HeilpflanzenporträtNährstofflieferant Kartoffel: Die tolle Knolle

Die Kartoffel bietet als heimisches Superfood zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Sie eignet sich für krampf- und schmerzlösende Auflagen oder als Saft gegen Sodbrennen.

Kartoffelknollen auf einem Feld frisch geerntet.
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Kartoffelknollen: Sie gehören nicht zur Wurzel der Kartoffelpflanze, sondern sind Sprossknollen.

von Helga Ell-Beiser

Sie trägt Namen wie Linda, Afra und Likaria. Mit ihrem idealen Nährstoffprofil zählt sie zu den gesündesten Grundnahrungsmitteln. Doch die Kartoffel eignet sich auch hervorragend als Wärmespeicher für krampf- und schmerzlösende Auflagen sowie Säure-Basen-Kuren und hat sich deshalb einen festen Platz in der Hausmedizin erobert.

Klangvolle Namen: Erdapfel, Grumbiere und Bauerntrüffel

Die Kartoffel (Solanum tuberosum) ist im deutschsprachigen Raum auch bekannt als Erdapfel, Erdöpfl, Erdbirne, Erdobst, Grundbirne (Grumbeer, Grumbiere), Drummbeere und Bauerntrüffel. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Trüffeln, die wie die Kartoffeln auch in der Erde wachsen, nannte man sie in Italien tartufoli. Dies wurde im Deutschen zu Tartuffeln, was sich später zu Kartoffeln wandelte. Pomme de terre, wie die Kartoffel im französischen genannt wird, entspricht dem deutschen Synonym Erdapfel. Der botanische Name Solanum tuberosum bedeutet so viel wie „knolliger Nachtschatten“.

Botanik: 3000 Kartoffelsorten nur in Peru

Botanisch zählt die Kartoffel zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Dieser gehören nicht nur Nutzpflanzen wie Tomate, Paprika und Aubergine an, sondern auch sehr giftige Vertreter wie Tollkirsche, Bilsenkraut oder Stechapfel. Die Ursprünge des Kartoffelanbaus finden sich in Chile, Peru und Bolivien, wo noch heute zahlreiche Wildkartoffelarten existieren. Aus deren Kreuzungen entwickelten sich die ersten Kulturkartoffeln, die von der Bevölkerung in den Anden angebaut wurden. Allein in Peru existieren noch heute mehr als 3000 verschiedene Kartoffelsorten. Die meisten davon können nur in den Anden angebaut werden, weil sie ausschließlich an die örtlichen klimatischen Bedingungen angepasst sind. Ihre Schalen und Fleischfarben reichen von weiß, gelb und rosa über rot und
blau bis hin zu dunkelviolett. Ebenso variiert die Farbe der Blüten je nach Sorte: weiß, rötlich oder violett. Die Kartoffelknollen gehören nicht zur Wurzel, sondern sind Sprossknollen: Die Enden der unterirdischen Sprossausläufer verdicken sich zu Knollen, die der Pflanze als Stärkespeicher dienen.

