauf-ErkrankungenHerzinsuffizienz: Prognose mit Blick in die Augen?

Forschende wollen herausfinden, ob sich der Verlauf einer Herzinsuffizienz anhand der Pupillengröße und der Reaktion der Pupille auf einen Lichtreiz vorhersagen lässt.

Nahaufnahme von einem blauen Auge.
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Augen sagen mehr als tausend Worte. Sie sind nicht nur Spiegel der Seele, sondern lassen bisweilen den Zustand innerer Organe erkennen.

Einige Krankheiten wie etwa die Alzheimer-Krankheit, Morbus Parkinson, Depressionen, Diabetes, Rheuma, Fettstoffwechselstörungen, Schilddrüsenerkrankungen oder Bluthochdruck lassen sich auch mit einem Blick in die Augen ablesen.

Pupillometrie

Während der Untersuchung sendet das Gerät (Pupillometer) einen Lichtblitz aus und misst daraufhin die Größe und die Reaktion der Pupille innerhalb weniger Sekunden. Das Messverfahren nennt man Pupillometrie.

Herzschwäche durch Blick in die Augen erkennen?

Ob sich bei Patient*innen anhand der Augen auch der Verlauf einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) vorhersagen lässt, untersucht jetzt ein Forscherteam in einer umfassenden Studie.

In Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen an Herzschwäche. Das Problem: „Bislang lässt sich schlecht vorhersagen, wie der Verlauf einer Herzinsuffizienz ist. Manche Patienten sind unter der medikamentösen Therapie lange stabil, andere jedoch erleiden nach kurzer Zeit einen schweren Rückfall“, sagt Studienleiterin Dr. Tanja Kücken. „Wenn wir mithilfe der Pupillometrie die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf inklusive Herz-Kreislauf-Komplikationen abschätzen könnten, würde man diese Patienten engmaschiger überwachen und auf eine erneute Dekompensation rechtzeitiger reagieren können“, erklärt Dr. Kücken.

Autonomes Nervensystem steuert Pupille und Herzschlag

Die Augen, genauer gesagt die Reaktion der Pupillen, werden vom sogenannten autonomen Nervensystem gesteuert. Dieses regelt alle unwillkürlichen Grundfunktionen im Körper wie z.B. die Atmung, Verdauung, den Blutdruck und Herzschlag. Bei einer Herzinsuffizienz kommt das autonome Nervensystem jedoch im Laufe der Erkrankung ins Ungleichgewicht. Es kompensiert nur noch eingeschränkt die bei Herzinsuffizienz-Patienten erhöhte Herzfrequenz. Hält dieser Zustand länger an, können weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Da das autonome Nervensystem auch die Reaktion der Pupillen steuert, könnten möglicherweise nahende schwerwiegende Folgen am Herzen an den Pupillen abzulesen sein.

Japanische Forscher finden erste Indizien

Erste Hinweise dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Pupillenreaktion auf einen Lichtreiz sowie der Pupillengröße und der Prognose für Herzinsuffizienzpatienten besteht, haben japanische Wissenschaftler um Dr. Kohei Nozaki vor wenigen Jahren gefunden. „Doch die Ergebnisse lassen noch keine eindeutigen Rückschlüsse zu“, sagt Dr. Susanne Fichtner. Denn die individuellen Unterschiede in der Pupillengröße variieren zu sehr, als dass man allgemeine Rückschlüsse daraus ziehen könnte. Zudem beeinflussen bestimmte Substanzen wie Koffein, Nikotin, Medikamente oder bestimmte kognitive Beanspruchungen die Pupille. Auch unterscheiden sich die Pupillen-Eigenschaften bei Asiaten und Europäern.

Aus diesem Grund gehen die Bernauer Herzspezialisten diesen ersten Indizien genauer auf den Grund. Sie untersuchen die Pupillen von 100 Studienteilnehmern mit akuter Herzinsuffizienz, die in die Klinik eingewiesen wurden. Die erkrankten Studienteilnehmer*innen sind in der Regel 75- bis 80-jährige Patienten. An einer Kontrollgruppe mit 55 gleichaltrigen herzgesunden Proband*innen nehmen Wissenschaftler*innen der kooperierenden Universität Potsdam die Tests vor.

Welche Pupillenreaktionen sagen Herzrisiko voraus?

In einem ersten Experiment messen die Ärzt*innen nach der Klinikeinlieferung direkt am Krankenbett mit einem Handpupillometer die Reaktionen der Pupille auf einen Lichtreiz. Diese Messung wird kurz vor der Entlassung wiederholt. Die Studienteilnehmer*innen werden nach 90 Tagen und Ablauf eines Jahres noch einmal kontaktiert. „Wir versuchen herauszufinden, ob bestimmte Messwerte wie etwa Durchmesser der Pupille, Geschwindigkeit der Reaktion, Beschleunigung, Latenz- und Entspannungszeit mit einem erhöhten Risiko für einen früheren Rückfall und andere gravierende Herz-Kreislauf-Komplikationen einhergehen“, erklärt Studienleiterin Dr. Kücken.

In einem weiteren Versuch werden mit einem so genannten Eyetracker die Pupillen analysiert während die Studienteilnehmer*innen eine kognitive Aufgabe lösen. Die Patient*innen sollen bei diesem Versuch Zahlenreihen vorwärts und rückwärts wiedergeben, die ihnen während der Pupillenmessung per Lautsprecher vorgespielt werden. In einem zweiten Durchgang wird die Zahlenreihe immer um eine Ziffer verlängert, wenn die Teilnehmer*innen alles richtig gemacht haben. Sinn und Ziel dieses zweiten Experimentes ist es, die Pupillenreaktion auch bei geistiger Beanspruchung zu untersuchen. Finden die Bernauer Herzspezialisten in ihrer Studie entscheidende Pupillenwerte, ließe sich die Augenmessung als einfache, schnelle und kostengünstige Methode in Kliniken und Praxen etablieren, um das Risiko von Herzinsuffizienz-Patienten einzuschätzen und ihr Leben besser zu schützen.

Quelle: Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung