PolyneuropathieNaturheilverfahren und Physiotherapie bei Polyneuropathie

Als gute Ergänzung bei der Behandlung von Polyneuropathie eigenen sich unterstützende Möglichkeiten der klassischen Naturheilverfahren und physikalische Therapien.

Füße, die über einen gelben Massageball mit Noppen rollen.
Надежда Урюпина/stock.adobe.com

von Rainer Brenke

Bei einer Polyneuropathie handelt es sich um eine noch nicht in allen Einzelheiten geklärte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Gehirn und Rückenmark sind also nicht betroffen. Typischerweise kommt es bei einem Befall der sensiblen Nerven zu symmetrischen Empfindungsstörungen an Füßen und Unterschenkeln. Außer den sensiblen Störungen können auch Schäden an den motorischen Nerven auftreten, die sich durch Reflexausfälle und Schwäche oder Lähmungen der betroffenen Muskulatur bemerkbar machen. Das autonome Nervensystem kann ebenfalls erkrankt sein und Funktionsstörungen an den inneren Organen verursachen.

In vielen Fällen ist die Polyneuropathie Folge einer Grunderkrankung, am häufigsten von Diabetes mellitus. Die Suche nach einer möglichen Ursache sollte also vor Beginn einer Therapie stehen. Die konventionelle Therapie ist langfristig angelegt und verursacht oft Nebenwirkungen, so dass die Suche nach naturheilkundlichen (und damit meist mit deutlich weniger Nebenwirkungen belasteten) Alternativen gut nachzuvollziehen ist.

Mögliche Ursachen von Polyneuropathien

Ein schlecht eingestellter Diabetes ist in Deutschland die häufigste Ursache einer Polyneuropathie und nimmt in der westlichen Welt stark zu. Die Nervenschädigung kann durch eine Beeinträchtigung der Nervenfasern selbst oder indirekt durch eine Schädigung der die Nerven versorgenden kleinen Blutgefäße zustande kommen. Nach Ergebnissen einer neueren PROTECT-Studie [10] entwickelt sich im Lauf der Zeit bei jedem 2. Diabetiker eine schmerzhafte oder schmerzlose Form der Nervenerkrankung. Bei 70 % der Erkrankten war aber die Diagnose nicht gestellt, das heißt die Betroffenen wussten nichts von der Erkrankung. Daher gibt es eine hohe Dunkelziffer, denn eine Neuropathie kann auch als frühes Symptom bei „Prädiabetes“ auftreten.

Weitere Ursachen können sein:

  • Stoffwechselstörungen und Vitaminmangel

  • schwere Organ- oder Allgemeinerkrankungen mit „Selbstvergiftung“, z. B. Nieren- oder Leberinsuffizienz

  • Malabsorption bei chronischen Magen-Darm-Erkrankungen

  • Polyneuropathien bei Krebserkrankungen

  • arterielle Durchblutungsstörungen

  • entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, z. B. Borreliose

  • andere seltene neurologische Erkrankungen

  • Thalassämie (besonders in den Mittelmeerländern)

  • toxisch bedingte Polyneuropathien

    • chronischer Alkoholismus

    • Nebenwirkungen von Medikamenten, insbesondere bei Chemotherapien, häufig auch bei älteren AIDS-Medikamenten, seltener nach Antibiotika

    • chronischer Heroinkonsum

    • früher bei Tankwarten durch häufigen Kontakt mit verbleitem Benzin

    • Umwelt- oder Alltagsgifte, wie Blei, Kupfer, Amalgam oder Cadmium

Ist keine Grunderkrankung feststellbar, spricht man von einer „idiopathischen Polyneuropathie“.

Typische Symptome

Am Anfang stehen gerade bei der diabetischen Polyneuropathie oft symmetrische Empfindungsstörungen, besonders an den Füßen. Taubheit, Kribbeln, Brennen, aber auch Schmerzen oder eine nachlassende Empfindlichkeit sollten Anlass zu einer genaueren Untersuchung sein. Häufig ist auch das Gefühl von zu engen Socken. Das geringer werdende Empfinden kann z. B. dazu führen, dass die Betroffenen ein drückendes Steinchen im Schuh nicht bemerken, was dann Ausgangspunkt für ein Geschwür an der Fußsohle sein kann. Frühzeitiges Handeln könnte einen Teil der jährlich bis zu 50 000 Amputationen wegen eines diabetischen Fußsyndroms verhindern [10].

