ResilienzAyurvedische Pflanzenstoffe verbessern Stress-Resilienz im Tierversuch

Wissenschaftler*innen konnten für Ashwagandha und den Indischen Wassernabel nachweisen, dass sie bei Fruchtfliegen die Resilienz gegenüber chronischem Stress aufbauen. 

Ashwagandha: ayurvedische Heilpflanze
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Ashwagandha (Withania somnifera)

Chronischer Stress führt auch bei Fliegen zu einem depressionsähnlichen Zustand, der sich in mangelnder Motivation bemerkbar macht: Die Tiere balzen weniger, zeigen eine geringere Bereitschaft, für Süßes zu stoppen und Nahrung aufzunehmen. Und sie sind im Experiment weniger dazu bereit, Lücken zu überqueren. Heilpflanzen können diesem Zustand etwas entgegensetzen. Dies haben Wissenschaftler*innen beobachtet.

Ihre Studien zeigen, dass zwei Pflanzen aus dem Ayurveda bei prophylaktischer Aufnahme eine Widerstandsfähigkeit gegenüber chronischem Stress erzeugen, sodass die gestressten Fliegen keine Depressionen entwickelten.

Pflanzenstoffe als Adaptogene

Die Arbeitsgruppe um Prof. Roland Strauss von der Uni Mainz nutzt für ihre Forschung den Modellorganismus Drosophila melanogaster - die Fruchtfliege. Ziel ist, grundlegende Mechanismen der Resilienz gegenüber Stress und der Wirkung von Stress auf das Nervensystem zu untersuchen.

"Chronischer Stress führt auch bei Fliegen zu einem depressionsähnlichen Zustand, der sich in veränderten Verhaltensweisen zeigt", erklärt der Arbeitsgruppenleiter. Ein Schwerpunkt der Mainzer Forschung liegt auf der Untersuchung von Pflanzenextrakten und Naturstoffen, die aus der traditionellen asiatischen Heilkunde bekannt sind und die auch als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden.

Dahinter steht die Idee, dass manche Pflanzen überdurchschnittlich viele oder besonders biologisch aktive Inhaltsstoffe enthalten. Diese Adaptogene können dem Organismus helfen, sich an erhöhten körperlichen und emotionalen Stress anzupassen.

"Ein Vorteil gegenüber konventionellen Pharmaka könnte darin bestehen, dass Heilpflanzen eine Mischung aus verschiedenen aktiven Pflanzenstoffen bieten, die an verschiedenen Punkten der Stressachse wirken", sagt Helen Holvoet, Doktorandin in der Arbeitsgruppe und Erstautorin der Studien. Heilpflanzen wirken synergistisch Stress entgegen, mit möglicherweise weniger Nebenwirkungen als Reinstoffe. Ein weiterer Vorteil wäre, dass Nahrungsergänzungsmittel begleitend zu pharmakologischen Therapien eingesetzt werden können.

Ashwagandha und Indischer Wassernabel

Diesen Ansatz hat die AG Strauss in dem Kooperationsprojekt für 2 ayurvedische Pflanzen getestet: für die Schlafbeere bzw. Ashwagandha (Withania somnifera) und den Indischen Wassernabel (Centella asiatica).

Die Forschenden konnten für beide Heilpflanzen nachweisen, dass sie prophylaktisch aufgenommen eine Resilienz gegenüber chronischem Stress aufbauen, sodass die gestressten Fliegen erst gar nicht in einen depressionsartigen Zustand kommen.

Chlorogensäure als relevant gegen Stress identifiziert

"Für Withania somnifera konnten wir zeigen, dass die Zubereitung der Wurzelextrakte eine wichtige Rolle spielt, da Wasserextrakte eine bessere Prophylaxe vermitteln als alkoholische Extrakte", sagt Dr. Burkhard Poeck. Dieses überraschende Ergebnis zeigt, wie wichtig es ist, bei der Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln auf die Herstellungsweise zu achten.

Einen Schritt weiter kam die AG Strauss in der Kooperation mit den Forschenden in Portland bei der Analyse von Centella asiatica: Hier konnte eine Komponente, die Chlorogensäure, als prophylaktische Anti-Stress-Substanz identifiziert werden.

Chlorogensäure kommt in zahlreichen Pflanzen vor, in hohen Konzentrationen vor allem in Kaffeebohnen, aber auch in altbewährten Heilkräutern wie dem Baldrian (Valeriana officinalis) oder dem Johanniskraut (Hypericum perforatum), dessen stresslindernde Wirkung schon lange bekannt ist.

Neben der allgemeinen Erkenntnis zu der Wirkung von gut analysierten und überwachten Heilstoffen bei neuronalem Stress kann die Analyse von Heilstoffen auch Impulse für die Grundlagenforschung zur Resilienz liefern. "So konnten wir mit der Proteinphosphatase Calcineurin ein relevantes Zielprotein der Chlorogensäure bei Drosophila identifizieren“, erklärt Strauss zu den weiteren Forschungen. Calcineurin ist beim Menschen in vielen Organen und besonders konzentriert im Nervensystem zu finden. Dort interagiert es mit einer Vielzahl von anderen Proteinen und Signalwegen.

Die Arbeitsgruppe vom Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie an der JGU kooperierte bei ihren jüngsten Arbeiten mit dem BENFRA Botanical Dietary Supplements Research Center, einem Forschungszentrum für pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel. 

Quelle: Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Literatur

Holvoet H et al. Chlorogenic Acids, Acting via Calcineurin, Are the Main Compounds in Centella asiatica Extracts That Mediate Resilience to Chronic Stress in Drosophila melanogaster. Nutrients 2023; doi: 10.3390/nu15184016

Holvoet H et al. Withania somnifera Extracts Promote Resilience against Age-Related and Stress-Induced Behavioral Phenotypes in Drosophila melanogaster; a Possible Role of Other Compounds besides Withanolides. Nutrients 2022; doi: 10.3390/nu14193923