Geschichte: Zögerlicher Start in Europa

Die Kartoffel, wie wir sie heute kennen, wird als Kulturpflanze in Südamerika schon seit über 5000 Jahren angebaut. Im Reich der Inkas war sie ein Grundnahrungsmittel und wurde auch als Heilmittel hochgeschätzt. So passte man die religiösen Feste den Pflanz- und Erntezeitpunkten der sogenannten Papas (Knollen) an. Kartoffeln galten als Symbol der Fruchtbarkeit. Auch bei kultischen Handlungen spielten sie eine Rolle: Aus Ton nachgebildete Kartoffeln dienten als Grabbeigabe. Die spanischen Eroberer beschrieben und zeichneten die Kartoffel erstmals 1535. Man vermutet, dass sie etwa 1562 nach
Spanien gelangte. Am Spanischen Hof begegnete man ihr wie auch anderen exotischen Pflanzen der Neuen Welt mit großer Neugier, wobei sie zunächst nur wegen ihrer hübschen Blüten zur Zierde angebaut wurde. Man reichte sie von Fürstenhof zu Fürstenhof weiter und kultivierte sie in botanischen Gärten und Lustgärten. Auch Ärzte, Botaniker und Apotheker zogen Kartoffeln in ihren Gärten. In Deutschland war es der Botaniker Carolus Clusius, der 1589 in Frankfurt die ersten Exemplare auf deutschem Boden kultivierte. In der Medizin galt die Kartoffel als Mittel gegen Impotenz. Als Nahrungsmittel setzte sie sich zunächst jedoch nur zögerlich durch, da es mangels Wissens öfter zu Vergiftungen kam: Man verzehrte giftige Pflanzenteile wie Blätter oder Beeren. Erst der preußische König Friedrich der Große erkannte das Potenzial und förderte ab 1744 den Kartoffelanbau. Angeblich gewann er die skeptische Bevölkerung durch eine List für das neue Nahrungsmittel: Er ließ seine Kartoffelfelder demonstrativ durch Soldaten bewachen, um Diebe abzuhalten. Das machte die Bauern neugierig und motivierte sie, die scheinbar kostbaren Knollen selbst anzubauen. Bald milderten sie Hungersnöte und begannen ihren Siegeszug

Inhaltsstoffe: Anwärter für ein heimisches Superfood

Mit hohen Mengen Kalium, Magnesium und Phosphor gegenüber wenig Natrium dienen Kartoffeln als optimaler Mineralstofflieferant. Dank der essenziellen Aminosäuren besitzt das Eiweiß der Kartoffeln eine hohe biologische Wertigkeit. 14 % Stärke, 2 % Ballaststoffe und 73 kcal/100 g sorgen für ein sehr gutes Kohlenhydratverhältnis. Mit 15 mg pro 100 g liegt der Vitamin- C-Gehalt auch nach dem Kochen noch über dem Apfel oder Pfirsich. Auch Eisen, Zink, Folsäure, Niacin sowie Vitamin B1, B2 und B6 sind in größeren Mengen enthalten. Kartoffeln enthalten in geringen Mengen das mindergiftige Solanin (siehe Kasten).

Übrigens: Entgegen der weit verbreiteten Meinung, rohe Kartoffeln seien giftig, sind sie in kleinen Mengen essbar und therapeutisch nutzbar.

Achtung Solanin: Biotoxin der grünen Pflanzenteile

Das Kartoffelkraut, noch mehr jedoch die gelblich-grünen Beeren enthalten toxische Alkaloide, insbesondere das Solanin. Die geringsten Mengen finden sich in den Knollen. Hier befindet sich das Solanin vor allem in den durch Lichteinwirkung gebildeten grünen Stellen, den Keimen (sogenannte Augen), aber auch in der Schale. Aus diesem Grund empfiehlt man mitunter auch das Schälen (allerdings nach dem Garen, um Nährstoffe zu erhalten). Doch auch beim Verzehr mit Schale wären mehrere Kilogramm Kartoffeln erforderlich, damit es zu Erbrechen oder Durchfall kommen könnte. Es empfiehlt sich aber, vor der Zubereitung die grünen Stellen und Keime wegzuschneiden. Solanin ist, auch beim Braten, Backen und Frittieren hitzebeständig. Beim Kochen geht es jedoch teilweise in das Kochwasser über, da es bei hohen Temperaturen wasserlöslich wird. Erste Vergiftungserscheinungen wie Benommenheit, Berührungsüberempfindlichkeit und erschwerte Atemtätigkeit treten
nach einer Einnahme von circa 200 mg Solanin auf, was heute einem Verzehr von fast 3 kg roher, ungeschälter Kartoffeln entspricht (alte Sorten enthalten mehr Solanin). Im weiteren Verlauf kommt es zu Übelkeit und Erbrechen. Eine Dosis von 400 mg gilt als tödlich.

