GendermedizinKHK: Gefäß-Plaques bei Männern und Frauen unterschiedlich

Das Fortschreiten der Ablagerungen in Blutgefäßen und auch die Mechanismen, die atherosklerotische Plaques wieder stabilisieren können, verläuft bei Männern anders als bei Frauen.

Arteriosklerotische Plaques in einem Blutgefäß
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Die Struktur arteriosklerotischer Plaques und die Mechanismen, die dazu führen, unterscheiden sich offenbar geschlechtsabhängig.

Die Struktur der Plaques bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) zeigte in einer Forschungsarbeit deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen:

  • Bei Frauen spielen vermutlich eher nicht-entzündliche Prozesse eine größere Rolle beim Fortschreiten der Ablagerungen.
  • Bei Männern führen wohl mehrfache Plaquerupturen mit ausgeprägten Entzündungsvorgängen in den Gefäßen zum Fortschreiten der Erkrankung.

Für die Forschungsarbeit wurde Dr. Lena Marie Seegers vom Uniklinikum Frankfurt mit dem Martina Grote-Wissenschaftspreis „Frauenherzen“ der Deutschen Herzstiftung ausgezeichnet.

Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. So belegen Studien zum Beispiel geschlechtsspezifische Unterschiede im Erscheinungsbild von Herzerkrankungen, die mit Durchblutungsstörungen einhergehen und die in ein akutes (Herzinfarkt) oder chronisches Koronarsyndrom (stabile KHK) münden können.

Auslöser sind bei beiden Geschlechtern Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die koronare Atherosklerose. Unterschiede bestehen jedoch im Detail bei den Merkmalen dieser Ablagerungen aus Blutfetten, Blutgerinnseln und Kalk, den sog. Plaques.

Einen wichtigen Beitrag, diese Unterschiede zu verstehen und künftig eine bessere individuelle Behandlung anbieten zu können, hat die Forschungsarbeit von Dr. Lena Marie Seegers un Kolleg*innen geleistet. In ihrer Arbeit untersuchte sie genderspezifische Unterschiede bei atherosklerotischen Plaques.

Hierbei wurden Hinweise gefunden, dass offenbar bei Frauen das Fortschreiten der Ablagerungen anders verläuft als bei Männern. Auch die Mechanismen, die atherosklerotische Plaques wieder stabilisieren können, weisen möglicherweise Unterschiede auf.

Unterschiedliche Plaquestrukturen bei KHK

Die KHK schreitet oft schleichend, ohne auffällige akute Ereignisse wie ein Herzinfarkt, voran. Der Prozess der Gefäßablagerungen, der einer KHK zugrunde liegt, kann gleichförmig oder sprunghaft verlaufen. Wie kritisch die KHK verläuft, hängt von 2 Faktoren ab:

  • dem Ausmaß der Ablagerungen und
  • wie die einzelnen atherosklerotischen koronaren Plaques aufgebaut sind.

Diese Strukturen lassen sich mit der Optischen Kohärenztomographie (OCT), darstellen. Mittels OTC kann festgestellt werden, ob eine Ablagerung aus mehreren Plaqueschichten unterschiedlicher Dichte besteht, den sog. layered plaques (layered = geschichtet). Sie gelten als Zeichen stummer vorausgegangener Plaque-Destabilisierungen.

Vorgänge wie das Aufreißen einer Plaque gelten als Risikofaktor für Blutgerinnsel, die zum Herzinfarkt führen können. Der menschliche Organismus ist jedoch häufig in der Lage, durch Eigenregulation solche Plaque-Destabilisierungen verheilen zu lassen, ohne dass es zu einem akutem Koronarsyndrom kommt. Die dann entstehenden Plaqueschichten weisen darauf hin, dass ein solcher klinisch stummer Prozess stattgefunden hat.

„In Studien wurden zwar bereits mit Hilfe bildgebender Verfahren Unterschiede am Herzen von Männern und Frauen mit einer KHK nachgewiesen, aber geschlechtsspezifische morphologische Unterschiede hinsichtlich Plaqueprogression und Plaquestabilsierungsmechanismen sind bisher nicht untersucht worden“, erläutert Dr. Lena Seegers.

Die Forscher*innen suchten zudem nach layered plaques, die auf Heilungsvorgänge in den Plaques und ein Fortschreiten der Ablagerungen deuten.

Dazu untersuchten sie 533 Patienten (davon 115 Frauen) mit chronischem Koronarsyndrom, die vor einem Koronareingriff eine OCT-Bildgebung erhalten hatten. Seegers und ihre US-Kollegen konnten anhand der Aufnahmen eine detaillierte Analyse durchführen.

Auf Basis der Daten bildeten sie dann verschiedene Gruppen von Patient*innen mit und ohne geschichteten Plaques und trennten diese nochmals nach Geschlecht. Insbesondere die Ablagerungsschichten in der Gruppe der layered plaques wurden weiter speziell vermessen: Zahl und Struktur dieser Plaques wurden erfasst und geprüft, ob ein intaktes oder unterbrochenes Schichtmuster vorlag.

Plaqueentwicklung bei Männern eher mit Entzündungsvorgängen?

Insgesamt wiesen zwar Männer und Frauen gleich häufig layered plaques auf (55 % der Männer versus 54 % der Frauen). Es seien jedoch deutliche Unterschiede im Aufbau der Plaques festgestellt worden:

So zeigten die geschichteten Plaques der Männer eine andere Morphologie (Aufbau) und sie wiesen mehr Merkmale vulnerabler Plaques (= Plaques, die zu Komplikationen neigen) auf. Sie waren unter anderem häufiger lipidreich und enthielten mehr Fresszellen (Makrophagen) und Cholesterinkristalle im Vergleich zu ungeschichteten Plaques in der Männergruppe. Einen solchen Unterschied gab es bei den Frauen nicht.

In den geschichteten Plaques von Männern fanden sich mehr Hinweise auf frühere Plaqueverletzungen (Rupturen) als bei Frauen, z.B. ein durchbrochenes Schichtmuster.

Lena Marie Seegers folgert:

  • Bei Frauen spielen vermutlich eher nicht-entzündliche Prozesse eine größere Rolle beim Fortschreiten der Ablagerungen (sog. Plaqueerosionen).
  • Bei Männern führen wohl mehrfache Plaquerupturen mit ausgeprägten Entzündungsvorgängen in den Gefäßen zum Fortschreiten der Erkrankung.

Der Preis in Höhe von 10.000 Euro wurde Dr. Lena Marie Seegers in Frankfurt von der Deutschen Herzstiftung überreicht. Er wird künftig jährlich von der Deutschen Herzstiftung gemeinsam mit der Projektgruppe „Frauen und Familie in der Kardiologie“ und der „Arbeitsgruppe Gendermedizin in der Kardiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vergeben.

Seegers ist Ässistenzärztin in der Medizinischen Klinik 3: Kardiologie, Angiologie am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF). Die Untersuchung erfolgte mithilfe eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Cardiology Laboratory for Integrative Physiology and Imaging (Prof. Ik-Kyung Jang, MD, PhD) am Massachusetts General Hospital der Harvard Medical School in Boston (MA, USA).

Quelle: ne/Deutsche Herzstiftung/Deutsche Stiftung für Herzforschung

Literatur

Seegers LM, DeFaria Yeh D, Yonetsu T et al. Sex Differences in Coronary Atherosclerotic Phenotype and Healing Pattern on Optical Coherence Tomography Imaging. Circulation: Cardiovascular Imaging 2023. doi: https://10.1161/CIRCIMAGING.123.015227