SchmerzRückenschmerz: Verhaltenstherapie statt Opioide

Zwei Studien zeigen: Opioidhaltige Schmerzmittel haben bei akuten Rückenschmerzen keine stärkere Wirkung als Placebo; bei chronischen Rückenschmerzen ist eine Verhaltenstherapie wirksamer als eine Standardtherapie.

Holzfigur nach vorn gebeugt, hält sich den unteren Rücken; vor blauem Hintergrund
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Chronische Rückenschmerzen sind oft schwer in den Griff zu bekommen.

Zwei jüngst in der Zeitschrift Lancet publizierte Studien zeigen:

  • Opioidhaltige Schmerzmittel haben bei akuten Rückenschmerzen keine stärkere Wirkung als Placebo [1].
  • Bei chronischen Rückenschmerzen ist eine individualisierte, kognitive Verhaltenstherapie wesentlich wirksamer, anhaltender und kostengünstiger ist als eine Standardtherapie [2].

Opioid-Analgetika bei akutem Rückenschmerz

Die vorübergehende Gabe von Schmerzmitteln bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen ist oft hilfreich. Meist reichen die klassischen Präparate wie Ibuprofen oder Diclofenac aus. Bei sehr starken Schmerzen werden auch Opioid-Analgetika eingesetzt. Bislang gab es jedoch nur wenige Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit.

In der australischen OPAL-Studie [1] wurde nun untersucht, ob ein opioidhaltiges Schmerzmittel bei akuten Schmerzen im unteren Rücken oder Nackenbereich im Vergleich zu Placebo wirkt. An der randomisierten, placebokontollierten Studie nahmen 347 Erwachsene (≥ 18 Jahren, 49% weiblich) teil, die seit maximal 12 Wochen unter mäßigen bis starken Rücken- und/oder Nackenschmerzen litten. Sie wurden verblindet nach Zufallsprinzip einer Opioid-Behandlung (n=174; Oxycodon-Naloxon, bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag oral) oder der Placebogruppe (n=173) zugeteilt.

Primärer Endpunkt war die Schmerzstärke nach 6 Wochen, gemessen mit einer 10-Punkte-Schmerz-Skala (BPI-PS/„Brief Pain Inventory“). Abschließend konnten in der Opioidgruppe 151 und in der Placebogruppe 159 Personen ausgewertet werden. Der mittlere Schmerzwert auf der 10-Punkte Schmerzskala nach 6 Wochen betrug

  • in der Opioidgruppe 2,78 (initial 5,7),
  • in der Placebogruppe 2,25 (initial 5,6).

Der Unterschied zwischen Opioid- und Placebogruppe ist damit nicht signifikant (p=0,051).

Unerwünschte Ereignisse traten in den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich auf (35% mit Opioid und 30% mit Placebo; p=0,30). Allerdings berichteten doppelt so viele Menschen in der Opioidgruppe über eine Verstopfung (7,5% gegenüber 3,5% in der Placebogruppe).

Das Autorenteam schlussfolgert, dass Opioide bei akuten, unspezifischen Rückenschmerzen nicht besser wirksam sind als Placebo und daher nicht zu empfehlen sind. Sie fordern, vom – zumindest in Australien (wie auch den USA), in Deutschland ist man zumeist etwas vorsichtiger bei der Verschreibung von Opioiden – häufigen Einsatz von Opioiden bei diesen Indikationen abzusehen.

Verhaltenstherapie bei chronischem Rückenschmerz

In der ebenfalls in Australien durchgeführten RESTORE-Studie [2] untersuchte ein Forscherteam randomisiert kontrolliert die kognitive Verhaltenstherapie (CFT) bei chronischen Schmerzen im unteren Rücken im Hinblick auf Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit.

Die kognitive Verhaltenstherapie (CFT) ist ein individualisierter Ansatz. Damit sollen schmerzbezogene Empfindungen wie Angst und „Schmerzüberzeugungen“ sowie Verhaltensweisen geändert werden. Dazu zählen z.B. Schonhaltung oder Bewegungsvermeidung, die den Schmerz u.U. verstärken können.

Insgesamt nahmen 492 Erwachsene (≥ 18 Jahre, mittleres Alter ca. 47 Jahre, ca. 60% Frauen) teil. Die Teilnehmer*innen litten seit über 3 Monaten an unteren Rückenschmerzen mit mäßiggradigen Bewegungseinschränkungen. Sie wurden randomisiert zu gleichen Teilen in 3 Gruppen eingeteilt.