Wärme pur: Kartoffelauflagen bei Schmerzen und Husten 

In der rationalen Phytotherapie spielt die Kartoffel keine Rolle. In der Erfahrungsmedizin wird sie allerdings gerne angewandt. Äußerlich geschieht dies in Form von heißen Wickeln oder Auflagen bei chronischen, nicht entzündlichen Arthrosebeschwerden, Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Bereich und Rückenschmerzen (als sogenannter Bauernfango, eine heiße Kompresse mit zerdrückten, gekochten Kartoffeln). Im Bereich der Atemwege zählen Husten, Bronchitis und Halsschmerzen zu den wichtigsten Indikationen. Da die Kartoffel zu den besten Wärmeträgern zählt, eignet sie sich sehr gut als äußerliche, feuchtheiße Anwendung, wenn eine langanhaltende lokale Wärmeanwendung als wohltuend empfunden wird. Sie wirkt dann wärmend, durchblutungsfördernd, schleimlösend, hustenreizstillend, krampflösend und schmerzlindernd. Je nach Größe der Körperstelle braucht es dazu zwischen zwei (zum Beispiel Brustkompresse) und fünf (zum Beispiel Schulter- und Nackenbereich) mittelgroße, frisch gekochte Kartoffeln mit Schale. Diese werden zunächst in Küchenpapier und anschließend in ein Baumwolltuch (zum Beispiel Geschirrtuch) eingeschlagen und zu einer 2 cm dicken Auflage zerdrückt.

Merke

Die Temperatur einer heißen Kartoffelauflage muss vor der Anwendung unbedingt, zum Beispiel mit der Innenseite des Unterarms, überprüft werden. Denn aufgrund der hohen Wärmespeicherkapazität kühlt sie nur langsam ab und kann leicht zu Verbrennungen führen. Bei empfindlicher Haut, Kindern und älteren Menschen wählt man entsprechend niedrigere Temperaturen.

Die Auflage (nicht zu heiß!) mit einem Kleidungsstück oder Außentuch fixieren. Sie bleibt auf der Haut, solange sie warm ist. In der Regel dauert dies etwa eine Stunde und kann einmal täglich bis zum Abklingen der Beschwerden wiederholt werden.

Traditionsmittel gegen Sodbrennen: Kartoffelsaft

Als basisches Nahrungsmittel unterstützt die Kartoffel (gegart) das Säure-Basen-Gleichgewicht und wirkt leicht entwässernd. Innerlich hilft roher Kartoffelsaft aufgrund seines säurebindenden Effekts bei Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden. Schon der Schweizer Arzt Max Bircher-Benner (1867–1939) nutzte den frisch gepressten Kartoffelsaft bei Magenleiden. Eine Studie aus dem Jahr 2006 bestätigte die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Kartoffelsaft bei Sodbrennen. Dazu tranken betroffene Patienten über eine Woche morgens direkt nach dem Aufstehen und abends vor dem Schlafengehen jeweils 100 ml Kartoffelsaft. Bereits nach einer Woche hatten sich die Beschwerden und die Lebensqualität bei zwei Dritteln der Teilnehmer deutlich verbessert. Es versteht sich jedoch von selbst, dass man den Ursachen von Sodbrennen immer auf den Grund gehen sollte. Beliebt sind auch handelsübliche Frischpflanzenpresssäfte (Grenzwert: < 10 mg/100 ml Alkaloide, ohne Alkohol und Konservierungsstoffe), zum Beispiel Schoenenberger Kartoffelsaft. Erwachsene nehmen 2 × tgl. 50 ml vor den Mahlzeiten ein. Kartoffelsaft kann man auch gut selbst zubereiten: eine ungeschälte Kartoffel (ohne grüne Stellen) fein reiben und anschließend durch ein Baumwolltuch pressen.

