Herz-Kreislauf-ErkrankungenHerzinfarkt bei Frauen – wo liegen die Unterschiede zu Männern?

Ein Herzinfarkt äußert sich bei Frauen anders als bei Männern. Welche Symptome bei Frauen auftreten können, erklärt Kardiologin Carolin Zwadlo.

Ärztin untersucht Patient*in mit einem Stethoskop.
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Bei manchen Frauen äußert sich ein Herzinfarkt „atypisch“, z.B. durch Beschwerden im Oberbauch, Rücken, Hals oder Kiefer ohne Beteiligung des Brustkorbs.

Nicht alle Krankheiten äußern sich bei Frauen und Männern gleich. Das vielleicht entscheidendste Beispiel dafür ist der Herzinfarkt. Er gehört zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Dennoch wissen viele Menschen nicht, dass die Symptome bei Frauen anders aussehen. Die Kardiologin Dr. Carolin Zwadlo von der Medizinische Hochschule Hannover beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Herzinfarkt bei Frauen.

Wie äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen?

Zwadlo: Frauen verspüren meist auch die „typischen“ Beschwerden – Schmerzen, Brennen oder Engegefühl im Burstkorb. Bei einem Herzinfarkt sind sie allerdings häufig nicht so stark ausgeprägt.

Bei manchen Frauen äußert sich ein Herzinfarkt „atypisch“, z.B. durch Beschwerden im Oberbauch, Rücken, Hals oder Kiefer ohne Beteiligung des Brustkorbs. All das führt dazu, dass sowohl von den Betroffenen als auch von den Behandelnden oft zunächst an andere Erkrankungen gedacht wird.

Gibt es eine Erklärung, weshalb die Symptome bei Frauen andere sind?

Zwadlo: Keine eindeutige. Mögliche Erklärungsansätze sind, dass bei Frauen statistisch gesehen der Herzinfarkt in einem höheren Lebensalter auftritt und im höheren Alter die Wahrnehmung der Beschwerden generell eine andere ist. Teils scheint es an einer unterschiedlichen Verteilung und Wichtung der Risikofaktoren, d.h. Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Zuckerkrankheit, Nikotinkonsum, zwischen Männern und Frauen zu liegen.

Außerdem gehen auch z. B. eine Depression oder rheumatologische Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für einen Herzinfarkt einher. Diese Erkrankungen treten bei Frauen deutlich häufiger auf. Studien zu der Entstehung und der Zusammensetzung von Ablagerungen in den Gefäßen, den Plaques, haben z. B. gezeigt, dass die Zusammensetzung der Plaques bei Frauen und Männern unterschiedlich ist. Auch hier kann eine mögliche Erklärung liegen. 

Was für Folgen kann ein nicht entdeckter Herzinfarkt bei Frauen haben?

Zwadlo: Bei einem Herzinfarkt ist ein Herzkranzgefäß fast oder vollständig verschlossen. Dadurch wird eine Region des Herzens nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt. Diese Teile des Herzmuskels sterben ab.

Je nach Größe der Region kann die Pumpkraft des Herzens dauerhaft herabgesetzt sein. Es entwickelt sich eine Herzschwäche, die mit einer verminderten körperlichen Belastbarkeit und Luftnot bei körperlicher Anstrengung verbunden ist. Im schlimmsten Fall kommt es jedoch während des akuten Herzinfarktes zu Herzrhythmusstörungen, die unbehandelt tödlich sind.

Wird der Herzinfarkt bei Frauen genauso behandelt wie bei Männern?

Zwadlo: Ist die Diagnose Herzinfarkt gestellt, werden Männer und Frauen auf die gleiche Art und Weise behandelt. Ziel der Behandlung ist die rasche Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Das geschieht im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung, bei der in das betroffene Gefäß eine Gefäßstütze, ein Stent, eingesetzt wird.

Im Anschluss an die Untersuchung ist eine dauerhafte Medikamenteneinnahme notwendig, um das Risiko für einen erneuten Herzinfarkt zu senken. Neben der medikamentösen Therapie ist oft auch eine Änderung des Lebensstils unumgänglich, wie regelmäßiges Ausdauertraining, gesunde Ernährung und die Beendigung eines Nikotinkonsums.

Gibt es Bemühungen in der Medizin, den Unterschieden zwischen Männern und Frauen gerecht zu werden?

Zwadlo: Die Medizin der westlichen Industrienationen ist leitliniengeprägt und die Empfehlungen der Fachgesellschaften beruhen auf großen Studien. Frauen sind in diesen großen Studien allerdings häufig unterrepräsentiert.

Lange Jahre wurden geschlechtersensible Prinzipien in der Medizin vernachlässigt. Die Medizin ist sich dieser Tatsache aber durchaus bewusst und in dem Bereich der sogenannten geschlechtersensiblen Medizin wird zunehmend mehr Forschung und Aufklärung betrieben. Sowohl national als auch international gibt es Arbeitsgruppen und Lehrstühle, die sich intensiv mit dem Thema der geschlechtersensiblen Medizin beschäftigen. All das hat dazu geführt, dass Empfehlungen inzwischen teilweise geschlechtergetrennt aufgesetzt werden.

Was vielleicht viele Frauen nicht wissen, an einigen deutschen Kliniken gibt es Sprechstunden speziell für Frauen, z. B. auch Herzsprechstunden. Der Weg zu einer allgemeingültigen geschlechtersensiblen Medizin ist aber noch weit.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover