WasseranwendungenWinterbaden für ein starkes Immunsystem

Kältereize wie beim Winterbaden spielen eine besondere Rolle für die Durchblutung, die Immunabwehr, aber auch zur Bildung von Antioxidantien.

Eisloch an einem zugefrorenen See.
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Eisbaden greift in das Wechselspiel von Freien Radikalen (Oxidantien) und Antioxidantien des Körpers ein.

von Werner Siems und Rainer Brenke

Inhalt

Badekultur und deren Nutzen im Wandel der Zeit

Praxis des Winterschwimmens

Physiologische Reaktionen auf das Eisbaden

Langfristige Anpassungserscheinungen bei Eisbadern

Hinweise auf mögliche Gefahren durch das Winterschwimmen

Fazit

Badekultur und deren Nutzen im Wandel der Zeit

Seit Jahrtausenden gibt es in allen Medizinkulturen Einrichtungen für das Baden oder Wohlfühlen in Wasser unterschiedlicher Temperatur. Das älteste Schwimmbad der Welt ist „Das große Bad“ bei Mohenjo-daro in Sindh, Pakistan, der erste künstliche Pool, der vor fast 3000 Jahren aus Stein und Ziegeln gebaut und mit Teer beschichtet war.

Weltberühmt ist die römische Badekultur. Die Thermen des Caracalla, auch Thermae Antoninianae genannt, wurden von Caracallas Vater Septimus Severus in Rom errichtet. Caracalla selbst baute sie dann zwischen 212 und 216 n. Chr. zu einer gewaltigen Badeanstalt aus. Die riesige Anlage misst 337 × 328 Meter, ist also fast quadratisch. Als Vorbild dienten die Thermen Trajans am Esquilin in Rom. Manches wurde nach und nach verbessert und vor allem in größeren Dimensionen gebaut, damit die Thermen 1600 Besucher fassen konnten.

Die Thermen dienten in erster Linie dazu, ein Warmbad zu nehmen. Es wird berichtet, dass die Römer sich zu jener Zeit täglich Arme und Beine wuschen. Ein Vollbad nahmen sie nur alle neun Tage. Wohlhabende Bürger wollten verständlicherweise warme und komfortable Privatbäder. Im Jahr 100 v. Chr. erfand Lucius Sergius Orata die Zentralheizung, womit die Voraussetzungen für ausgedehnte Thermen geschaffen waren. Den Römern standen nunmehr Becken mit Wasser unterschiedlicher Temperatur zur Verfügung.

In den letzten hundert Jahren gingen in den modernen Industrieländern natürliche Reize wie Wärme, Kälte und Bewegung durch eine veränderte Lebensform zunehmend verloren. Schützende, bequeme Kleidung schirmt uns vor Kälte und Wärme ab. Dies ist mit einiger Wahrscheinlichkeit eine der Ursachen für die steigende Inzidenz bei verschiedenen Zivilisationskrankheiten sowie für eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber bunden – man denke z. B. an die morgendliche kalte Dusche. Als extreme Form der Abhärtung ist das Winter- bzw. Eisbaden populär geworden [1][2][3][4][5][6]. Dabei handelt es sich um ein Baden in freien Gewässern bei winterlichen Temperaturen, wobei die Wassertemperatur um 0 °C (im Salzwasser auch darunter) liegt. Es ist anzunehmen, dass die zunehmende Popularität dieser Sportart einem Trend folgt, grippalen Infekten. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn man sich zunehmend bemüht, diesen Mangel durch moderaten Freizeitsport und eine sogenannte Abhärtung zu kompensieren.

Wir verstehen dabei unter Abhärtung die gesundheitlich wünschenswerten Folgen einer wiederholten bewussten oder unbewussten Exposition des Menschen gegenüber natürlichen Reizen. Normalerweise resultiert das in einer allgemeinen Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, insbesondere auch grippalen Infekten.

Kaltreize sind neben der Sauna unmittelbar mit dem Gedanken der Abhärtung vereinem extremen Mangel an natürlichen Reizen eine extreme Form der Abhärtung entgegenzusetzen.

Praxis des Winterschwimmens

Das eigentliche Winterschwimmen oder Eisbaden hat in seiner organisierten Formeine relativ kurze Geschichte. Eine Massenbewegung ist in Tschechien zu beobachten, wo seit fast 60 Jahren in Prag jeweils am 2. Weihnachtsfeiertag das Moldauschwimmen durchgeführt wird. Ähnliche Bewegungen sind auch aus anderen europäischen Ländern wie Finnland, Italien, Russland und den USA bekannt. In Deutschland ist es besonders seit über dreißig Jahren populär. Die Zahl der deutschen Eisbader liegt bei 2000 bis 3000.

Zusammenfassung

Baden und Wasseranwendungen haben für den Menschen seit langer Zeit kulturelle und gesundheitliche Bedeutung. Dabei spielen Kältereize wie bei der Kneipp-Therapie oder das Winterbaden eine besondere Rolle für die Durchblutung, die Immunabwehr, aber auch speziell zur Bildung von Antioxidantien.

 Dabei gibt es in Europa, vorwiegend in Deutschland, schon seit ca. 200 Jahren eine kultivierte Form der Anwendung von Wasser, auch kaltem Wasser, mit gesundheitlichen Zielen. Damit ist neben den Wasseranwendungen nach Prießnitz die sogenannte Kneipp’sche Hydrotherapie gemeint, die von Pfarrer Sebastian Kneipp popularisiert wurde und die ein fester Bestandteil der komplexen Kneipp-Therapie geworden ist [7][8][9]. Sebastian Kneipp hat die Bestandteile seiner Art von Hydrotherapie in dem Buch „Meine Wasserkur“ beschrieben (s. Kasten). Die moderne Kneipp-Therapie besteht aus 5 Säulen. Zentraler Bestandteil ist die Hydrotherapie einschließlich der verschiedenen Güsse und allen Bestandteilen der Wassertherapie.

Kneipp: Meine Wasserkur

„Als Abhärtungsmittel nennen wir

  1. das Barfußgehen;

  2. das Barfußgehen im nassen Gras;

  3. das Barfußgehen auf nassen Steinen;

  4. das Barfußgehen in neu gefallenem Schnee;

  5. das Barfußgehen im kalten Wasser;

  6. das Kaltbaden der Arme und Beine (Füße);

  7. den Knieguss (mit oder ohne den Oberguss).“

Im Laufe der Zeit haben sich dann in den zentraleuropäischen und auch in den nordeuropäischen Ländern immer mehr Wasseranwendungen und auch die regelrecht massenhafte Nutzung der Sauna etabliert [10]. Wir fanden, dass die Kombination mit dem kalten Guss bedeutsam ist, also die Kombination von Wärme und nachfolgendem Kaltreiz [10].

Unter den Wasseranwendungen mit gesundheitlichen und Wellness-Zielen ist Eisbaden natürlich wesentlich seltener als Saunieren. Beim Winterschwimmen stand in Deutschland von Anfang an der Abhärtungsgedanke im Vordergrund, wobei jeder nach subjektiver Befindlichkeit badet und keine Strecken oder Badezeiten vorgegeben werden.

Normalerweise beginnt die „Saison der Winterschwimmer“ im Herbst mit dem Schließen der öffentlichen Strandbäder und endet im Frühjahr. Meist wird das Winterschwimmen 1-2 × in der Woche durchgeführt, manchmal auch jeden zweiten Tag oder häufiger. Zunächst wird in der Regel ein kurzer Erwärmungslauf von einigen Minuten in leichter Sportbekleidung absolviert oder es werden zur Aufwärmung Spiele und Gymnastik durchgeführt. Sofern auf dem Gewässer eine Eisdecke vorhanden ist, wird ein Loch in das Eis geschlagen.

Sofort nach dem Erwärmungslauf und dem Auskleiden steigen dann die Winterschwimmer in üblicher Badebekleidung oder auch im „Adamskostüm“ in das Eiswasser. Allgemein gilt in Deutschland die Empfehlung, nie allein zu baden. Ist die Wasserfläche ausreichend groß genug, wird für eine kurze Zeit geschwommen oder es wird für einige Sekunden oder Minuten ruhig auf der Stelle verharrt. Die Wassertiefe sollte so beschaffen sein, dass ein Stehen im Wasser noch möglich ist. Das Benetzen von Kopf und Gesicht mit Wasser wird dabei vermieden. Wir konnten Wassertemperaturen von -1 °C bis -2 °C an der See bzw. bis 4 °C in den Binnengewässern messen.

Motivation

Anteil

Infektneigung senken

40%

Keine besonderen Ziele

25%

Erhöhung des allgemeinen Gesundheitsgefühls

10%

Weniger Frieren soll erreicht werden

6%

Stabilisierung des Kreislaufs

4%

Linderung von Beschwerden am Bewegungsapparat

4%

Asthmatische Beschwerden lindern

1%

Die Dauer des Aufenthaltes im Eiswasser wird ganz nach individueller Befindlichkeit festgelegt und schwankt von einigen Sekunden bis zu ca. 5 Minuten Dauer. Vereinzelt konnten wir auch längere Badezeiten beobachten. Unmittelbar nach dem Bad frottieren sich die Sportler ab und kleiden sich an, wobei in vielen Fällen kein beheizter Umkleideraum zur Verfügung steht und manchmal das Umkleiden im Freien erfolgt. Vielfach wird unter den Winterbadern auch in den Sommermonaten der Abhärtungsgedanke propagiert, sodass dann häufig kaltes Duschen, Langstreckenschwimmen, eine andere sportliche Betätigung oder auch der Saunabesuch bevorzugt werden.

Zu den Motivationen gehören auch das Streben nach Ausgleich und „Spaß“ sowie eine Gesundheitsstabilisierung durch Abhärtung. Hinsichtlich der gesundheitlichen, wenngleich subjektiv empfundenen Folgen, steht die gesenkte Infektneigung im Vordergrund.

Dies spiegelt sich auch in der Zahl der Arztkonsultationen wider, die wir bei Eisbadern über einen längeren Zeitraum auswerten konnten. So wurden die Eisbader wegen grippaler Infekte vor Beginn ihres Sportes durchschnittlich 0,9-mal pro Jahr bei einem Arzt wegen eines grippalen Infektes vorstellig, nach 5 bis 6 Jahren Beteiligung am Winterschwimmen nur noch durchschnittlich 0,5-mal pro Jahr.

Physiologische Reaktionen auf das Eisbaden

Sofortreaktionen

In erster Linie ist bei einem Eisbad der Wärmehaushalt beansprucht. Die Körperkerntemperatur sinkt um durchschnittlich 0,5 °C ab. Je nach Messort fallen die Hauttemperaturen um ca. 8 °C. Ungefähr 3 bis 5 Minuten Aufenthaltsdauer werden bei Gewohnten für die Obergrenze des noch Ungefährlichen gehalten. Die Kältetoleranz ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Korpulente Personen, Menschen in mittlerem Lebensalter und Männer vertragen in der Regel einen intensiveren Kaltreiz als Schlanke, Kinder, alte Menschen und Frauen.

Die thermische Belastung führt zu Reaktionen des Herz-Kreislauf-Systems. Der Puls steigt von durchschnittlich 131/min vor dem Eisbad (durch den vorangegangenen Lauf erhöht) kurzfristig auf durchschnittlich 148/min an. Wesentlicher scheint ein anfänglicher Blutdruckanstieg im Eiswasser auf Maximalwerte von 205/125 mmHg zu sein, die man sich durch die plötzlich eintretende Vasokonstriktion in nahezu allen peripheren arteriellen Gefäßen erklärt. Wird das Eisbad nach einem vorangegangenen Lauf betrieben, so konnte keine Beeinträchtigung der Extremitätendurchblutung nachgewiesen werden. Auch das EKG zeigte bei den Eisbadern keine pathologischen Veränderungen.

Die geschätzte Herz-Kreislauf-Belastung ist beim Laufen an kalter Luft sogar deutlich höher (durchschnittlich über 200 Watt) als beim Eisbaden, wo man von einer Belastung von durchschnittlich 165 Watt ausgehen kann (dem gegenüber ist die Belastung in der Sauna mit 50 bis 75 Watt gering). Beachtenswert erscheint aber die Blutdruckbelastung, wobei man hier bei Patienten, die zum Bluthochdruck neigen, zur Vorsicht raten sollte.

Der Reiz des Eisbadens ist auch mit Umstellungen im vegetativen Nervensystem verbunden. Es kommt unmittelbar nach Einstieg in das Eiswasser zu einem Abfall des Vagotonus und Anstieg des Sympathikotonus, wobei sich jedoch diese Veränderung noch innerhalb der ersten Minute im Eiswasser normalisiert. Auch ein deutlicher Abfall der Substanz P im Blutplasma um ca. 20% während der ersten Stunde nach dem Eisbaden – eines Neuropeptidtransmitters – kann als Ausdruck eines intensiven Stresses gedeutet werden.

Mittelfristige Reaktionen

Die Veränderungen am Immun- bzw. Resistenzsystem sind entgegen den Erwartungen gering. Wir fanden nach dem Eisbaden einen leichten Anstieg der Zahl der Leukozyten (weiße Blutkörperchen), der jedoch unspezifisch ist. Ihre Aktivität fiel nach dem Eisbad dagegen deutlich ab. Eine Linksverschiebung, das heißt eine Erhöhung der Zahl sehr junger, unreifer Zellen, trat bei der FACS-Messung (Fluorescence Activated Cell Sorting) nicht auf. Auf eine ganze Reihe weiterer Immunparameter wie z. B. die Immunglobuline, die Elektrophorese, das Interferon (als Summation über alle Immunparameter), die Komplementfaktoren sowie das Immunglobulin A im Speichel hatte ein Eisbad unmittelbar keinen Einfluss.

Langfristige Effekte

Die langfristigen Effekte des Eisbadens beinhalten eine Beeinflussung der Mikrozirkulation, primär eine deutlich verbesserte akrale Wiedererwärmung nach einem Kaltreiz, verbunden mit morphologischen Veränderungen an den Blutgefäßen der Akren. Nur der an die Kälte Angepasste zeigt eine Wiedererwärmung nach zusätzlichem Kaltreiz. Außerdem beinhalten die Effekte eine sympathikotone Reaktion mit gleichzeitigem Nachlassen des Vagotonus, auch eine gehobene Stimmungslage bis hin zur Euphorie, einen ACTH-Anstieg, eine insgesamt erhöhte vegetative Stabilität und eine erhöhte Stresstoleranz. Des Weiteren zeigen sich ein Leukozytenanstieg im Blut, vor allem durch Anstieg der neutrophilen Granulozyten, ein Anstieg der Orogranulozyten im Speichel und ein erhöhter Interferontiter.

Während durch regelmäßiges Saunieren sowie durch regelmäßig im Rahmen Kneipp- scher Hydrotherapie durchgeführte kalte Güsse gesundheitliche Vorteile bei Kindern und Erwachsenen unbestritten sind, ergab sich die Frage nach mittel- und langfristig auftretenden Feinmechanismen, die zu einer gesundheitlichen Stabilisierung bzw. verbesserten Vitalität und körperlichen sowie psychischen Leistungssteigerung beitragen können. Die Untersuchungen zeigten eindeutige Ergebnisse: Es kommt bei regelmäßig durchgeführtem Eisbaden, also regelmäßig angewendeten Kaltreizen, zu einer Bildung von Antioxidantien und damit zu einer verbesserten Abwehr von sogenannten freien Radikalen und oxidativem Stress [11].

Das Haupt-Antioxidans, das dabei gebildet wird, ist Glutathion, das wichtigste wasserlösliche Antioxidans im menschlichen Körper überhaupt [12][13]. So etwas kann nur dann passieren, wenn durch die sich bei Eisbadern wiederholenden regelmäßigen Kaltreize selbst, offensichtlich durch Muscle Shivering, immer wieder erhebliche Mengen freier Radikale bilden. Diese starke Radikalbildung konnten wir durch den Verbrauch von Harnsäure, ein hocheffektiver Radikalfänger in den Zellen unseres Körpers, dokumentieren. Das heißt, die Kaltreize des Eisbadens stellen einen immer wiederkehrenden oxidativen Stress dar, der vom Körper schnell durch den Verbrauch eines effektiven Hydroxylradikalfängers, nämlich Harnsäure, und langsam und mittelfristig, also adaptiv, mit einer erhöhten Synthese von Antioxidantien, primär von Glutathion, beantwortet wird.

Auch die intrazellulären Glutathionkonzentrationen sind dosisabhängig, das heißt, je stärker der Kaltreiz, desto mehr O2-Radikalbildung und adaptativ umso höhere Glutathionwerte in den Erythrozyten der exponierten Personen.

Glutathion schützt dann vor allem auch gegen aldehydische Produkte der Lipidperoxidation (LPO), vorrangig gegen 4-Hydroxynonenal (HNE), siehe sekundäre LPO- Produkte [14][15]. Sekundäre LPO-Produk- te, das sind vor allem aldehydische und epoxidische Intermediate, die berühmtesten sind Malondialdehyd (MDA) und 4-Hy- droxynonenal (HNE).

Es geht um das Gleichgewicht zwischen Freien Radikalen und Prooxidantien auf der einen Seite und primären sowie sekundären antioxidativen Schutzsystemen auf der anderen. Zu den primären antioxidativen Schutzsystemen gehören die Enzyme Katalase und Superoxid-Dismutase, auch die verschiedenen Enzyme des Glutathionsystems und eine Vielzahl niedermolekularer Antioxidantien.

Zu den sekundären antioxidativen Schutzsystemen gehören der Abbau aldehy- discher Produkte der Lipidperoxidation, wie z. B. von 4-Hydroxynonenal oder von Ma- londialdehyd, und der Abbau oxidativ modifizierter Proteine durch das proteasomale System.

Antioxidantien sind aufgrund ihrer molekularen Struktur, die sie besonders leicht oxidierbar macht, bevorzugte Reaktionspartner für Radikale. Somit kann man mit großen Mengen an Antioxidantien die Oxidation körpereigener Moleküle teilweise reduzieren.

Das scheint der eigentliche positive Effekt des Eisbadens zu sein. Schädigungseffekte im Gewebe, z. B. sichtbar an durch Zellnekrose bedingten Anstieg der Muskelenzyme wie Kreatinkinase, wurden in keinem Falle gefunden.

Die stärksten Radikalbildungsraten und daher die höchsten Verbrauchsraten an Harnsäure wurden bei den Eisbadern beobachtet, deutlich höhere Werte als bei einer Vergleichsgruppe von Studierenden, die täglich 1 bis 2 Minuten kaltes Duschen praktizierten. Dies resultierte dann auch in unterschiedlichen Syntheseraten von Glutathion. Die höchsten Werte wurden hier in den Erythrozyten der Eisbader erreicht, statistisch signifikant höhere als in den Erythrozyten derjenigen, die über 8 Wochen lang jeden Morgen regelmäßig kaltes Duschen praktizierten [16].

Langfristige Anpassungserscheinungen bei Eisbadern

Hier stehen Umstellungen im Wärmehaushalt ganz im Vordergrund. Man kann bei den Winterbadern deutlich wärmere Akren (Hände) in kalter Umgebung beobachten. Es konnte gezeigt werden, dass sich diese bei einem zusätzlichen Kältereiz deutlich schneller wieder erwärmen als die Hände von ungeübten Probanden. Mit der Kapillarmikroskopie erkennt man sogar morphologische Veränderungen.

Anpassungserscheinungen am HerzKreislauf-System ließen sich bisher lediglich für die akrale Durchblutungsregulation nachweisen, wobei gerade die Finger und Hände in einem engen reflektorischen Zusammenhang mit der Durchblutungsregulation im Nasen-Rachen-Raum stehen, was durch die verbesserte Rheologie ein Grund für die gesenkte Infektneigung sein dürfte.

