EndokrinologieSelen und Jod bei Hashimoto-Thyreoiditis

Jod ist für die Schilddrüse essenziell. In neuester Zeit richten sich die Forschungen zunehmend auf den Selenhaushalt, denn auch Selen wird in der Schilddrüse gezielt aufgenommen und verarbeitet.

Schilddrüse, Thyreoiditis, Hashimoto, Frau
Axel Kock/stock.adobe.com

Schilddrüsenentzündungen treten häufiger bei Frauen als bei Männern auf.

von Lutz Schomburg

Inhalt

Vorbemerkungen

Warum gerade Selen und Jod als relevante Mikronährstoffe?

Zusammenhang von Jodmangel, Jodsupplementation und Thyreoiditis

Zusammenhang von Selenmangel, Selensupplementation und Thyreoiditis

Supplementation von Selen und Jod bei bestehender Thyreoiditis

Zusammenfassung

Literatur

Vorbemerkungen

Unter der Hashimoto-Thyreoiditis versteht man eine entzündliche Erkrankung, die durch eine Infiltration des Schilddrüsengewebes durch Lymphozyten gekennzeichnet ist. Es werden zwar auch Autoantikörper gebildet und gemessen (hauptsächlich gegen die Thyreoperoxidase [TPO] und Thyreoglobulin), diese sind aber eher Indikatoren des Erkrankungsrisikos bzw. der Erkrankungsaktivität, nicht aber die Ursache. Die in die Schilddrüse invadierenden Lymphozyten zerstören zunehmend die Gewebestruktur und führen langfristig zur Hypothyreose. Diese muss mit Schilddrüsenhormonen therapiert werden, um sowohl die psychische als auch die metabolische Balance zu erhalten bzw. wiederzugewinnen. Sowohl in der Prävention als auch während der Hormonsubstitution bedarf es der ausreichenden Versorgung mit den essenziellen Spurenelementen Selen und Jod, um die ggf. gestörte Interaktion der Immunzellen mit den Thyreozyten nicht zu aggravieren.

Die Hashimoto-Thyreoiditis nimmt einen sehr individuellen Verlauf. Er kann sich zwischen 2 Betroffenen deutlich unterscheiden in Bezug auf

  • initiale Beschwerden (Ausmaß der Freisetzung vorgefertigter Hormone mit transienter Hyperthyreose und Struma),
  • den Verlauf (schleichende oder rapide Einschränkung der Schilddrüsenfunktion, mit entsprechenden Effekten auf Körpergewicht, psychisches Befinden, ggf. Haarausfall und weitere Symptome) und
  • der benötigten Therapie (Hormonsubstitution und Anpassungsbedarf).

Diese Vorbemerkungen sollen verdeutlichen, dass es nicht die Hashimoto-Thyreoiditis gibt, sondern sich hinter diesem Begriff ein vielschichtiges, dynamisches und individuelles Krankheitsgeschehen verbirgt. Dieses bedarf auch in der Therapie einer personalisierten Betreuung und nicht jedes Studienergebnis oder jede individuelle Erfahrung lässt sich für alle Patienten gleichermaßen verallgemeinern.

Warum gerade Selen und Jod als relevante Mikronährstoffe?

Jod

Diese Frage lässt sich für Jod eindeutig dahingehend beantworten, dass es einen Bestandteil der Schilddrüsenhormone darstellt. Wäre es in unserer Ernährung ausreichend vorhanden, wie es der Fall bei vielen anderen Nährstoffen ist, so würde diesem Faktum keine besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden. Da es aber in der normalen Ernährung ein oft limitierendes Spurenelement darstellt, wird die durchschnittliche Jodaufnahme und der Jodstatus unserer Bevölkerung regelmäßig geprüft und bewertet, auch wenn es hierbei analytische Hürden und Unklarheiten gibt. Die eindeutige Korrelation von Jodmangel mit Strumaprävalenz ist unbestritten. In vielen Ländern konnte ein Rückgang von Schilddrüsenerkrankungen mit populationsweiter Jodmangelprophylaxe nachgewiesen werden. Das zeigen die Erfahrungen aus so unterschiedlichen Ländern wie Dänemark, China, Australien oder Südafrika.