Sie erhielten über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder

  • bis zu 7 CFT-Behandlungssitzungen (sowie eine weitere Sitzung nach 26 Wochen; n=164) oder
  • CFT plus Biofeedback (Bewegungssensoren zur Verstärkung der CFT-Effekte; n=163) oder
  • eine Standardbehandlung (Kontrollgruppe n=165; z.B. Physiotherapie, Massage, Chiropraktik, Schmerzmittel, Injektionen oder chirurgische Eingriffe).

Der primäre klinische Endpunkt war die Aktivitätseinschränkung nach 13 Wochen. Sie wurde anhand des 24-Punkte-Fragebogens RMDQ ermittelt wurde („Roland Morris Disability Questionnaire“; mehr Punkte bedeutet ein schlechteres Ergebnis). Initial betrug der mittlere RMDQ-Score in der CFT-Gruppe 13,3; in der „CFTplus“-Gruppe 14,0 und in der Kontrollgruppe 13,3. Der primäre gesundheitsökonomische Endpunkt wurde mittels sog. QALYs („quality-adjusted life years“) erfasst.

Im Ergebnis war die kognitive Funktionstherapie wirksamer als die Standardbehandlung; das Biofeedback zeigte dabei keinen Zusatznutzen. In den 3 Gruppen betrugen die RMDQ-Scores nach 13 Wochen 7,5 (CFT sowie CFTplus) und 12,1 bei den Kontrollen (mittlere RMDQ-Differenz zur Kontrollgruppe für beide CFT-Gruppen -4,6). Auch nach 52 Wochen war der Effekt noch immer ähnlich gut (RMDQ-Scores 6,7 und 6,1 versus 11,5). Auch wirtschaftlich (QALYs und Fallkosten) schnitten die Interventionen besser ab.

Kommentar

Prof. Hans-Christoph Diener von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie kommentiert: „Beide Studien zeigen interessante Ergebnisse, insbesondere, dass starke Schmerzmittel bei Rückenschmerzen als Standardbehandlung kaum zielführend sind. In der Mehrzahl der Fälle ist auch die Operation keine dauerhafte Lösung; vor allem, da häufig muskuläre bzw. myofasziale Schmerzkomponenten vorhanden sind. Die Bedeutung der funktionellen Aspekte der Rückengesundheit, d.h. richtige Bewegungen bzw. veränderte Bewegungsmuster anstatt Vermeidungsverhalten und sportliche Aktivitäten im Rahmen von Therapie und Prävention kann daher gar nicht oft genug betont werden.“

Hintergrund

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden, die Menschen in eine Arztpraxis führen. Sie sind einer der häufigsten Gründe für Krankschreibungen oder Frühverrentung in Deutschland. Rückenschmerzen lassen sich einteilen in akute (unter 12 Wochen andauernde) oder chronische Beschwerden. Anhand der Lokalisation werden sie in obere Rücken- und Nackenbeschwerden und in untere Rücken- bzw. Kreuzschmerzen eingeteilt.

Diagnostisch wird zunächst versucht, konkrete Ursachen zu finden, insbesondere, um ernsthafte Erkrankungen auszuschließen. Frakturen, Entzündungen, Nervenwurzelschäden oder Tumoren müssen immer ausgeschlossen werden, z.B. wenn die Schmerzen ganz plötzlich auftreten, bei einem Sturz oder Unfall oder bei zusätzlichen Symptomen wie Sensibilitätsstörungen (Taubheit oder Kribbeln), Muskelschwäche, Probleme mit der Blasen- oder Darmfunktion sowie Fieber, Schüttelfrost oder Übelkeit/Erbrechen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Literatur

[1] Jones CMP, Day RO, Koes BW et al. Opioid analgesia for acute low back pain and neck pain (the OPAL trial): A randomised placebo-controlled trial. Lancet 2023; doi: 10.1016/S0140-6736(23)00404-X

[2] Kent P, Haines T, O'Sullivan P et al. Cognitive functional therapy with or without movement sensor biofeedback versus usual care for chronic, disabling low back pain (RESTORE): A randomised, controlled, three-arm, parallel group, phase 3, clinical trial. Lancet 2023; doi: 10.1016/S0140-6736(23)00441-5