Grundsätzlich kann sich außer der „sensiblen“ Polyneuropathie auch eine „motorische“ Polyneuropathie entwickeln – mitunter kommt es dann zu symmetrischen Lähmungen. Auch eine sog. „autonome“ Polyneuropathie mit Befall der die inneren Organe versorgenden vegetativen Nerven und nachfolgenden Funktionsstörungen ist möglich. Dazu gehören trophische Hautstörungen mit Begünstigung von Geschwürbildungen, vermindertem Schwitzen, Potenz- und Blasenentleerungsstörungen, Tachykardie in Ruhe oder Störungen der Pupillomotorik.

Bei der fatalen sog. „stummen Ischämie“ ist das Herz von den Folgen einer Polyneuropathie betroffen. Dabei können die sonst typischen Brustschmerzen bei einem Herzinfarkt oder einer Angina pectoris durch die Nervenschädigung teilweise oder ganz fehlen, wodurch eine adäquate Reaktion des Betroffenen ausbleibt. Das kann z. B. der Fall sein bei Diabetikern mit Polyneuropathie und gleichzeitig bestehender koronarer Herzkrankheit – einer nicht seltenen Kombination.

Diagnostik

Wegweisend sind in vielen Fällen die Anamnese und eine Diagnose wie Diabetes. Zur neurologischen Untersuchung gehören Reflexprüfungen, Testen des Berührungs-, Temperatur- und des Vibrationsempfindens (Stimmgabel). Schweißteste, Kipptisch-Untersuchungen, Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität oder der Magenentleerungszeit können ergänzend zum Einsatz kommen. Eine weitergehende Diagnostik kann mit der Elektroneurografie und ggf. der histologischen Untersuchung eines zur Diagnose entnommenen Teils des Nervus suralis (Demyelinisierung? Axonale Schädigung?) erfolgen.

Naturheilkundliche Therapieansätze

Eine unter Umständen zugrunde liegende Erkrankung sollte so gut wie möglich behandelt werden. Ursächliche Noxen müssen ausgeschaltet werden. Gleichzeitig – oder wenn keine Grundkrankheit diagnostiziert wird – sollte man versuchen, die Beschwerden durch naturheilkundliche und ggf. medikamentöse Maßnahmen so gut es geht zu lindern.

Hydro- und Thermotherapie

Die mildeste Form, um die Durchblutung anzuregen und einen Reiz auf die Nervenrezeptoren auszuüben, ist das Trockenbürsten. Ein Igelball, Sandbäder oder Klopfungen wirken ähnlich.

Intensiver sind tägliches Wassertreten nach Kneipp oder kalte Unterschenkelgüsse, die ebenfalls die Durchblutung verbessern. Ansteigende Teilbäder mit allmählich steigenden Temperaturen dienen genauso der Gefäßerweiterung. Entweder können sie lokal an den am häufigsten betroffenen Unterschenkeln angewandt werden oder auch als Armbäder, um die konsensuelle Fernwirkung auszunutzen. Je nach Befund können auch Vollbäder mit Zusatz von Fichtennadeln oder Heublumen zum Einsatz kommen. Lehmpackungen (Heilerde) wird auch bei Neuralgien ein schmerzlindernder und antiphlogistischer Effekt zugesprochen. Man sollte sie täglich anwenden [7]. Allgemein ist bei einer Polyneuropathie die Hydro- und Thermotherapie dann indiziert, wenn noch eine ausreichende Durchblutung gewährleistet ist. Zu intensive Warm- bzw. Heißanwendungen sollten wegen möglicher Gewebeschäden aufgrund des nicht verspürten Hitzereizes bei einer sensiblen Polyneuropathie und bei höhergradigen Durchblutungsstörungen vermieden werden. Analog können zu intensive, nicht wahrgenommene Kaltreize zu Erfrierungen führen.

Die Sauna stellt einen intensiven thermischen Wechselreiz für die Haut dar. Sie wirkt auch schmerzlindernd und umstimmend am vegetativen Nervensystem, setzt aber eine Belastbarkeit von mindestens 75 Watt und eine ausreichende Durchblutung voraus.

