SchmerzWie das Geschlecht Schmerzerkrankungen beeinflusst

Das Bewusstsein für Genderunterschiede in der Schmerzbehandlung und -forschung muss geschärft werden. Auch unbewusste Erwartungen auf der Behandler*innenseite spielen eine Rolle.

Symbole für männlich und weiblich auf blauem Hintergrund

Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Schmerzen bestehen u.a. biologisch. Klischees können aber Diagnostik und Therapie beeinflussen..

Das Geschlecht spielt eine Rolle hinsichtlich des Auftretens von Schmerzerkrankungen, des Schweregrades, der Art der Betroffenheit sowie der Kommunikation von und dem Umgang mit Schmerzen. Zu Transpersonen gibt es bisher nur sehr wenig Daten, berichtete Dr. Daniela Rosenberger auf dem Deutschen Schmerzkongress.

Schmerzerkrankungen bei Frauen häufiger

In der Diskussion über geschlechtsspezifische Unterschiede verweben sich biologische, genetische, evolutionäre und soziokulturelle Aspekte. Vieles davon ist noch nicht ausreichend untersucht und verstanden.

Frauen sind häufiger von Schmerzen und Schmerzerkrankungen betroffen. Sie berichten von intensiveren und länger anhaltenden Schmerzen in mehr Körperbereichen.

Experimentelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass Frauen zumindest für einige Modalitäten schmerzempfindlicher sind und niedrigere Schmerzschwellen haben.

Mögliche Gründe könnten sein:

  • Die körpereigene Schmerzhemmung scheint weniger effizient zu sein als bei Männern.
  • Entzündungsreaktionen und die Immunantwort scheinen bei Frauen stärker oder teilweise anders ausgeprägt zu sein.

Auch das trägt möglicherweise zur Chronifizierung von Schmerzen bei und kann die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen.

Mögliche Ursachen

Unterschiedliche Schmerzbeschreibungen - unbewusste Erwartungen

Die Ursachen für diese Unterschiede sind bisher noch wenig bekannt. Aber Hormone wie Testosteron, Progesteron und Östrogen und hormonale Veränderungen können die Schmerzverarbeitung beeinflussen. Auch andere biologische und insbesondere soziokulturelle Einflüsse tragen wesentlich zu Unterschieden bei.

Unter anderem können Unterschiede in der Beschreibung von Schmerzen und den (unbewussten) Erwartungen auf Untersucherseite, dass Schmerzäußerungen von Frauen insgesamt weniger ernst genommen werden: Zu diesen Erwartungen zählt z.B., dass Frauen tendenziell ausdrucksstärker oder „emotionaler“ sind. Eher als bei Männern werden Schmerzäußerungen von Frauen psychischen statt körperlichen Ursachen zugeschrieben.

Zudem können geschlechtsspezifische Abweichungen in typischen Schmerzmustern Fehleinschätzungen und -diagnosen begünstigen, was beispielsweise bei akuten Thoraxschmerzen zu unzureichender Therapie mit schwerwiegenden Folgen führen kann.

Wissenschaftliche Unterrepräsentation von Frauen

Schmerzerkrankungen, die primär Frauen betreffen, finden tendenziell klinisch und wissenschaftlich weniger Beachtung. Ein Beispiel hierfür ist Endometriose. Patientinnen erhalten in der Regel erst nach Jahren eine Diagnose, auch weil „Regelschmerzen“ als „normal“ betrachtet werden.

Bei der wissenschaftlichen Untersuchung von Schmerzen ist es essenziell wichtig, betroffene Patient*innen miteinzubeziehen. So hat sich gezeigt, dass sich beispielsweise im Kontext von Endometriose, aber auch Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom, die Sichtweise von Patient*innen und Behandler*innen oder Forscher*innen, was wirklich relevant ist, deutlich unterscheidet. Auch die Erfassung von Schmerz-assoziierten Symptomen entspricht nicht unbedingt dem, was Patient*innen wirklich beeinträchtigt.

Lange Zeit wurden Medikamentenstudien nur an Männern durchgeführt und Ergebnisse und Dosierungen einfach auf Frauen übertragen. Bis heute gibt es nur wenige Studien, die sich explizit mit den Unterschieden von Medikamentenwirkung bei Männern und Frauen beschäftigen. Für einige Schmerzmittel wurde aber gezeigt, dass sie bei Frauen anders wirken und verteilt beziehungsweise abgebaut werden, was ein unterschätztes Risiko von Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen und Überdosierung birgt.

Die Forschung bezüglich Geschlechtsunterschieden in Schmerzmechanismen, -diagnostik und -therapie steht noch am Anfang. Sowohl biologische als auch soziokulturelle Aspekte beeinflussen das Schmerzgeschehen und die Chronifizierung von Schmerzen sowie die subjektive Schmerzwahrnehmung und Kommunikation der Patient*innen und damit auch die Diagnostik und Behandlung. In der Forschung braucht es mehr Einbezug von Patient*innen, damit der Fokus darauf liegt, was wirklich relevant ist, und Therapien entsprechend effektiver entwickelt werden können.

Bewusstsein muss geschärft werden

Es sei insgesamt entscheidend, das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede in der Schmerzbehandlung und -forschung zu schärfen und Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung für alle Patient*innen zu ergreifen, so das Fazit von Daniela Rosenberger.