CoronavirusBisphosphonate gegen COVID-19?

Eine epidemiologische Studie hat gezeigt: Patient*innen, denen Bisphosphonate verschrieben wurden, erkrankten seltener an COVID-19. Ob der Zusammenhang ursächlich ist, ist allerdings noch offen.

Illustration: Körper und Viren von außen
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In einer epidemiologischen Studie traten bei Menschen, die Bisphosphonate einnahmen, seltener COVID-19-Ereignisse auf.

Bisphosphonate werden in erster Linie gegen Osteoporose eingesetzt. In einer US-amerikanischen Studie mit Beteiligung von Forschern des LMU Klinikum München wurde jetzt ermittelt: Patient*innen, denen Bisphosphonate verschrieben wurden, erkrankten weniger häufig an COVID-19.

„Dies war ein deutlicher Effekt in einer epidemiologischen Untersuchung – einer Methodik, die allerdings keine zweifelsfreien Rückschlüsse auf einen ursächlichen Zusammenhang zulässt“, sagt der Pharmakologe Prof. Stefan Endres vom LMU Klinikum München.

Im Knochen hemmen Bisphosphonate die Osteoklasten - die Zellen, die Knochenmasse abbauen. Diverse Untersuchungen haben jedoch jüngst gezeigt, dass sie zum Beispiel die Aktivierung von T-Zellen oder von Fresszellen des Immunsystems begünstigen – oder dass sie die Reaktion von T-Zellen und Antikörpern auf Viren steigern. Darüber hinaus fand eine australische Studie, dass Patient*innen, die regelmäßig Bisphosphonate einnehmen, auf Intensivstation einen günstigeren Verlauf hatten als Kontrollgruppen.

Medikamente gegen COVID-19

Obwohl es mehrere wirksame Impfstoffe gegen COVID-19 gibt, sind die Impfraten in vielen Regionen der Welt unzureichend, um eine anhaltend hohe Krankheitslast und das Auftreten neuer Virusvarianten zu verhindern. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in den kommenden Jahren neue Viruswellen bekommen. Da wäre es gut, weitere Wirkstoffe zu haben, die den Verlauf einer Virusinfektion günstig beeinflussen“, sagt Endres. Die Forschenden wollten mit ihrer Studie an einer großen Population untersuchen, ob Patient*innen, die Bisphosphonate nehmen, seltener oder weniger schwer an COVID-19 erkranken. 

Epidemiologische Studie: Bisphosphonate und COVID-19-Ereignisse

Das Studienteam unter Leitung von Prof. Ulrich von Andrian, Immunologe an der Harvard Medical School, analysierte eine US-amerikanische Datenbank. Sie identifizierten fast acht Millionen Patient*innen, für die von Januar 2019 bis Juni 2020 – also den Beginn der Corona-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 – kontinuierliche medizinische Versicherungsdaten inklusive Medikamentenverschreibungen vorlagen. Gut 450.000 dieser Patient*innen bekamen Bisphosphonate verordnet.

Im Vergleich zu 450.000 Patient*innen (gleichen Alters, Geschlechts, mit vergleichbaren Grunderkrankungen usw.) bekamen die Bisphosphonat-Anwender*innen seltener COVID-19 und erlitten weniger schwere COVID-19-Verläufe. Zudem mussten sie weniger oft bei einer Corona-Infektion stationär aufgenommen werden. „Dieser statistische Effekt war stark – eine Reduktion um über 50 Prozent – und hat die Untersucher überrascht“, erklärt Endres.

Bisphosphonat-Anwender*innen sind häufig wenig mobile, ältere Menschen, die das Haus womöglich seltener als andere verlassen und sich vielleicht deshalb seltener infizieren. Die Forschenden verglichen die untersuchte Bisphosphonat-Gruppe auch mit Osteoporose-Patient*innen, die mit anderen Osteoporose-Medikamenten behandelt worden waren. Trotzdem sei die Korrelation der Bisphosphonat-Therapie mit weniger COVID-19-Ereignissen bestehen geblieben. Das bedeutet, dass die Einnahme von Bisphosphonaten und selteneren COVID-Ereignissen zusammenzuhängen scheint. 

Ausblick

Im nächsten Schritt müsse nun der genaue Wirkmechanismus auf das Immunsystem geklärt werden. Prospektive klinische Studie müssten zudem klären, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Therapie mit Bisphosphonaten und günstigeren COVID-19-Verläufen besteht.

Quelle: LMU Klinikum

Literatur

Thompson J, Wand Y, Dreischulte T et al. Association between bisphosphonate use and COVID-19-related outcomes. Epidemiology and Global Health, Medicine 2023; DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.79548