Ein besonders starker Reiz ist ein für nur wenige Sekunden durchgeführtes Eisbad der Füße. Eine ausreichende Durchblutung und Sensibilität sind Voraussetzung. Diese Anwendung sollte nur unter Aufsicht durchgeführt werden. Zur Kontrolle ist es üblich, dass der Behandler immer die eigene Hand mit in das Wasser eintaucht, um Kälteschäden zu vermeiden.

Eine andere Variante eines intensiven Kaltreizes ist die lokale Kaltlufttherapie, die aber an bestimmte Physiotherapie-Einrichtungen gebunden ist. Sie kann – wiederum eine gute Durchblutung vorausgesetzt – zur Behandlung brennender Schmerzen an den Unterschenkeln versucht werden.

Ernährung und Vitamine

Ein Ziel der Ernährungsberatung ist es, extreme Diäten mit einem resultierenden Vitamin- und Mineralmangel zu vermeiden. Sinnvoll ist eine ovolaktovegetabile vollwertige Kost. Dabei werden chronische Entzündungsprozesse auch durch eine Reduktion von tierischen Produkten eingedämmt. Der Blutzucker sollte durch Ernährung und Bewegung so gut wie möglich eingestellt werden, toxische Einflüsse (Alkohol) sind zu meiden. Eine Umstellung des Stoffwechsels in Richtung einer basischen Ernährung kann sich ebenfalls positiv auswirken, z. B. sind Kartoffeln, Gemüse und Obst gute Basenlieferanten.

Die Motivation zur Ernährungsumstellung kann oft durch ein ärztlich oder zumindest durch einen Fastenleiter überwachtes einleitendes Heilfasten gesteigert werden. Heilfasten kann auch der Einstieg in eine Stoffwechselnormalisierung bei bestehendem Diabetes sein. Auch das erfordert eine ärztliche Begleitung, da ggf. die Insulin- und übrige Medikamentendosierung angepasst werden muss. Eine gute Eisenversorgung kann durch den gemeinsamen Verzehr von Eisen- und Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse erreicht werden. Schwarzer Tee hemmt die Eisenresorption und sollte daher nicht zu den Mahlzeiten genossen werden [7].

Häufig besteht bei einer diabetischen Polyneuropathie ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), weshalb Patienten mit gesicherter Diagnose oft mit Benfotiamin behandelt werden [10]. Nicht nur ein Vitamin-B1-, auch ein Vitamin-B12- oder Folsäuremangel sollten ausgeglichen werden. Ebenso ist die Gabe von Alpha-Liponsäure (ein Koenzym, u. a. mit antioxidativen Effekten) üblich.

Die Ursache eines Vitaminmangels ist nicht immer in der Ernährung zu suchen. In der modernen Medizin führt nicht selten eine längerfristige Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer zumindest zu einem Vitamin-B12-Mangel und dadurch zu einer Neuropathie. Im Einzelfall kann auch ein Vitamin-B6-Mangel zu einer Neuropathie beitragen. Das betrifft z. B. Patienten mit Absorptionsstörungen oder extremen Diäten zur Gewichtsabnahme. Raucher haben ebenfalls eine schlechtere Vitamin-B6-Versorgung. Bei künstlicher Zufuhr von Vitamin B6 sollte eine Überdosierung mit evtl. nachfolgender sensibler Polyneuropathie als Nebenwirkung vermieden werden. Diese tritt aber nach gegenwärtigem Wissensstand nur auf, wenn über Monate oder Jahre extrem hohe Dosen von 500 mg oder mehr eingenommen wurden, wie das z. B. bei Bodybuildern beobachtet wurde. Dosen bis 100 mg/Tag gelten als unbedenklich [1].

Mitunter wird auch Glutathion als „Radikalfänger“ eingesetzt. Experimentell kamen im Frühstadium einer diabetischen Polyneuropathie Wachstumsfaktoren zur Anwendung. Spezielle Schmerzmittel gegen „neuropathische“ Schmerzen sind trotz der vielfältigen beschriebenen Therapieansätze oft nicht zu vermeiden.

Ordnungstherapie

Hierzu gehört allgemein eine individuelle Diskussion über Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum etc. Da chronischer Stress auch die Schmerzverarbeitung beeinflusst, können im Einzelfall Entspannungsverfahren, Yoga oder vergleichbare Maßnahmen indiziert sein. Akupunktur ist in ähnlicher Weise wirksam.