Allerdings können diese bevölkerungsweiten Langfristeffekte nicht unkritisch auf jedes Individuum jeden Alters und mit jeder Vorerkrankung extrapoliert werden. Solche Ergebnisse stellen den Durchschnitt dar, hinter dem sich viele Einzelbefunde verbergen. Dennoch sollte angesichts der derzeitigen Datenlage  in Deutschland eine höhere Jodversorgung und verbesserte diätetische Deckung des Jodbedarfs angestrebt werden, um gerade bei Kindern und Jugendlichen, bei einseitiger oder vegetarischer Ernährung, bei chronischer Erkrankung oder in der Schwangerschaft eine ausreichende Zufuhr sicherzustellen. Die tendenziell unzureichende Versorgung zeigt sich immer noch in der relativ hohen Rate an Jodmangelstrumen in unserer Bevölkerung.

Auf der anderen Seite besteht das Risiko einer Überversorgung und Jodvergiftung, wenn hochdosierte Präparate genutzt und unreflektiert supplementiert werden, und wahrscheinlich besonders dann, wenn eine übermäßig hohe Jodzufuhr auf einen Mangel anderer relevanter Mikronährstoffe, z. B. Selen, trifft. Aber die Evolution hat Mechanismen entwickelt, um die Auswirkungen einer unzureichenden oder übermäßigen Jodzufuhr abzumildern. Beim Mangel wird die Ausscheidung reduziert und sowohl Rückgewinnung als auch Recycling stimuliert, während bei akuter Überversorgung die Aufnahme in die Schilddrüse und die dortige Verwendung zur Hormonsynthese reduziert werden (akuter Wolff-Chaikoff-Effekt) und parallel die Ausscheidung ansteigt. Diese Schutzmechanismen wirken bei erkrankter Schilddrüse nur noch in begrenztem Ausmaß.

Auf Basis der derzeitigen Datenlage sollten in Deutschland eine höhere Jodversorgung und eine verbesserte diätetische Deckung des Jodbedarfs angestrebt werden.

Selen

Die Vorbemerkungen zur unzureichenden Jodversorgung können uneingeschränkt auch auf Selen übertragen werden. Wie Jod wird auch Selen in die Schilddrüse gezielt aufgenommen und akkumuliert im Gewebe, da es für die Biosynthese der Schilddrüsenhormone und die Kontrolle des Hormonmetabolismus essenziell ist. Ebenfalls wie Jod findet sich auch Selen nur in unzureichender Menge in unseren Böden und pflanzlichen Agrarprodukten, wird aber in der Tierernährung zugesetzt. Allerdings korreliert der Selenmangel nicht direkt mit einem sichtbaren Phänotyp (z. B. Struma mit Jodmangel), sondern zeigt seine medizinische Bedeutung erst in großen Querschnittsanalysen und Supplementationsstudien.

Historisch gesehen stellte die Aufklärung des kombinierten Selen- und Jodmangels als Ursache des myxödematösen Kretinismus einen Meilenstein dar, da sich der schwere Entwicklungsphänotyp deutlich vom reinen Jodmangel-Kretinismus unterscheidet und so die überragende Bedeutung beider Spurenelemente für die Schilddrüsenfunktion offenbarte [1]. Interessanterweise beobachtete man bei der Korrektur der Defizite, dass die isolierte Verbesserung des Selenstatus zu einer Verstärkung des Phänotyps und der Hypothyreose führte, da es hierbei über eine erhöhte Biosynthese der selenabhängigen Dejodaseenzyme zu verstärktem Hormonmetabolismus, erhöhter Jodabspaltung und vermehrter Jodidausscheidung kam. Insofern sind beide Mikronährstoffe essenziell, und erst die parallele Korrektur beider Spurenelementdefizite war für die Therapie entscheidend.

Diese zentrale Bedeutung des Selens für die Schilddrüse wird in unserer Gesellschaft unter mildem Selen- und Jodmangel nicht anhand der zirkulierenden Schilddrüsenhormone beobachtet. Sie zeigt sich eher in positiven Effekten auf die schilddrüsenspezifischen Autoantikörper und das psychische und metabolische Wohlbefinden. Zudem dürfte ein korrigierter Selenstatus die intrazelluläre Hormonwirkung positiv beeinflussen und darüber relevante metabolische und zentralnervöse Effekte vermitteln, die sich in vielen Studien als eine Verbesserung der Lebensqualität darstellten.

Wie beim Jod auch müssen viele Bundesbürger (wie generell ein Großteil der Europäer, Asiaten und Afrikaner) als unzureichend mit Selen versorgt angesehen werden, wohingegen aufgrund besserer Bodenqualität die meisten Nordamerikaner einen guten Selenstatus aufweisen. Dieser grundlegende Unterschied bedingt, dass klinische Studien zur Bedeutung von Selen in Europa und den USA selten vergleichbare Ergebnisse liefern. Ebenfalls wie beim Jod ist auch beim Selen eine Überversorgung nur durch aktive hochdosierte und übertriebene Supplementation erreichbar. Dies wurde eindrücklich in einer US-amerikanischen Studie dargelegt, in der Präparate mit fehlerhafter und 100-fach erhöhter Selendosierung eingenommen wurden [2]. Bei der Verwendung selenreicher Nahrungsmittel und gut kontrollierter Supplemente in der empfohlenen Dosierung (bis zu 200 Mikrogramm pro Tag zusätzlich zur normalen Mischernährung) werden keine negativen Nebenwirkungen beobachtet.

Viele Bundesbürger müssen als unzureichend mit Selen versorgt angesehen werden.

Zusammenhang von Jodmangel, Jodsupplementation und Thyreoiditis

Eine Reihe von Studien zeigt, dass ein ausgeprägter Jodmangel mit einer höheren Prävalenz von Schilddrüsenerkrankungen und dem Auftreten von Schilddrüsenentzündungen assoziiert ist. Zusätzlich kann durch den Mangel eine Struma induziert werden: Die Schilddrüse wird übermäßig aktiviert und das Risiko für Schilddrüsenknoten mit autonomer Hormonproduktion steigt. Insofern ist ein ausgeprägter Jodmangel ein vermeidbares Risiko für die Schilddrüse. Allerdings gewöhnt sich ein Organismus an eine schlechte Versorgung. Es gibt Berichte, die eine erhöhte Inzidenz von Thyreoiditis nach moderater bevölkerungsweiter Jodsupplementation darlegen, z. B. aus Dänemark [3].

Eine großangelegte longitudinale Querschnittsstudie von ca. 80 000 erwachsenen Chinesen hat die Entwicklung von TPO-Autoantikörpern in der Bevölkerung in Bezug auf die seit 20 Jahren praktizierte landesweite Jodierung des Speisesalzes untersucht. Autoantikörper und Schilddrüsenerkrankungen zeigten die Tendenz zu reduzierter Prävalenz bei höherer Jodaufnahme [4]. Dieser Zusammenhang erscheint allerdings nicht linear, sondern U-förmig, sodass eine über das benötigte Maß hinausgehende Jodaufnahme wiederum das Auftreten verschiedener Schilddrüsenerkrankungen fördern kann. Das gilt sowohl für gesunde wie auch für bereits an der Schilddrüse erkrankte Personen.

Jede Thyreoiditis ist eine individuelle Erkrankung mit unterschiedlicher Aktivität, Lymphozytenbesiedelung und unterschiedlichem Restfunktionsgewebe, und kann anders auf eine plötzlich einsetzende Jodsupplementation oder übermäßige Jodzufuhr reagieren. Hingegen wirkt ein starker Jodmangel generell stimulierend auf die Thyreozytenaktivität, was ein stabiles Gleichgewicht unmöglich macht. Somit gilt auch für die Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis, dass eine ausgewogene moderate Jodversorgung anzustreben ist und sowohl ein ausgeprägter Mangel als auch eine übermäßige Zufuhr vermieden werden muss.