Regelmäßiges Winterschwimmen scheint zu einer Erhöhung der Substanz-P- Konzentration im Blutplasma zu führen, was als Ausdruck einer erhöhten vegetativen Stabilität angesehen werden könnte.

Schließlich gab es Hinweise auf veränderte Immunparameter.

Bei Eisbadern gab es erhöhte Zahlen von CD3+-, CD8+-, CD25+-Lymphozyten, von NK-Zellen (CD56+/CD16+) und von HLA-DR- exprimierenden Monozyten.

Außerdem waren die Plasmakonzentrationen von Interleukin 10 (IL 10) erhöht und die Plasmakonzentrationen von TGF-ß1 in Eisbadern verringert.

Die Unterschiede im Immunstatus kann man als verbesserten Schutz gegen bakterielle Infektionen auf der Grundlage einer erhöhten phagozytotischen Aktivität und einer Stimulation von B-Zellen (IL-10) interpretieren. Überdies führen die erhöhten Zahlen an zytotoxischen T-Zellen, natürlichen Killerzellen und aktivierten T-Lymphozyten (CD3+/CD25+) zu einer erhöhten Abwehrbereitschaft gegen virale Infektionen. Die relativ niedrige Konzentration an TGF- ß1 bei Eisbadern kann als verringerte Immunsuppression interpretiert werden.

Hinweise auf mögliche Gefahren durch das Winterschwimmen

Ohne Zweifel stellt das Winterschwimmen einen massiven Kaltreiz dar, wobei Übergänge zur Unterkühlung fließend sind. Ein Kaltreiz an sich ist unschädlich, eine Unterkühlung mit langanhaltendem und ausgeprägten Abfall der Körperkerntemperatur sollte jedoch vermieden werden. Fünf Minuten Eisbaden sind dann aus unserer Sicht sicher die Obergrenze des Vertretbaren. Jeglicher Wettbewerbscharakter oder das Schwimmen vorgegebener Strecken sollten, wie schon oben erwähnt, vermieden werden. Wir fanden keinerlei Hinweise für eine mögliche – sicherlich oft befürchtete – Schädigung der Nieren oder Harnblase. Dennoch sollte man die Gefahren auch durch die Badeprozedur an sich nicht unterschätzen, weshalb die Empfehlung, nie allein zu baden, nochmals betont werden soll. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es an den scharfen Eiskanten zu kleineren Verletzungen kommen könnte oder aber zu örtlichen Erfrierungen durch ein zu langes Stehen ohne Fußbekleidung auf der kalten Eisdecke oder im Schnee.

Vorsicht ist hauptsächlich bei folgenden Erkrankungen geboten:

  • Bluthochdruck ab Stadium II nach WHO

  • allgemeine Arteriosklerose

  • ausgeprägte Durchblutungsstörungen

  • schwere oder akut aufgetretene Herz- rhythmusstörungen

  • Kälteüberempfindlichkeit, insbesondere Kälteurticaria

  • chronische Organerkrankungen (z. B. Nierenerkrankung)

  • akute Infekte bzw. generell akute Erkrankungen

Fazit

Wir verweisen nochmals darauf, dass die Untersuchungen an Eisbadern interessante gesundheitsrelevante Aspekte zeigen, die aber ebenso mit milderen Verfahren einer regelmäßigen Kälteexposition erreicht werden können, wenn auch mit graduellen Unter-schieden. Insofern sind im Sinne der Bildung von Antioxidantien auch das regelmäßige kalte Duschen, das Schneegehen oder andere Varianten der Nutzung von kaltem Wasser, z. B. in Kneipp-Becken von Gebirgsbächen, nützlich. Auch vergleichbare immunologische Vorteile sind zu erwarten. Somit kann, bei aller angezeigten Vorsicht gegenüber potenziellen Gefahren inklusive Übertreibungen, bei einem ausgewählten Personenkreis das Eisbaden zu Gesundheit, Vitalität und Fun durchaus beitragen.

Prof. Dr. Dr. med. Werner Siems
Facharzt für Biochemie, Autor und Hochschullehrer

Privatdozent Dr. med. Rainer Brenke
Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin

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