RheumatologiePräventivtherapie vor ersten Rheumasymptomen möglich?

Zwei neue Studien haben untersucht, ob eine medikamentöse Präventivtherapie bei Risikopatient*innen die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis verhindern kann.

Frau mit dunkelrotem T-Shirt hält sich das Handgelenk
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Können Frühinterventionen den Ausbruch einer rheumatoiden Arthritis bei Risikopatient*innen verhindern? 2 neue Studien machen Hoffnung.

Rheumatische Erkrankungen werden bislang als chronische Erkrankungen angesehen. Forscher*innen gingen deshalb der Frage nach, ob Risikopersonen im Vorfeld identifiziert und behandelt werden können, sodass die Erkrankung gar nicht erst zu Symptomen führt. Prädiktive Marker, die valide und verlässlich Risikopersonen identifizieren können, gibt es derzeit nicht. Sogar der Nachweis von Rheumafaktoren und ACPA (Antikörper gegen citrullinierte Peptide) bei Personen, die zum Zeitpunkt der Messung keine muskuloskelettale Beschwerden aufweisen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Person später eine rheumatoide Arthritis (RA) entwickelt.

Risikofaktoren für rheumatoide Arthritis

In der Pathophysiologie der ACPA-positiven RA geht man heute davon aus, dass ACPA zunächst außerhalb der Gelenke entstehen. Bei Rauchern, Exposition gegenüber Textilstaub oder anderer Luftverschmutzung findet sich eine vermehrte Citrullinierung von Peptiden und Proteinen in der Lunge. Das wird als wesentlich für eine nachfolgende Antikörperbildung gegen citrullinierte Peptide angesehen. Auch Passivrauchen konnte mittlerweile als Risikofaktor für die Entwicklung einer RA identifiziert werden.

Wann, warum und wodurch es dann irgendwann im weiteren Verlauf zu muskuloskelettalen Beschwerden kommt, ist unklar. Eine ältere Untersuchung aus den Niederlanden an Blutspendern konnte zeigen, dass bei einem Teil derjenigen Personen, die später eine RA entwickeln, bis zu 10 Jahre vor den ersten Symptomen (in eingefrorenen Blutproben) bereits ACPA und/oder Rheumafaktoren nachgewiesen werden konnten.

Es wäre naheliegend, den Einsatz von Methotrexat (MTX), das die initiale Standardtherapie einer RA bildet, auf die Frage zu untersuchen, ob man damit bei Risikopatient*innen eine RA verhindern kann.

Methotrexat bei Risikopatient*innen

In einer niederländischen Studie wurden Patient*innen mit Arthralgien und nach rheumatologischer Einschätzung hohem Risiko, eine rheumatoide Arthritis zu entwickeln, auf eine Therapie mit einmalig 120 mg Methylprednisolon intramuskulär und nachfolgend über ein Jahr oral MTX bzw. Placebo randomisiert. Nach Abschluss der Therapie wurden die Patient*innen über einen Zeitraum von einem weiteren Jahr beobachtet.

Voraussetzung für eine Studienteilnahme war das Vorliegen einer im MRT erkennbaren Gelenkentzündung (Synovitis, Tenosynovitis oder Osteitis). Der primäre Endpunkt war die Entwicklung einer klinischen RA oder eine Arthritis von 2 oder mehr Gelenken über mindestens 2 Wochen.

236 Patient*innen wurden eingeschlossen, 119 erhielten eine aktive Therapie, 117 ein Placebo. Nach 2 Jahren fand sich kein Unterschied im Hinblick auf die Entwicklung einer RA zwischen beiden Gruppen, nahezu jeder 5. Proband entwickelte eine RA.

Allerdings waren einige patientenbezogene Parameter wie die subjektive Funktionsfähigkeit, Schmerz oder Morgensteifigkeit, aber auch die Entzündungszeichen im MRT über den Zeitraum von 2 Jahren in der MTX-Gruppe besser.

Die Autoren schlussfolgern: MTX kann zwar nicht das Auftreten einer klinischen RA verhindern, jedoch den frühen Krankheitsverlauf modifizieren [1].

Möglicherweise handelte es sich jedoch bei den eingeschlossenen Patient*innen nicht nur um Hochrisikopatient*innen. Das zeigt sich darin, dass initial nur 50 Prozent der Patient*innen im MRT Veränderungen zeigten und Rheumafaktoren bzw. ACPA nur bei einem Drittel der Patient*innen nachgewiesen werden konnte.

Abatacept bei Risikopatient*innen

Eine Strategie, die in 2 neueren Studien untersucht wurde, beruht auf folgendem Konzept: Proband*innen mit muskuloskelettalen Beschwerden wie Gelenkschmerzen (ohne erkennbare Schwellungen) oder Sehnenscheidenentzündungen, die für sich alleine nicht die Diagnose einer RA erlauben, werden frühzeitig mit Abatacept im Vergleich zu Placebo behandelt, wenn sie gleichzeitig ACPA beziehungsweise Rheumafaktoren im Serum und gelenkbezogene Entzündungszeichen in der Bildgebung aufweisen. Abatacept blockiert T-Zellen, die bei der frühen RA eine wesentliche Bedeutung haben.

Beide Studien sind derzeit noch nicht in Vollpublikation vorliegend.

ARIAA-Studie

Die Ergebnisse der in Deutschland durchgeführten multizentrischen ARIAA-Studie [2] wurden auf internationalen Kongressen von PD Jürgen Rech aus der Universitätsklinik Erlangen vorgestellt.

Die randomisierte, verblindete und placebokontrollierte Studie wurde mit Patient*innen mit sehr hohen Risiko für die Entwicklung einer RA durchgeführt. Einschlusskriterien waren der Nachweis von ACPA, Arthralgien über mehr als 6 Wochen sowie entzündliche Veränderungen im MRT der dominanten Hand. Klinisch durften die Patient*innen keine Gelenkschwellung und keine Vortherapie mit antirheumatischen Medikamenten gehabt haben.

Jeweils 49 Patient*innen wurden mit entweder Abatacept 125 mg wöchentlich subkutan oder Placebo über 6 Monate behandelt, danach über weitere 12 Monate beobachtet. Der primäre Endpunkt war die Verbesserung in mindestens einem MRT-Parameter nach 6 Monaten.

Ergebnisse

  • Die Verbesserung in mindestens einem MRT-Parameter wurde signifikant häufiger unter Abatacept (61,2 Prozent) im Vergleich zu Placebo (30,6 Prozent) erreicht (p = 0,0043).
  • Die Entwicklung einer klinischen RA wurde signifikant seltener unter Abatacept (8,2 Prozent) im Vergleich zu Placebo (34,7 Prozent) nach 6 Monaten beobachtet (p = 0,0025).
  • Nach 18 Monaten (12 Monate nach Therapieende) wurde eine RA bei 35 Prozent der Abatacept-Patient*innen, jedoch bei 57 Prozent der Placebo-Patient*innen (p = 0,0421) beobachtet.
  • Auch die MRT-Ergebnisse nach 18 Monaten waren besser nach einer 6-monatigen Therapie mit Abatacept.

Damit wird zum ersten Mal gezeigt, dass das Auftreten einer klinischen RA bei Patient*innen mit einer Risikokonstellation für eine RA mit einer zeitlich limitierten Intervention mit Abatacept verhindert werden kann und signifikant seltener RA-typische MRT-Befunde nachgewiesen werden konnten [2].

APIPPRA-Studie

Ähnliche Ergebnisse zeigt die APIPPRA-Studie [3]. 213 Individuen in Großbritannien und den Niederlanden wurden in die Studie eingeschlossen. Die Ergebnisse dieser Studie wurden auf dem diesjährigen europäischen Rheumatologenkongress in Mailand präsentiert.

Eingeschlossen wurden Patient*innen mit Arthralgien (aber ohne Arthritis) und entweder hochpositiven ACPA oder doppelt positiv für ACPA und Rheumafaktoren. Die Therapie erfolgte mit Abatacept 125 mg pro Woche subkutan oder Placebo über 12 Monate mit einer Nachbeobachtungszeit über weitere 12 Monate. Als Bildgebung wurde eine Sonografie der Gelenke eingesetzt. Der primäre Endpunkt war entweder die Entwicklung einer RA oder eine Arthritis in mehr als 3 Gelenken. 93 Prozent der Probanden hatten hochpositive ACPA [3].

Ergebnisse

  • Nach 52 Wochen erreichten den primären Endpunkt signifikant weniger Patienten unter Abatacept im Vergleich zum Placeboarm (6 vs. 29 Prozent).
  • Nach dem zweiten Jahr war der Unterschied beim Erreichen des primären Endpunktes mit 25 vs. 37 Prozent zwischen Abatacept und Placebo immer noch statistisch signifikant.

Beide Studien zeigen, dass eine Frühintervention bei Hochrisikopatient*innen möglich ist und gut toleriert wird. Sie zeigen aber auch, dass der Benefit im Laufe der Zeit nach einer Therapiepause geringer wird.

Quelle: Pressekonferenz 51. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie

Literatur

[1] Krijbolder DI, Verstappen M, van Dijk BT et al. Intervention with methotrexate in patients with arthralgia at risk of rheumatoid arthritis to reduce the development of persistent arthritis and its disease burden (TREAT EARLIER): a randomized, double blind, placebo-controlled, proof-of-concept trial. Lancet 2022; doi: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)01193-X

[2] Rech J, Kleyer A, Ostergaard M et al. Abatacept significantly reduces subclinical inflammation during treatment (6months), this persists after discontinuation 12 months), resulting in a delay in the clinical development of RA I patients at risk of Ra (The ARIAA Study) Arthritis Rheumatol 2022; 74 (suppl 9). Abstract

[3] Cope A, Jasenecova M, Vasconcelos J et al. Abatacept in individuals at risk of developing rheumatoid arthritis: Results from the Arthritis Prevention in the preclinical phase of RA with abatacept (APPIPRA) trial. Ann Rheum Dis 2023; doi: 10.1136/annrheumdis-2023-eular.1751