Die richtige Joddosierung stellt sich aber als ein Balanceakt dar, wie die nautische Herausforderung des Odysseus, zwischen Skylla und Charybdis hindurchzusegeln, ohne Schaden zu nehmen [3]. Denn die therapeutische Breite des Jods bei der Hashimoto-Thyreoiditis erscheint eher gering und individuell. Eine ausgewogene Ernährung ggf. in Kombination mit moderater Supplementation im Gegensatz zu hochdosierten Supplementen stellt deshalb wohl die beste und sicherste Art der Jodzufuhr dar.

Jede Thyreoiditis ist eine individuelle Erkrankung und kann anders auf eine plötzlich einsetzende Jodsupplementation oder übermäßige Jodzufuhr reagieren.

Zusammenhang von Selenmangel, Selensupplementation und Thyreoiditis

Ein direkter Zusammenhang von niedrigem Selenstatus mit vergrößerter Schilddrüse und vermehrter Knotenbildung konnte in mehreren großen epidemiologischen Studien beobachtet werden. In Zusammenarbeit mit chinesischen Kollegen konnten wir auch zeigen, dass eine chronisch geringe Selenaufnahme mit erhöhter Prävalenz von Strumabildung, Hypothyreose und Thyreoiditis assoziiert ist [5].

In einigen Ländern werden bereits systematische bevölkerungsweite Programme zur Verbesserung des Selenstatus durchgeführt, z. B. in den Selenmangelgebieten in China oder auch in unserer Nachbarschaft, in Finnland. Dort ist seit 1984 der Mineraldünger in der Landwirtschaft systematisch mit Selen angereichert, sodass über die Pflanzen die Agrarprodukte und schließlich auch die Menschen als Konsumenten einen guten Selenstatus entwickeln und aufrechterhalten. Es gibt viele positive Gesundheitseffekte in den letzten Dekaden in Finnland. Leider fehlt aufgrund der bevölkerungsweiten Maßnahme eine geeignete Kontrollgruppe, um die spezifischen Effekte des Selens auf die Schilddrüse und generelle Gesundheit wissenschaftlich erfassen zu können.

Supplementation von Jod und Selen bei bestehender Thyreoiditis

Für die Prophylaxe ist der Zusammenhang einer guten Mikronährstoffversorgung mit dem Erkrankungsrisiko eindeutig: Ein ausgeprägter Jodmangel bzw. eine schlechte Selenversorgung sind mit Struma und dem Auftreten von Schilddrüsenentzündungen assoziiert und sollten bevölkerungsweit und individuell vermieden werden.

Leider ist die entsprechende Diagnostik nicht trivial, da für den Jodstatus verschiedene Stichproben von 24-Stunden-Urin analysiert und für Selen das Selentransportprotein Selenoprotein P (SELENOP) erfasst werden sollte. Eine verbesserte Analytik wäre hier wünschenswert. Bis dahin gilt die dringende Empfehlung, einen Mangel unbedingt und prophylaktisch zu vermeiden, die Mahlzeiten vielseitig zu gestalten und ggf. zusätzlich ein Supplement einzusetzen.

Die therapeutische Breite, also die Spanne hin zur toxischen Übersupplementierung, sind sowohl bei Jod als auch bei Selen individuell uneinheitlich und offenbar bevölkerungsspezifisch. Dies zeigt sich z. B. in den sehr divergierenden Angaben zur tolerablen Menge der Aufnahme (UL, Upper Tolerable Intake Level), die sich für Jod zwischen Europa, den USA und z. B. Japan um den Faktor 2–5 unterscheiden (EU 0,6 mg/Tag, USA 1,1 mg/Tag, Japan 3,0 mg/ Tag).

Die Diagnostik des Jod- und Selenstatus ist nicht trivial. Deshalb ist es empfehlenswert, einen Mangel prophylaktisch zu vermeiden, die Mahlzeiten vielseitig zu gestalten und ggf. zusätzlich ein Supplement einzusetzen.

