Herz-Kreislauf-ErkrankungenBeeinflussen Bildung und Beruf die Sterblichkeit?

Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status haben ein höheres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Auch das Sterberisiko ist erhöht. 

Bücherstapel, Stiftebecher und Apfel auf einem Schreibtisch; Symbolbild für Bildung
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Bildung gehört zu den sozioökonomischen Markern, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen entscheidend zu beeinflussen scheinen.

Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status haben ein höheres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Auch das Sterberisiko ist erhöht. Dabei spielen Bildungsstand und Beschäftigungsumfang eine größere Rolle als das Einkommen. Zu diesem Ergebnis kommen Mainzer Forscher*innen in der Gutenberg-Gesundheitsstudie.

Die Ursachen für kardiovaskuläre Erkrankungen sind vielfältig und komplex. Internationale Studien deuten darauf hin, dass u.a. der sozioökonomische Status die kardiovaskuläre Gesundheit beeinflussen könnte. Der sozioökonomische Status wird über den Bildungsstand, den Umfang der beruflichen Tätigkeit und das Einkommen definiert.

Bisherige Studien zum Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Gesundheit wurden jedoch vorrangig in Ländern durchgeführt, in denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung vom Einkommen und Beruf abhängt, wie beispielsweise in den USA. Die Gutenberg-Gesundheitsstudie hingegen basiert auf Daten von Studienteilnehmenden aus Deutschland. Hierzulande ist eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gegeben, sodass es diesbezüglich keine soziale Benachteiligung geben sollte. Dennoch haben die Mainzer Wissenschaftler*innen in ihrer Studie festgestellt, dass es mit Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit von Studienteilnehmenden mit niedrigem versus hohem sozioökonomischen Status deutliche Unterschiede gab.

Gutenberg-Gesundheitstudie

Das Forschungsteam untersuchte in der Studie den Einfluss von sozioökonomischen Faktoren auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Über einen Zeitraum von 10 Jahren nahmen rund 15.000 Frauen und Männer im Alter von 35 bis 74 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet teil. Der sozioökonomische Status der Studienteilnehmenden wurde mithilfe eines Fragebogens in computergestützten Interviews ermittelt.

Bei der Erstuntersuchung lag bei rund 4000 Studienteilnehmenden eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vor, z.B. Vorhofflimmern, koronare Herzkrankheit oder Venenthrombose. Die Wahrscheinlichkeit dieser Studienteilnehmenden, an einer bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankung zu leiden, war rund 19 Prozent höher als bei Teilnehmenden mit einem hohen SES.

Ergebnisse

Erstautor der Studie Dr. Omar Hahad berichtet:

  • Bei der Folgeuntersuchung nach 10 Jahren wiesen Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status ein um 68 Prozent höheres Risiko auf, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln.
  • Die Sterblichkeit in dieser Gruppe lag um 86 Prozent höher als bei den Studienteilnehmer*innen mit hohem sozioökonomischem Status.
  • Vor allem die Bildung und der Beschäftigungsumfang waren entscheidend und weniger das Einkommen.

Den Einfluss des sozioökonomischen Status auf die kardiovaskuläre Gesundheit konnten die Wissenschaftler*innen auch erkennen, wenn sie diesen unabhängig von Lebensstil-assoziierten Risikofaktoren wie Alkoholkonsum, Rauchen oder körperliche Aktivität betrachteten.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass dem sozioökonomischen Status mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss – sowohl bei der Betreuung einzelner Patient*innen als auch in klinischen Studien. Daher sollten sozioökonomische Faktoren in Risiko-Scores mit einfließen, um die gesundheitliche Prognose zu verbessern und präventive Maßnahmen früher einleiten zu können“, so Prof. Thomas Münzel vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.

Hintergrund

Die 2007 gestartete Gutenberg-Gesundheitsstudie ist eine großangelegte, repräsentative Bevölkerungsstudie in der Rhein-Main-Region. Ziel ist, die Risikofaktoren und Ursachen der großen Volkskrankheiten zu identifizieren. Basierend auf einer Bevölkerungsstichprobe wurden in den letzten 15 Jahren mehr als 18.000 Personen auf ihre Gesundheit untersucht. Alle 5 Jahre wird eine Verlaufsuntersuchung durchgeführt. Die Erkenntnisse sollen helfen, die medizinische Prävention, Diagnostik und Therapie zu verbessern.

Quelle: Universitätsmedizin Mainz

Literatur

Hahad O, Gilan DA, Chalabi J et al. Cumulative social disadvantage and cardiovascular disease burden and mortality. European Journal of Preventive Cardiology 2023; doi.org/10.1093/eurjpc/zwad264