Phytotherapeutische Präparate

Vorrangig geht es bei der symptomatischen Therapie um eine Beeinflussung der oft quälenden Schmerzen. Die Chronizität erfordert eine Dauerbehandlung, die das Risiko von pharmakologischen Nebenwirkungen erhöht. Jedoch sind auch Phytotherapeutika nicht ohne Nebenwirkungen, was man bei der Therapie beachten sollte.

Hinzu kommt, dass viele pflanzliche Präparate ihre volle Wirkung erst nach ca. 6 Wochen entfalten, was Geduld beim Patienten erfordert. Häufig kommen Teufelskrallen-Präparate zum Einsatz, wobei deren Wirkstärke nicht immer ausreicht. Ein Ziel kann jedoch sein, die Dosis konventioneller Schmerzmittel zu reduzieren. Über mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen sollte der Patient informiert werden, wobei Apotheker oft gute Ratgeber sind.

Zur äußeren Anwendung kommen z. B. Aconit-Nervenöl, Nelken-, Rosmarin- oder Minzöl infrage. Johanniskraut-Rotöl und Einreibungen mit capsaicinhaltiger Salbe (Chili- oder Paprikaschoten; botanisch korrekter eigentlich „Beeren“) oder Cayennepfeffer werden ebenfalls empfohlen. Senfmehl-Fußbäder, die wegen des gestörten Empfindens nicht heiß zubereitet werden sollten, wirken ähnlich, sollten aber vorsichtig und nur nach Anleitung angewendet werden.

Bewegungstherapie und Krankengymnastik

Ein Ziel einer Bewegungstherapie ist die Besserung der Ausdauer und einer möglichen Muskelschwäche. Das kann durch Trainingstherapie, selbstständiges Walking, Geräte- oder Ergometertraining und Bewegungsbäder erreicht werden. Bewegungstherapie verbessert auch eine diabetische Stoffwechsellage sowie die Durchblutung. Ein physiotherapeutisch angeleitetes gezieltes Training geschwächter Muskelgruppen ist je nach Befund angezeigt. Die sog. „Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitationstherapie“ (PNF) dient ebenfalls zur Stärkung einer geschwächten Muskulatur [7]. Es handelt sich dabei um eine spezifische Stimulation der Propriozeptoren zur komplexen Aktivierung von Muskelketten. Ziele einer Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage (z. B. nach dem Bobath-Konzept) sind eine günstige Beeinflussung der Oberflächen- und Tiefensensibilität und eine „Bahnung“ im Zentralnervensystem. Derartig spezielle krankengymnastische Techniken setzen einen entsprechend ausgebildeten Therapeuten voraus.

Bestehen fortgeschrittene Gangstörungen oder gravierendere (insbesondere motorische) Ausfälle, kann eine physio- oder ergotherapeutische Gangschulung indiziert sein. Ebenfalls kann eine Hilfsmittelversorgung wie Fußheberorthesen, orthopädischen Schuhen, einem Gehstock oder Rollator erforderlich sein.

Funktionelle Störungen an der Wirbelsäule können durch Krankengymnastik, manualtherapeutische Techniken oder mit einer befundorientierten Physiotherapie behandelt werden. Übungen auf dem Kreisel oder eine Gangschulung auf weicher Unterlage zur Gleichgewichtsschulung sind bei Unsicherheit oder Schwindel angezeigt.

Seit einigen Jahren kommen auch Geräte zum Vibrationstraining zum Einsatz. Bekannt sind sie vor allem unter dem Namen „Galileo“ (USA: „Vibraflex“). Ganz neu ist die Idee nicht, denn schon Ende des 19. Jahrhunderts hat man mit einem vibrierenden Stuhl zur Behandlung des M. Parkinson experimentiert. In den 1960er Jahren versuchte man in Deutschland „zyklische Oszillationen“ [3], in den 1970er Jahren propagierte Wladimir Nasarow in der damaligen Sowjetunion die „biomechanische Stimulation“ (BMS) als Teil der Trainingstherapie. Beim Vibrationstraining vibriert eine Platte sowohl vertikal als auch horizontal, die Frequenz und die Intensität lassen sich variieren und sollen unterschiedliche Wirkungen haben. Es wird beschrieben, dass sich die Leistungsfähigkeit der Muskulatur und die Koordination verbessern [2], [5]. Hinzu kommen eine Verbesserung des Blutzuckers bei Diabetes mellitus und eine Prophylaxe einer Osteoporose nach Immobilisation. Bei einer Polyneuropathie wird man als Therapieziel eine erhöhte Sicherheit und Sturzprophylaxe im Blick haben. Die Verträglichkeit des Geräts kann man nur durch eine Probebehandlung erkennen.

Ein Posturomed-Training ist ebenso wie Übungen auf dem Kreisel oder eine Gangschulung auf weicher Unterlage insbesondere bei Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen zur Gleichgewichtsschulung angezeigt. Dadurch wird auch das Sturzrisiko gesenkt. Diese Therapie wurde Mitte der 1990er Jahre entwickelt. Vorläufer war ein ähnliches Gerät, das aus einer schwingungsfähigen Platte bestand. Es sollte hinter einem Rednerpult montiert werden, um dem Redner einen entspannten Vortrag zu ermöglichen. Der wichtigste Bestandteil ist auch heute noch eine schwingend aufgehängte Bodenplatte. Die zum Erzielen der Standsicherheit erforderlichen kleinen Muskelanspannungen können zu einer erhöhten Stabilität und Sicherheit führen.

Eine Variante der Bewegungstherapie ist das Laufen auf unterschiedlichen Unterlagen wie Rasen, Fußmatten mit Noppen oder verschiedenen Teppichen. In Kur- oder Reha-Einrichtungen ist dies oft als Parcours gestaltet. Dadurch sollen die Afferenzen an der Fußsohle geschult werden. Eine Steigerungsstufe besteht darin, dass man das Training mit geschlossenen Augen absolviert.

Zur Verbesserung der Ausdauer helfen Walking, Geräte- oder Ergometertraining bzw. ein Laufband sowie Bewegungsbäder. Eine am Befund orientierte Krankengymnastik bei stärkerer Beteiligung des motorischen Systems dient dem Krafttraining und dem Erhalt der Beweglichkeit.

Weitere Möglichkeiten der Physiotherapie

Physikalische Verfahren können nach Mayer u. Siems [9] unter verschiedenen Zielstellungen eingesetzt werden:

  • Sensibilitätsverbesserung

  • Schulung der Feinmotorik

  • Zuwachs an Kraft

  • verringertes Sturzrisiko

  • verbessertes Gangbild

  • verbesserte Durchblutung

  • Erhöhung der Ausdauer

  • Schmerzlinderung

Folgende Therapien sind bei einer Polyneuropathie denkbar:

Massagen bewirken oft eine Umstellung im vegetativen Nervensystem und können die Durchblutung reflektorisch beeinflussen. Beispielhaft kann dafür die Bindegewebsmassage genannt werden. Diese Massage wird besonders im Bereich der Nervenaustritte – z. B. paravertebral der Lendenwirbelsäule – angewandt. Ebenfalls segmental appliziertes Schröpfen kann ähnlich wirken.

Ein weiterer Versuch zur segmentalen Beeinflussung ist die Anwendung einer „Nadelreizmatte“, die unter verschiedenen Namen im Handel ist. Diese Therapie stammt ursprünglich aus der fernöstlichen und ayurvedischen Medizin. Etwa 1200 kleine, auf einer Unterlage befestigte Plastikstacheln reizen beim Liegen auf der Matte die Haut. Durch den nur geringen Druck auf einem einzelnen „Stachel“ kommt es zu keinen Verletzungen, man sollte die Nadelreizmatte allerdings nicht bei lokalen Hautveränderungen anwenden. Im Übrigen kann diese Therapie problemlos zu Hause zum Einsatz kommen und dafür eine Matte im Sanitätshaus erworben werden.

Beliebt ist die Fußreflexzonenmassage, die aber i. d. R. keine Kassenleistung ist. Zwar gibt es Untersuchungen zu spezifischen Wirkungen, aber insgesamt ist ihr Wirkmechanismus noch immer unklar.

Auch die kraniosakrale Therapie ist keine Kassenleistung, kann aber mit in die Behandlung einbezogen werden. Die Grundlagen dieser Technik sind umstritten.

Weit verbreitet war bis vor 20 oder 30 Jahren die Elektrotherapie einer Polyneuropathie besonders mit Zwei- oder Vierzellenbädern. Unterschenkel und/oder Unterarme werden dabei gezielt mit Gleichstrom im Wasser behandelt. Durch den elektrischen Reiz versucht man, die Empfindlichkeit der Rezeptoren zu verbessern oder je nach Polung Schmerzen zu lindern. Da durch das Wasser eine großflächige Anwendung des Stromes gegeben ist, werden mögliche Hautirritationen, wie sie unter örtlichen Elektroden infolge der Sensibilitätsstörungen auftreten könnten, vermieden. Ähnlich wirkt das hydrogalvanische Vollbad (Stangerbad), sofern man einen Anbieter für dieses Verfahren findet.

Für zu Hause kann zur Schmerzbehandlung ein TENS-Gerät verordnet werden. Dessen Leistung ist i. d. R. so begrenzt, dass Hautschäden durch eingeschränkte Sensibilität kaum befürchtet werden müssen. Oft wird eine segmentale Applikation im Bereich der Nervenwurzeln bevorzugt. Dort – also paravertebral – kann mit dem gleichen Ziel auch Ultraschall in einer physiotherapeutischen Einrichtung appliziert werden. In Einzelfällen können auch spezielle Elektrotherapiegeräte für die Behandlung von Paresen für den Hausgebrauch verordnet werden.

Eine Neuentwicklung der letzten Jahre ist die sog. „Hochtontherapie“, für die Behandlungserfolge bei der diabetischen Polyneuropathie beschrieben wurden. Höhere Elektrotherapie-Frequenzen sollen die Muskulatur in der Tiefe stimulieren. Möglicherweise beruht die Wirkung auf einer Verbesserung der mikrovaskulären Endothelzellfunktion [4], [8]. Bei der diabetischen Polyneuropathie sollen die Behandlungserfolge deutlich höher liegen als bei konventionellen Verfahren. Es werden 3 Sitzungen pro Woche für jeweils 30 Minuten über einen längeren Zeitraum empfohlen. Von den Krankenkassen wird dieses Verfahren bisher nur in Ausnahmefällen erstattet.

Wie stets in der Medizin gibt es auch bei den physikalischen Maßnahmen spezifische Kontraindikationen, die beachtet werden müssen. So gelten Metallimplantate oder Herzschrittmacher für die meisten Verfahren der Elektrotherapie als Gegenanzeigen. Bei einer Marcumarisierung sind wegen der Gefahr von Hämatomen intensivere Massagen oder Schröpfen zu meiden. Vollbäder – also auch Stangerbäder – belasten durch die Blutumverlagerung infolge des hydrostatischen Wasserdrucks deutlich das Herz, was bei einer Herzinsuffizienz berücksichtigt werden sollte. Auf die Gefahren zu intensiver Warm- oder Kaltanwendungen wurde bereits hingewiesen.

Physikalische Maßnahmen wirken bei der Einzelanwendung meist anders als bei einer Serie. Oft lassen sie sich mit Phytotherapie, Akupunktur oder natürlich mit klassischen Medikamenten kombinieren. Es ist schon ein Therapieerfolg, wenn man die Medikamentendosis von konventionellen Schmerzmitteln reduzieren kann.

Die Heilmittelverordnung kann zu Lasten der GKV auch bei einer Polyneuropathie leider nur in festgelegten Grenzen erfolgen. Der Heilmittelkatalog 2021 [6] weist dazu als „vorrangige Heilmittel“ aus: Krankengymnastik (KG), „KG Gruppe“, „KG im Bewegungsbad“, „KG im Bewegungsbad Gruppe“. Als „ergänzende Heilmittel“ werden genannt: Wärme-, Kälte-, Elektrotherapie und Elektrostimulation. Als Höchstmenge gelten bis zu 10 × /Verordnung, als „orientierende Behandlungsmenge“ bis zu 30 Einheiten bei einer Behandlungsfrequenz von 1–3 × /Woche. Prinzipiell ist es möglich, einen langfristigen Heilmittelbedarf gemäß § 32 Abs. 1a SGB V geltend zu machen. Dass mit diesen Reglementierungen nicht alle Möglichkeiten der Naturheilkunde und der physikalischen Therapie erfasst sind, dürfte außer Frage stehen, jedoch ist das ein generelles Problem und nicht auf die Behandlung von Polyneuropathien beschränkt.