Ebenso ist bekannt, dass die durchschnittliche Selenaufnahme in selenreichen Gegenden der Welt (bestimmte Regionen Chinas, Brasiliens oder Venezuelas) mehr als 10-fach höher sein kann als bei uns (> 400 μg Se/Tag vs. 40–60 μg Se/Tag, die UL liegt bei 800 μg Se/Tag). Diese Angaben mögen verdeutlichen, dass ein gesunder Organismus mit einer mehr als ausreichenden Versorgung zurechtkommen kann.

Eine mangelhafte Zufuhr hingegen wird zwar über vermehrtes Einsparen, Recycling und Vermeidung von Ausscheidung abgemildert; fehlende essenzielle Mikronährstoffe können allerdings nicht im Körper de novo gebildet werden (daher „essenziell“) und verursachen entsprechende Gesundheitsrisiken und Mangelsymptome. Es ist naheliegend, dass dieser grundlegende Zusammenhang auch bei Erkrankung gilt. Wir sollten darauf vertrauen, dass der Organismus sich aus einem ausgewogenen und reichhaltigen Angebot die wichtigen Bestandteile in der benötigten Menge nimmt, aber dabei die Toleranz nach oben und unten nicht überschreiten.

Spurenelemente wirken in komplexen Zusammenhängen, somit gibt es relevante Interaktionen untereinander, und Selen und Jod sind ein geeignetes Beispiel, wie beim myxödematösen Kretinismus eindrücklich beobachtet. Eine gezielte Selenzufuhr kann bei starkem kombiniertem Mangel den bestehenden Jodbedarf graduell erhöhen und die Hormonwirkung im zentralen Nervensystem und der Peripherie verbessern. Entsprechend sind die klinischen Erfahrungen mit einer Selensubstitution nicht einheitlich; ca. die Hälfte der gut geplanten und kontrolliert durchgeführten Studien zeigte positive Effekte (Reduktion der TPO-Autoantikörper, Verbesserung der Lebensqualität und der Schilddrüsenfunktion). Die andere Hälfte der Studien zeigte keine Effekte [6].

Beruhigenderweise treten aber bei den Studien mit Selensupplementen in Dosierungen von 50–200 μg/Tag keine negativen Gesundheitseffekte auf – ganz im Gegenteil:

Aktuelle Studien verweisen auf die Bedeutung eines guten Selenstatus für das Überleben in der Intensivmedizin, bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder sogar bei COVID-19 [7].

Zusammenfassung

Die autoimmunbedingte Thyreoiditis vom Hashimoto-Typ beschreibt ein dynamisches Erkrankungsgeschehen, das sich individuell unterschiedlich darstellt.

Eine ausreichende Jodversorgung ist essenziell und zentral für den Erhalt der Schilddrüsengesundheit, auch für das entzündete Gewebe bei Thyreoiditis. Ein ausgeprägter Jodmangel stellt einen Risikofaktor dar, eine übermäßige Jodzufuhr erscheint aber auch problematisch, besonders bei vorbestehender Prädisposition. Sowohl für die gesunde als auch für die erkrankte Schilddrüse sollte eine ausreichende Grundversorgung mit Jod sichergestellt werden, wie es eine ausgewogene Ernährung zu leisten vermag. Während der Schwangerschaft und Laktation liegt der Bedarf generell höher, denn ungeachtet einer potenziell erkrankten mütterlichen Schilddrüse müssen die Entwicklung und Funktion des wachsenden Organismus über eine zusätzliche Versorgung sichergestellt werden.

Neben dem Jod ist das essenzielle Spurenelement Selen für die Schilddrüse in den Fokus gerückt. Ein chronischer Selenmangel erhöht das Risiko für Hashimoto-Thyreoiditis. Eine moderate Supplementation mit Selenit, Selenomethionin oder anderen selenreichen Präparaten (ca. 50–200 μg Se/Tag) hat bei vielen Patienten positive Gesundheitseffekte. Das Beispiel der Postpartum-Thyreoiditis zeigt, wie bedeutsam es ist, einen starken Selenmangel zu vermeiden. Prädisponierte Frauen mit positiven Autoantikörpern gegen die TPO können ihr Risiko für Postpartum-Thyreoiditis durch eine Selensupplementation deutlich senken. Sollte sich dieser Zusammenhang von Selenmangel und Autoimmunreaktion als generelles Erkrankungsprinzip erweisen, so könnte sich darüber auch ein besseres Verständnis der Effekte von Jodmangelprophylaxe oder Hormonsubstitution bei den Erkrankungen der Schilddrüse entwickeln.

