Umwelt und GesundheitLuftverschmutzung fördert rheumatoide Arthritis

Neue Daten zeigen: Wer über einen langen Zeitraum mit Schadstoffen angereicherter Luft ausgesetzt ist, entwickelt mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit eine rheumatoide Arthritis.

Luftverschmutzung, Schornstein
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Luftverschmutzung verursacht weltweit 5,5 Mio. Todesfälle pro Jahr.

Neue Daten zeigen: Wer über einen langen Zeitraum Luft ausgesetzt ist, die mit Schadstoffen angereichert ist, entwickelt mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit eine rheumatoide Arthritis. Auch die Größe der Toxinpartikel spielt eine Rolle für das Krankheitsrisiko. Details dazu erläuterte der Münchner Rheumatologe Prof. Hendrik Schulze-Koops bei einer Pressekonferenz anlässlich des 50. Deutschen Rheumatologiekongresses.

Luftverschmutzung ist einer der Umweltfaktoren, die das Risiko für Krankheitsentstehung mit am meisten erhöhen. Laut der WHO-Studieninitiative „Global Burden of Disease“ lag die Zahl vorzeitiger Todesfälle durch Luftverschmutzung 2016 bei rund fünf Millionen Fällen pro Jahr weltweit. „Diese Tendenz ist in den vergangenen 30 Jahren klar gestiegen und wird laut Prognosen in den kommenden 20 Jahren noch weiter steigen, falls keine entsprechenden Maßnahmen getroffen werden“, sagte Schulze-Koops. 

Umweltfaktoren wirken sich auf die Entstehung und den Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen aus. Luftverschmutzung kann etwa eine Antwort des Immunsystems gegen bestimmte Fremdkörper und Entzündungsreaktionen auslösen. Zudem ist aus früheren Studien bekannt, dass die Entstehung von rheumatoider Arthritis mit dem Rauchen, aber auch mit der Nähe zu Straßen und verschmutzter Luft in Verbindung steht. Der allgemeine Zusammenhang zwischen einer langanhaltenden Einwirkung von schadstoffbelasteter Luft und dem Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln, war bislang unklar.  

Neue Analyse von Wohnort und Krankengeschichte zeigt klares Bild

Italienische Wissenschaftler*innen um Giovanni Adami fanden nun einen eindeutigen Zusammenhang zwischen luftverschmutzenden Partikeln und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Zu diesen Krankheiten gehören die rheumatoide Arthritis, Lupus, Sklerose, Bindegewebserkrankungen, Multiple Sklerose sowie Krankheiten des Magen-Darm-Trakts. 

In der Studie werteten die Forschenden retrospektiv die Daten von 80.000 Einwohner*innen aus ganz Italien aus, die zwischen 2016 und 2020 erfasst worden waren. Sie analysierten die Luftqualität an verschiedenen Punkten und verglichen sie mit den Krankenakten der Bewohner*innen in diesen Gegenden. Zu den gemessenen Komponenten zählen feste Partikel und gasförmige Substanzen, die vor allem aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Industrie und Verkehr hervorgehen. In den Messungen war vor allem feste Partikelmaterie (PM) enthalten, die sich aus Schwermetallen, kohlenstoffhaltigen Substanzen, Gasen wie Kohlenmonoxid oder Stickoxid und anderen chemischen Komponenten zusammensetzt. 

Es zeigte sich eine sehr deutliche Verbindung zwischen der Menge an Schadstoffpartikeln der definierten Größe PM10, und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen. „Mit jedem Anstieg der PM10-Konzentration um 10 µg/m3 stieg das Risiko einer rheumatoiden Arthritis um 7%", erklärt Schulze-Koops. Mit einem erhöhten Risiko für andere Autoimmunerkrankungen stand PM10 nicht in Verbindung. Personen, die hohen Mengen von kleineren Partikeln ausgesetzt waren (PM2.5) wiesen jedoch sowohl ein erhöhtes Risiko für rheumatoide Arthritis als auch für Bindegewebserkrankungen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen auf.

„Es zeichnet sich ab, dass die Häufigkeit von vor allem entzündlich-rheumatischen Autoimmunerkrankungen durch Umweltverschmutzung gefördert werden kann. Es braucht dringend nachhaltige Maßnahmen zur Verhinderung von Luftverschmutzung“, sagt der Rheumatologe Prof. Hendrik Schulze-Koops.

Umweltschutzmaßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten notwendig

„Es zeichnet sich ab, dass die Häufigkeit von vor allem entzündlich-rheumatischen Autoimmunerkrankungen durch Umweltverschmutzung gefördert werden kann“, so Schulze-Koops. Autoimmunerkrankungen traten in den vergangenen zehn Jahren häufiger auf als zuvor. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig entschlüsselt, aber grundlegend gehen Forschende von einem Zusammenspiel zwischen genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen, wie etwa Luftverschmutzung, aus. „Auch wenn ein Verifizieren der Daten durch weitere Studien notwendig ist, sollten die Erkenntnisse Einzug in aktuelle Debatten finden. Es braucht dringend nachhaltige Maßnahmen zur Verhinderung von Luftverschmutzung. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Vorbeugung chronischer Krankheiten." 

Quelle: Pressekonferenz/50. Deutscher Rheumatologiekongress

Literatur

Adami G, Pontalti M, Cattani G et al. Association between long-term exposure to air pollution and immune-mediated diseases: a population-based cohort study. RMD Open 2022; doi:10.1136/ rmdopen-2021-002055  

The University of British Columbia. Poor air quality kills 5.5 million worldwide annually. Online: https://news.ubc.ca/2016/02/12/poor-air-quality-kills-5-5-million-worldwide-annually/

Adami G, Viapiana O, Rossini M et al. Association between environmental air pollution and rheumatoid arthritis flares. Rheumatology 2021; https://doi.org/10.1093/rheumatology/keab049