Bewährte Indikation: Magenbeschwerden bei Schwangerschaft

Bewährt hat sich der Einsatz von Kartoffelsaft bei Sodbrennen auch in der Schwangerschaft. Je weiter sie voranschreitet, desto stärker treten die Beschwerden auf: Bis zum Ende der Schwangerschaft leiden fast 70 % der Frauen darunter. Dafür gibt es zwei Gründe: Der Anstieg des muskelentspannenden Progesterons entspannt neben der Uterusmuskulatur als Zielorgan auch den unteren Ösophagussphinkter zwischen Magen und Speiseröhre. Somit kann Magensäure leichter in die Speiseröhre gelangen. Außerdem drückt die wachsende Gebärmutter zunehmend auf den Magen. Da gerade in der Schwangerschaft ein vorsichtiger Umgang mit Medikamenten geboten ist, bietet sich auch in dieser Hinsicht die Kartoffel an. Im Gegensatz zu den oft empfohlenen Mandeln enthält sie zudem nur wenige Kalorien. Für die Anwendung kann die Schwangere eine rohe Kartoffel in kleine Stücke schneiden und über den Tag verteilt essen oder Frischpflanzenpresssäfte verwenden: 3 × tgl. 5 ml sowie zur Nacht 10 ml.

Säure-Basen-Kur mit Kartoffeltrunk

Die entwässernden Eigenschaften der Kartoffel beruhen vor allem auf dem relativ hohen Kaliumgehalt und machen sie zu einem bewährten Begleiter der Frühjahrskur. Aufgrund der harntreibenden Wirkung wird sie außerdem für Entlastungstage vor dem Fasten eingesetzt. Der hohe Mineralstoffgehalt trägt überdies wesentlich zum Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts bei. Ein beliebtes Getränk ist der sogenannte Basentrunk „Kü-Ka- Lei-Wa“ vom schwedischen Ernährungsreformer Are Waerland (1876–1955). Das Kürzel steht hierbei nicht etwa für eine traditionelle chinesische Rezeptur, sondern für Kümmel, Kartoffel, Leinsamen und Wasser.

Vielseitig in der Küche: fest- oder mehlig kochend?

Aufgrund des nahezu idealen Nährstoffprofils ist die Kartoffel ein fester Bestandteil der gesunden Küche. Festkochende Varianten eignen sich optimal für Kartoffelsalat, Gratin, Brat-, Pellund Salzkartoffeln. Denn die Schale platzt beim Kochen nicht auf, und die Konsistenz ist fest, feinkörnig und feucht. Zu den bekanntesten Vertretern gehören die Sorten Cilena, Hansa, Linda, Nicola, Renate, Selma und Sieglinde. Vorwiegend festkochende Kartoffeln platzen beim Kochen leicht auf und verfügen über eine feinkörnige und mäßig feuchte Konsistenz. Da sie Saucen besonders gut binden, bieten sie sich als Beilage, für Aufläufe, Pommes frites sowie ebenfalls als Brat-, Pell und Salzkartoffeln an. Die bekanntesten Sorten sind Agria, Christa, Gloria, Granola, Hela, Quarta und Solara. Mehlig kochende Kartoffeln (zum Beispiel Adretta, Afra, Aula, Karlena, Likaria) brechen beim Kochen gerne auf und besitzen eine mehlige, grobkörnige und trockene Konsistenz. Mit ihrem hohen Stärkeanteil können sie alle Arten von Flüssigkeiten binden und eignen sich besonders gut für Püree, Gnocchi, Schupfnudeln, Knödel, Suppen und Eintöpfe.

Lagerung: Kühl, luftig und dunkel

Je nach Reifezeit unterscheidet man Früh-, mittlere und Spätkartoffeln. Frühe Sorten sollten zeitnah verzehrt werden. Je später sie im Jahr geerntet werden, desto besser lassen sie sich lagern, Spätkartoffeln bis zu mehreren Monaten. Am besten gelingt dies bei kühlen Temperaturen (ideal: zwischen 4℃ und 8℃), luftig und dunkel, damit sie sich nicht grün färben oder keimen und dann vermehrt Solanin bilden. Keinesfalls darf man Kartoffeln in Plastiktüten aufbewahren, da sie sonst schimmeln oder faulen. Auch sollten sie getrennt von Äpfeln lagern, da diese die Keimung anregen.

Helga Ell-Beiser
Heilpraktikerin mit den Schwerpunkten Phytotherapie, Frauen- und Kinderheilkunde sowie Psychosomatik.