ErnährungSüßstoff Erythrit: erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse

Erhöht Erythrit das Herz-Kreislauf- und Thrombose-Risiko? Eine Studie legt nahe, dass herzgefährdete Menschen Wasser als Routinegetränk bevorzugen sollten.

Schale mit Zucker und Süßstoffpillen
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Was ist besser: Zucker oder Süßstoff? Diese Frage steht seit Jahrzehnten immer wieder im Fokus.

Anfang März erschien in Nature Medicine [1] ein Artikel der Autoren Marko Witkowski et al., die mit dem kalorienfreien Zuckerersatzstoff Erythrit (Erythritol, E 968) ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) und eine gesteigerte Thromboseneigung beobachteten. Die Autoren führten ihre sehr aufwendige und sorgfältige In-vivo- und In-vitro-Studie in 4 Abschnitten durch.

Methodik und Resultate

  • In die erste Untersuchungsreihe (discovery cohort) wurden 1157 Personen mit hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgenommen und 3 Jahre lang nachverfolgt. Die Teilnehmer*innen, bei denen in diesem Zeitraum ein MACE (Tod, nicht fataler Herzinfarkt oder Schlaganfall) auftrat, wiesen eine erhöhte Konzentration von multiplen Polylen, vor allem von Erythrit auf.  Es bestand somit eine Assoziation des Erythrit-Spiegels mit MACE.
  • In einer Metabolomics-Analyse studierten die Autoren 2 Kohorten von stabilen Patient*innen (2149 aus den USA und 833 aus Europa), welche sich einer kardialen Untersuchung unterzogen. Bei ihnen bestätigte sich diese Assoziation.
  • Bei präklinischen Versuchen war mit physiologischen Erythrit-Konzentrationen die Reaktivität von Thrombozyten in vitro und in vivo bei Mäusen die Thromboseentstehung erhöht.
  • In einer prospektiven Interventions-Pilotstudie an 8 freiwilligen, gesunden Personen führte die Aufnahme von 30 g Erythrit zu einer länger als 2 Tage anhaltenden Erhöhung der Erythritspiegel deutlich über die Schwelle hinaus, bei der sich in vitro und in vivo eine gesteigerte Reaktivität der Thrombozyten und ein erhöhtes Thrombosepotenzial gefunden hatte.

Kommentar

Süßstoffe stehen seit Jahrzenten wegen potenziell pathogenen Wirkungen in der Diskussion. Der Autor (Helmut Schatz) hatte in den 1970er-Jahren während seiner Ulmer Zeit  im Auftrag von Prof.  E.F. Pfeiffer an einer Tagung  am Institut für Ernährungsforschung Bonn-Poppelsdorf über die Kanzerogenität von Saccharin  teilgenommen. Es wurde damals heftig und kontrovers diskutiert. Heute ist es darüber still geworden und Sacharin wird weiterhin überall verkauft.

Ähnliche Diskussionen gab es bei den künstlichen Süßstoffen Cyclamat, Aspartam, Sucralose und Acesulfam-K. Gegen Erythrit sah die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) keine Bedenken und der Süßstoff darf in der Europäischen Union ohne Mengenbegrenzung zugesetzt werden.

Optisch und in seiner Konsistenz unterscheidet sich Erythrit nicht von Zucker, seine Süßkraft ist aber nur halb so hoch wie bei diesem. In geringen Mengen wird Erythrit vom Körper selbst produziert. Somit erhebt sich die Frage, ob nicht herzgefährdete oder herzkranke Personen selbst vermehrt Erythrit bilden. Eine genetisch bedingte Erhöhung der Erythritproduktion wurde ebenfalls im Zusammenhang mit Herzerkrankungen und Thromboseneigung diskutiert.

Ob man die Resultate der oben referierten Studie, die an schon herzgefährdeten Patient*innen erhoben wurden, auf die Allgemeinbevölkerung übertragen kann, ist fraglich.

Erythrit ist in vielen als "zuckerfrei" verkauften Lebensmitteln, insbesondere Getränken enthalten. So ist der Erythritgehalt von 30 g, wie er in der 4. Studie der Autoren verwendet wurde und den Spiegel im Blut der Probanden sehr stark anhob, etwa vergleichbar mit der üblichen Dosis in einem "zuckerfreien" Süßgetränk oder in einem halben Liter einer "Diät-Eiscreme". 

Inwieweit die in der Studie unter Erythrit beobachtete erhöhte Neigung zu Herzkreislauferkrankungen und Thrombose aber längerfristig relevant ist, bleibt abzuwarten. Die Autoren selbst schreiben in ihren Schlussfolgerungen: "Our findings reveal that Erythritol is both associated with incident MACE risk and fosters enhanced thrombosis. Studies assessing the long-term safety of erythritol are warranted".

Auf jeden Fall kann geraten werden, als Routine-Getränk Wasser zu verwenden. Der Referent bevorzugt es, Leitungswasser in Flaschen abzufüllen und in den Kühlschrank zu stellen. 

Helmut Schatz/DGE-Blog/2.3.2023

Literatur

[1] Witkowski M et al. The artificial sweetener erythritol and cardiovasculaar event risk. Nature Medicine 2023; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9