Morbus CrohnDarmentzündung: Hefepilze als Entzündungstrigger

Eine fehlgeleitete Immunreaktion auf Hefepilze könnte eine wichtige Rolle bei Morbus Crohn spielen. Neben den im Darm lebenden könnten auch Hefepilze aus der Nahrung die Immunreaktion verstärken.

Der Hefepilz Saccharomyces cerevisiae unter dem Mikroskop
CC BY-SA 3.0

Mikroskopaufnahme von Saccharomyces cerevisiae. Der auch als Bäckerhefe bezeichnete Hefepilz könnte als einer der untersuchten Hefepilze die veränderte Immunreaktion bei Morbus Crohn antreiben.

Chronischen Darmentzündungen liegt eine überschießende oder fehlgeleitete Entzündungsreaktion zugrunde. Fachleute gehen davon aus, dass dabei das Immunsystem fälschlicherweise auch auf Mikroorganismen im Darm reagiert, die im gesunden Zustand keine entzündliche Immunreaktion hervorrufen. Welche Mikroorganismen diese Immunantwort auslösen und wie die Immunzellen genau reagieren, ist bislang weitestgehend unbekannt. Forschende haben herausgefunden, dass Hefepilze eine wichtige Rolle spielen könnten. 

Das Mikrobiom besteht überwiegend aus Viren und Bakterien, zu einem geringeren Teil auch aus Pilzen. Die Mikroorganismen leben in Symbiose mit dem menschlichen Organismus und sind essenziell für seine gesunde Funktion. Das Immunsystem hat die wichtige und zugleich schwierige Aufgabe mit dem Mikrobiom zu interagieren - die dort lebenden Mikroben zu tolerieren aber sie gleichzeitig auch in Schach zu halten.

Bei der chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn ist jedoch nach aktuellem Forschungsstand diese Interaktion gestört: Hier reagieren die Immunzellen zu stark auf bestimmte Bestandteile im Mikrobiom – es kommt zu immer wieder aufflammenden Entzündungen im Darm. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, Durchfall, Fieber und weiteren Symptomen. Schätzungsweise 1 von 500 Menschen ist in Deutschland betroffen.

Hefepilze als Entzündungstrigger

Eine wichtige Rolle bei der gestörten Immuntoleranz bei Morbus Crohn spielen T-Zellen. Diese Immunzellen erkennen über einen T-Zell-Rezeptor auf ihrer Oberfläche spezifisch einen Teil einer Mikrobe, ein sogenanntes Antigen. Sie antworten darauf mit einer entsprechenden Immunreaktionen. „Wir wollten herausfinden, welche Mikroben bei Morbus Crohn eine veränderte T-Zellreaktion auslösen“, erklärt Erstautorin Gabriela Rios Martini.

Dazu hat das Team sich die Reaktion bestimmter T-Zellen auf verschiedene Mikroben in Blut- und Gewebeproben von Patient*innen im Vergleich zu gesunden Menschen angesehen. „Zuerst haben wir die Reaktion auf bestimmte Bakterien untersucht, da diese einen großen Teil des Mikrobioms ausmachen, doch hier konnten wir mit den bislang untersuchten Spezies keine Unterschiede zwischen Erkrankten und Gesunden feststellen“, so Rios Martini weiter. „Dann haben wir uns aber die T-Zellreaktionen auf Hefepilze, wie verschiedene Candida oder Saccharomyces Spezies, angesehen und dort überraschend eine massiv verstärkte T-Zell-Reaktion bei Morbus Crohn-Patient*innen festgestellt.“

Untersucht hatten die Forschenden die Reaktion auf sowohl Hefepilze, die Teil des natürlichen, gesunden Mikrobioms sind, als auch Hefepilze, die v.a. über die Nahrung in den Darm gelangen.

Kreuzreaktivität: T-Zellen reagieren auf Hefepilze

Um mehr über die funktionellen Eigenschaften der T-Zellen zu erfahren und auch die T-Zell-Rezeptoren zu untersuchen, haben die Forschenden die gegen die Hefepilze reagierenden T-Zellen sequenziert. Bacher und ihr Team haben festgestellt, dass bei Erkrankten vor allem T-Zellen vorkommen, deren T-Zell-Rezeptoren gegen viele verschiedene Candida und Saccharomyces Spezies reagieren können.

„Offenbar erkennen die T-Zellen spezifisch einen bestimmten Teil in diesen verwandten Hefepilzen, der in vielen der untersuchten Spezies vorkommt“, erklärt Senior-Autorin Prof. Petra Bacher. „Das bedeutet, dass die T-Zellen nicht nur auf eine bestimmte Hefe-Spezies reagieren, sondern durch viele verschiedene Candida- und Saccharomyces-Hefen aktiviert werden können.“ In dieser sogenannten Kreuzreaktivität sehen die Forscher*innen auch eine Erklärung, warum die Hefe-spezifischen T-Zellen zur chronischen Entzündungsreaktion beitragen könnten.

„Insgesamt deuten unsere Daten darauf hin, dass nach einer anfänglichen T-Zell-Reaktion gegen Hefepilze der wiederholte Kontakt mit Antigenen, die in mehreren Hefepilzen vorkommen, zur Aktivierung und Vermehrung der kreuzreaktiven T-Zellen führt. Die Immunreaktion wird also vermutlich immer wieder ausgelöst, was wahrscheinlich auch zur Chronifizierung der Entzündung beiträgt“ so Bacher. Dabei könnten neben den im Darm lebenden, sogenannten kommensalen Hefepilzen auch die täglich aus der Nahrung aufgenommenen Hefen eine Rolle spielen.

Neue therapeutische Ansätze bei Morbus Crohn

„Aus den Erkenntnissen ergeben sich auch mögliche neue therapeutische Ansätze“ sagt Prof. Stefan Schreiber. Demnach seien die Erkenntnisse hilfreich, um die Entstehungsmechanismen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen besser zu verstehen. Hefepilze seien bislang viel zu wenig beachtet worden. "Wir haben erstmals starke Hinweise für eine Beteiligung Hefe-reaktiver T-Zellen an der Entzündungsreaktion bei Morbus Crohn identifiziert."

 Nun seien weitere Untersuchungen erforderlich. In weiteren Studien wollen die Forschenden untersuchen, wie sich der Verzicht auf Hefen in der Ernährung oder die Eliminierung der Hefepilze im Darm durch eine antifungale Therapie auswirkt. Ein anderer Ansatz wäre, gezielt die kreuzreaktiven Hefe-spezifischen T-Zellen durch zelluläre Therapien außer Gefecht zu setzen.

Diese weiterführenden Studien werden klären, ob potenzielle zukünftige Therapien, die direkt auf die Hefepilze im Darm oder auf die Hefe-spezifische T-Zellen abzielen, auch klinisch wirksam sind, so das Forscherteam.

Quelle: Exzellenzcluster Precision Medicine in Chronic Inflammation

Literatur

Martini GR, Tikhonova E, Rosati E et al. Selection of cross-reactive T cells by commensal and food-derived yeasts drives cytotoxic TH1 cell responses in Crohn’s disease. Nat Med 2023; https://doi.org/10.1038/s41591-023-02556-5