Es wäre deshalb wünschenswert, den Selenstatus in der Prophylaxe, Diagnostik und Therapie systematischer mit einzubeziehen. Sowohl bei Jod als auch bei Selen laufen wir in Deutschland generell Gefahr, nicht ausreichend versorgt zu sein, weshalb eine ausgewogene Ernährung ideal und ggf. eine gezielte moderate Supplementation sinnvoll ist. Das gilt im Besonderen in außergewöhnlichen Umständen, wie bei eingeschränkter Ernährung, in der Schwangerschaft, bei der Thyreoiditis vom Hashimoto-Typ und anderen chronischen Erkrankungen. Denn die Dosis macht die Wirkung (frei nach Paracelsus).

Interessenkonflikt: Lutz Schomburg besitzt Anteile an der Firma selenOmed GmbH, Berlin, die sich mit dem Spurenelement Selen befasst.

Literatur

[1] Vanderpas JB, Contempre B, Duale NL et al. Iodine and selenium deficiency associated with cretinism in northern Zaire. Am J Clin Nutr 1990; 52(6): 1087–1093

[2] Morris JS, Crane SB. Selenium toxicity from a misformulated dietary supplement, adverse health effects, and the temporal response in the nail biologic monitor. Nutrients 2013; 5(4): 1024–1057

[3] Laurberg P, Andersen S, Pedersen IB et al. Prevention of autoimmune hypothyroidism by modifying iodine intake and the use of tobacco and alcohol is manoeuvring between Scylla and Charybdis. Hormones (Athens) 2013; 12(1): 30–38

[4] Teng D, Yang W, Shi X et al. An Inverse Relationship Between Iodine Intake and Thyroid Antibodies: A National Cross-Sectional Survey in Mainland China. Thyroid 2020; 30 (11): 1656–1665. doi: 10.1089/thy.2020.0037

[5] Wu Q, Rayman MP, Lv H et al. Low Population Selenium Status Is Associated With Increased Prevalence of Thyroid Disease. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100(11): 4037–4047

[6] Schomburg L. Selenium, selenoproteins and the thyroid gland: Interactions in health and disease. Nat Rev Endocrinol 2011; 8(3): 160–171

[7] Moghaddam A, Heller RA, Sun Q et al. Selenium Deficiency Is Associated with Mortality Risk from COVID-19. Nutrients 2020; 12(7): 12(7): 2098. doi: 10.3390/nu12072098

[8] Ambroziak U, Hybsier S, Shahnazaryan U et al. Severe selenium deficits in pregnant women irrespective of autoimmune thyroid disease in an area with marginal selenium intake. J Trace Elem Med Biol 2017; 44: 186–191

[9] Negro R, Greco G, Mangieri T et al. The influence of selenium supplementation on postpartum thyroid status in pregnant women with thyroid peroxidase autoantibodies. J Clin Endocrinol Metab 2007; 92(4): 1263–1268

Der Artikel ist erschienen in der Erfahrungsheilkunde 6/2020.

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Lutz Schomburg hat in Hannover Biochemie studiert, am Max-Planck-Institut für Experimentelle Endokrinologie promoviert und dann am Brigham and Women‘s Hospital der Harvard Medical School in Boston als Postdoc gearbeitet. Nach weiteren Stationen in Hannover und Würzburg lebt er derzeit in Berlin und leitet als stellvertretender Direktor das Institut für Experimentelle Endokrinologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Arbeitsgruppe von Prof. Schomburg erforscht die Interaktion von Ernährung, Endokrinopathien und Tumorerkrankungen, mit einem Schwerpunkt auf Spurenelementen, Autoimmunerkrankungen und der Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren.