ALSPharmakologischer Hemmstoff gibt Hoffnung für ALS-Patient*innen

Heidelberger Neurobiolog*innen entwickeln einen Nervenzellen-schützenden pharmakologischen Hemmstoff zur Behandlung von Amyotropher Lateralsklerose (ALS). 

Tablet mit Diagnose ALS auf Bildschirm
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Forscher*innen fanden einen pharmakologischer Hemmstoff, der in einen Zelltodmechanismus eingreifen kann. Dieser könnte bei der ALS-Behandlung von Bedeutung sein.

Forscher*innen der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Hilmar Bading haben einen neuen pharmakologischen Hemmstoff entdeckt. Dieser könnte potenziell das Fortschreiten der Motoneuronerkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) stoppen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "Cell Reports Medicine" veröffentlicht.

ALS - Amyotrophe Lateralsklerose

ALS ist eine degenerative Erkrankung des Nervensystems, die die Bewegungsneuronen beeinträchtigt und zu einem schrittweisen Verlust der Muskelfunktion führt. Bisher gibt es keine wirksame medikamentöse Behandlung für ALS-Patient*innen, die oft innerhalb von zwei bis fünf Jahren nach der Diagnose sterben.

Hemmstoff FP802

Das Team um Prof. Bading hat einen neuartigen pharmakologischen Hemmstoff namens FP802 erforscht, der zu einer innovativen Wirkstoffklasse gehört - den "TwinF Interface Inhibitoren". Diese Hemmstoffe zielen auf die Interaktionen von zwei Proteinen ab, dem NMDA-Rezeptor und dem Protein TRPM4. Diese bilden einen Protein-Protein-Komplex und sind für den Zelltod bei ALS verantwortlich.

Die NMDA-Rezeptoren sind an der Oberfläche von Nervenzellen vorhanden und spielen eine Rolle in Lern- und Gedächtnisprozessen sowie im Schutz von Nervenzellen. Jedoch führt die Aktivierung dieser Rezeptoren außerhalb der Synapsen zu Nervenzellschäden und dem Tod der Zellen. Die Forscher*innen fanden heraus, dass das Protein TRPM4 den NMDA-Rezeptoren toxische Eigenschaften verleiht und beide zusammen einen "Todeskomplex" bilden, der auch bei ALS eine Rolle spielt.

Tierversuch

Das neuroprotektive Molekül FP802 bindet an die "TwinF"-Proteintasche von TRPM4, blockiert die Kontaktflächen der interagierenden Proteine und löst damit den tödlichen Komplex auf. In Tierversuchen mit einem ALS-Mausmodell konnte die Gabe von FP802 den Zelltod und den Verlust von Bewegungsneuronen verhindern. Die motorischen Fähigkeiten verbesserten sich, das Fortschreiten der Krankheit wurde gemildert und die Lebenserwartung der Tiere erhöhte sich.

"Die Entdeckung dieser neuen pharmakologischen Wirkstoffklasse eröffnet uns einen vielversprechenden Ansatz im Kampf gegen ALS. Die Weiterentwicklung von TwinF Interface Inhibitoren zu medikamentös verabreichbaren Wirkstoffen ist ein langfristiges Ziel", sagte Prof. Bading. In Zusammenarbeit mit FundaMental Pharma, einer Biotech-Ausgründung der Universität Heidelberg, soll das Molekül FP802 in den kommenden Jahren für die Anwendung beim Menschen optimiert und in klinischen Studien getestet werden. Dr. Jing Yan, der an den aktuellen Untersuchungen beteiligt war, hat sich kürzlich FundaMental Pharma angeschlossen, um die Weiterentwicklung von FP802 zu beschleunigen.

Die Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Europäischen Forschungsrat und der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert. Die Ergebnisse könnten einen Schritt auf dem Weg zu einer wirksamen ALS-Behandlung darstellen und Hoffnung für Patient*innen und ihre Familien bringen.

Quelle: Universität Heidelberg