COVID-19Warum Kinder besser vor schweren Verläufen geschützt sind

Kinder haben offenbar einen angeborenen starken Schutzmechanismus gegen Atemwegsinfekte. Bereits bei gesunden Kindern produzieren die Immunzellen der Nasenschleimhaut mehr Zytokine.

Illustration: Coronavirus
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Die kindliche Nasenschleimhaut ist von deutlich mehr Immunzellen besiedelt und so besser vor schweren Atemwegsinfekten geschützt als Erwachsene.

Warum kommt es bei Kindern und Jugendlich bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 viel seltener zu schweren Verläufen als bei Erwachsenen? Wissenschaftler*innen am Deutschen Krebsforschungszentrum fanden nun heraus: Das Immunsystem in den oberen Atemwegen ist bei Kindern bereits vor der Infektion wesentlich aktiver als bei Erwachsenen.

Bereits 2022 entdeckten Forschende der Charité Berlin, dass die Epithelzellen der Nasenschleimhaut gesunder Kindern dauerhaft in erhöhter Alarmbereitschaft sind. Die Sensorproteine, die das Virus an seinem RNA-Erbgut erkennen und eine Interferon-Antwort einleiten, sind in den Zellen der kindlichen Nasenschleimhaut deutlich stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen. Dadurch kann das Virus, sobald es in der Zelle ankommt, schnell erkannt und bekämpft werden kann.

Untersuchung auf Zellebene

Dr. Marco Binder und sein Team gingen nun der Frage nach, warum die kindliche Nasenschleimhaut besser auf die Abwehr von SARS-CoV-2 vorbereitet ist. Die Virologen untersuchten dazu die zelluläre Zusammensetzung der Schleimhaut in der Nasenhöhle gesunder Kinder auf Zellebene.

Ergebnisse

  • Im Vergleich zu Erwachsenen wird die Nasenschleimhaut der Kinder von deutlich mehr Immunzellen besiedelt.
  • Bereits bei gesunden, nicht infizierten Kindern produzieren die einzelnen Immunzellen zudem mehr Zytokine.
  • Über diese entzündungsfördernden Botenstoffe kommuniziert das Immunsystem mit den Schleimhautzellen und regt sie zur Produktion der Sensorproteine an.

Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass niedrige Dosen der Zytokine die Epithelzellen der Atemwege in erhöhter Alarmbereitschaft halten, so Binder. Durch erhöhte Produktion der Virus-Sensorproteine sei eine weitaus schnellere Reaktion der Schleimhautzellen auf das SARS-CoV-2-Virus möglich. Damit haben Kinder offenbar einen angeborenen starken Schutzmechanismus gegen Atemwegsinfekte.

Wahrscheinlich greife dieser Schutzmechanismus auch bei der Abwehr anderer Viren. Möglicherweise sei der Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen bei anderen Atemwegsinfektionen aber nicht so dramatisch. Dieser Frage möchte der Wissenschaftler in zukünftigen Forschungsprojekten weiter nachgehen.

Binder geht davon aus, dass es sich lohnen könnte, prophylaktische Strategien für SARS-CoV-2 und andere Atemwegsinfektionen zu erforschen. „Solche Ansätze könnten darauf abzielen, die zelluläre Zusammensetzung des Schleimhautgewebes von Kindern nachzuahmen, z.B. durch Inhalation von niedrig dosierten Zytokinpräparaten.“

Hintergrund: Risikofaktoren für schwere Infektionsverläufe

Zu den bekannten Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf bei einer SARS-CoV-2-Infektion sind u.a.

  • Bluthochdruck,
  • Diabetes,
  • Adipositas,
  • Vorerkrankungen des Herzens,
  • hohes Alter.

Das Alter bildet den eindeutigsten und auffälligsten Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Während der Pandemie starben weniger als 0,001 Prozent der infizierten Schulkinder an der Infektion. Mit dem Alter stieg die Sterblichkeitsrate fast exponentiell an und erreichte bei sehr betagten Menschen über 10 Prozent.

Kinder und Jugendliche weisen weniger Symptome und eine kürzere Krankheitsdauer auf als Erwachsene und insbesondere ältere Menschen, obwohl sich die anfängliche Viruslast nicht wesentlich unterscheidet.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum

Literatur

Magalhaes VG, Lukassen S, Drechsler M et al. Immune–Epithelial Cell Cross-Talk Enhances Antiviral Responsiveness to SARS CoV-2 in Children. EMBO Reports 2023; doi: 10.15252/embr.202357912