Verkompliziert wird die Situation gerade bei den physikalischen Therapien, weil es durch die derzeitige Favorisierung aktiver Therapien im Einzelfall schwierig sein wird, eine Einrichtung zu finden, die die empfohlenen Maßnahmen auch durchführt. Es bleibt aber noch eine Reihe von Verfahren, die der Patient nach entsprechender Anleitung in Eigenregie zu Hause anwenden kann.

Fußpflege

Bei einer häufig die Füße betreffenden sensiblen Polyneuropathie (z. B. durch Diabetes) ist meist eine regelmäßige und fachgerechte Fußpflege anzuraten. Kleine Wunden können sonst bei fehlendem Empfinden leicht übersehen werden. Eine tägliche Selbstuntersuchung, evtl. mit Unterstützung der Angehörigen, umfasst das Suchen nach Druckstellen, Rötungen, Blasen und Wunden. Als Hilfsmittel hat sich dabei ein kleiner Spiegel (z. B. Schminkspiegel) bewährt. Die Schuhe sollten passen und ausreichend Bewegungsfreiheit für die Füße gewährleisten, so dass keine Druckstellen entstehen.

Ergänzende Verfahren

Die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred von Ardenne ist kein klassisch physikalisches Verfahren und wird kontrovers diskutiert. Bei dieser Therapie wird versucht, die Stoffwechselsituation im peripheren Gewebe durch Bewegung sowie die Gabe von Sauerstoff, Vitaminen, Radikalfängern, durchblutungsverbessernden Präparaten und Magnesium günstig zu beeinflussen. In den letzten Jahren scheint die Therapie weniger gefragt zu sein, außerdem ist sie keine Kassenleistung.

Die Homöopathie verfolgt ebenso wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) einen eigenen Ansatz, wird aber vielfach den Naturheilverfahren zugerechnet. Der bekannteste Therapiebaustein der TCM ist sicher die Akupunktur. Ebenfalls zur TCM gehören Tuina-Massage, Qi-Gong, traditionelle chinesische Medikamente und auch eine spezielle Diät mit weitgehendem Verzicht auf Milchprodukte und leichtem Essen am Abend. Bei Anwendung der Kräutermedizin sollte die Herkunft der Kräuter (mögliche Belastung mit Schwermetallen oder anderen Umweltgiften) bekannt sein.

Bei hoher Schmerzchronifizierung können zusätzliche psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlungen erwogen werden.

Rainer Brenke
Internist, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 Aue K. Ernährung aktuell. Dt Apotheker Z 2008; 14: 94

Bautmans I, van Hees E, Lemper JC. et al. The feasibility of whole body vibration in institutionalised elderly persons and its influence on muscle performance, balance and mobility: A randomised controlled trial. BMC Geriatr 2005; 5: 17

Biermann W. Influence of cycloid vibration massage on trunk flexion. Am J Phys Med 1960; 39: 219-224

Büttner W. Hochtontherapie. Köln: HTC HITOP Center; 2011. Im Internet: http://www.hochtontherapie-koeln.de/6.html (Stand: 08.10.2021)

5 Cheung WH, Mok HW, Qin L. et al. High-frequency whole-body vibration improves balancing ability in elderly women. Arch Phys Med Rehabil 2007; 88 (07) 852-857

6 Heilmittelkatalog 2021. Ludwigsburg: IntelliMed; 2021

7 Heroven-Huntemann A. Neurologische Erkrankungen. In: Beer A-M, Adler M. Hrsg. Leitfaden Naturheilverfahren für die ärztliche Praxis. München: Urban & Fischer; 2012: 557-574

8 Humpert PM. Hochfrequente Muskelstimulation zur Behandlung schmerzhafter Neuropathie bei Typ-2-Diabetikern verbessert die mikrovaskuläre Endothelzellfunktion. Diabetol Stoffw 2006; 1 DOI: 10.1055/s-2006-943853.

Mayer C, Siems W. 100 Krankheitsbilder in der Physiotherapie. Heidelberg: Springer; 2011

10 meinDiabetes. Neueste Erkenntnisse der PROTECT-2-Studie. Der Neuropathie auf der Spur. Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?. 25.05.2017