AdipositasWie Stoffwechsel und Immunsystem interagieren

Stoffwechsel und Immunsystem unterliegen einer engen Interaktion: Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes gelten deshalb inzwischen auch als chronisch-entzündliche Erkrankungen.

Kinderfüße auf einer Personenwaage
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Normalgewicht als Prävention: Adipositas löst chronische Entzündungen im Organismus aus und beeinflusst so auch das Immunsystem.

Starkes Übergewicht ist ein wichtiger Risikofaktor für einen schweren Verlauf von COVID-19. Warum, das ist Gegenstand aktueller Forschung: Es könnte an der engen Interaktion zwischen Stoffwechsel und Immunsystem liegen – sie wird von Forschenden zunehmend in den Blick genommen.

Adipositas löst chronische Entzündung im Körper aus

Bekannt ist schon länger: Adipositas, insbesondere das viszerale Fett, löst eine chronische Entzündung im Körper aus, und betrifft somit auch das Immunsystem. Expert*innen bezeichnen Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes deshalb inzwischen auch als chronisch-entzündliche Erkrankungen. Warum Fettstoffwechsel und Immunsystem sich gegenseitig so stark beeinflussen und wie dies neue Therapieansätze für die Folgeerkrankungen von Übergewicht ermöglichen könnte, war ein Thema des Internistenkongresses 2023.

Evolutionär haben Stoffwechsel und Immunsystem einen gemeinsamen Ursprung. „In einfachen Lebewesen wie etwa der Fruchtfliege lässt sich erkennen, dass es Interaktionen zwischen immunologischen und metabolischen Signalwegen gibt“, erklärt Prof. Andreas Schäffler von der Uniklinik Gießen. Diese sogenannten Crosstalks seien bis heute auch beim Menschen erhalten geblieben. „In unserem menschlichen Organismus steuern identische Moleküle sowohl Stoffwechsel- als auch Entzündungsvorgänge.“

Die enge Verknüpfung ist wichtig und nützlich: So versorgen Zellen des Fettgewebes bei einer akuten Infektion oder Entzündung die Immunzellen mit Energie, um die Immunreaktion zu unterstützen. Vice versa bewirken Erkrankungen, die den Stoffwechsel betreffen, Reaktionen im Immunsystem, wie etwa erhöhte Entzündungswerte.

Metaflammation: Durch den Stoffwechsel ausgelöste Entzündungsreaktion

Problematisch wird die enge Interaktion, wenn Fettgewebe, insbesondere im Bauchraum, das normale Maß überschreitet. Die erhöhte Aktivität der Fettzellen lässt Makrophagen, also Zellen des Immunsystems, in das Gewebe einwandern. „Dies führt zu einer leichten aber fortwährenden chronischen Entzündungsreaktion, die sowohl im lokalen Fettgewebe als auch im gesamten Körper auftritt.“ Das zeige sich dann im Blut unter anderem durch einen Anstieg des C-reaktiven Proteins, auch „Adipositas-CRP“ genannt. Zudem kommt es zur Insulinresistenz, bei der die Zellen Insulin nicht mehr ausreichend aufnehmen können und somit der Blutzucker steigt. Diese durch den Stoffwechsel (Metabolismus) ausgelöste lokale und systemische Entzündungsreaktion (Inflammation) bezeichnen Forschende als „Metaflammation“.

„Die chronische Aktivierung des Immunsystems hat eine reduzierte Infektionsabwehr zur Folge, aber auch Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, metabolisches Syndrom und ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle“, erklärt Prof. Andreas Schäffler.

Metaflammation: Forschungsansatz für neue Therapien

„Metaflammation“ ist aber auch zum Ansatz für die Erforschung neuer Behandlungsmethoden ebendieser Erkrankungen geworden. Die Idee: Mittels Kontrolle der Entzündungsreaktion die Risiken für die Folgeerkrankungen der Adipositas zu reduzieren. „Zu den wichtigsten Studien gehören dabei zwei Arbeiten aus 2017 und 2019“, erklärt Schäffler. Der CANTOS Trial 2017 war die erste prospektive, randomisierte, klinische Phase-III-Studie an über 10.000 Patient*innen. Es wurden Hochrisikopatient*innen aufgenommen, die einen Myokardinfarkt erlitten hatten und ein erhöhtes CRP aufwiesen. Sie bekamen den entzündungshemmenden Antikörper Canakinumab. Zwar konnte das Diabetesrisiko dadurch nicht vermindert, dafür aber die kardiovaskuläre Sterblichkeit deutlich reduziert werden. „Hingegen zeigte sich im CIRT-Trial von 2019, bei dem adipösen Patienten eine antientzündliche und das Immunsystem unterdrückende medikamentöse Therapie mit dem Wirkstoff Methotrexat erhielten, keine kardioprotektive Wirkung.“

„Das zeigt, dass wir noch viel mehr Erkenntnisse darüber erlangen müssen, wie genau – auf Ebene der Organe, Zellen, Organellen – die immuno-metabolische Schnittstelle funktioniert“, so Schäffler. „In Zukunft könnten molekular maßgeschneiderte antientzündliche Therapien ein wichtiger neuer Therapieansatz sein, mit einem ganz neuen Wirkmechanismus als die bisherigen Therapien des metabolischen Syndroms – nämlich über das Immunsystem.“

Quelle: Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2023

Literatur

Schäffler A. Rolle der Metaflammation als systemische Manifestation bei Stoffwechselerkrankungen. Innere Medizin 64, 313–322 (2023). https://doi.org/10.1007/s00108-022-01416-7

Ridker PM, Everett BM, Pradhan A et al. Low-dose methotrexate for the prevention of atheroscleroticevents. NEngl JMed 2019; 380:752–762

Ridker PM, Everett BM, Thuren T et al. Antiinflammatory therapy with canakinumab for atheroscleroticdisease. NEngl JMed 2017; 377:1119–1131