SuperfoodHeimisches Superfood: regional und nährstoffreich

Superfoods werden aufgrund bestimmter Inhaltsstoffe und besonderer Eigenschaften beworben, die einen gesundheitlichen Mehrwert versprechen. Glaubt man Medien und Werbeexperten, verfügen Superfoods über einen besonders hohen Anteil an wertvollen Inhaltsstoffen und heben sich damit von normalen Lebensmitteln ab. Bei den Nährstoffgehalten können viele einheimische Pflanzen durchaus mit den exotischen Superfoods mithalten.

K. Oborny/Thieme

Auf dem regionalen Wochenmarkt findet man zahlreiche heimisch angebaute Früchte, Gemüse und Kräuter, die den exotischen Superfoods bei den Inhaltsstoffen in nichts nachstehen.

von Johanna Feichtinger

Inhalt

Heimische „Nährstoffwunder“

Exoten für den heimischen Anbau

Nicht nur super: problematische Inhaltsstoffe und kritische Nährstoffe

Pluspunkte von regionalem Superfood

Der Begriff Superfood ist nicht geschützt und eine fachliche Definition des Begriffs fehlt bis heute. Im Allgemeinen bezieht sich der Begriff Superfood auf naturbelassene Lebensmittel, die einen höheren Nährstoffgehalt als andere Nahrungsmittel haben – sie heben sich damit bezüglich ihrer Inhaltsstoffe von normalen Lebensmitteln ab [1]. Offen bleibt dabei die Frage, was unter „normalen Lebensmitteln“ zu verstehen ist.

Neben ein paar wenigen Lebensmitteln tierischer Herkunft sind die bekannten Superfoods überwiegend pflanzliche Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte. Nimmt man die Nährstoffe der exotischen Superfoods genauer unter die Lupe, so fällt auf, dass einheimische Vertreter aus dem Pflanzenreich es durchaus mit den Exoten aufnehmen können. In 100 g Leinsamen ist mit etwa 29 g der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren sogar etwas höher als in den gehypten Chiasamen, deren Gehalt bei 23 g liegt (Tab. 1).

 

Chiasamen

Leinsamen

Protein

16,5 g

18,9 g

Omega-3-Fettsäuren

23 g

28,7 g

Kalzium

631 mg

255 mg

Eisen

7,7 mg

5,7 g

Ballaststoffe

34,4 g

28,9 g

Regional

nein

ja/nein

Bereits vor dem gesteigerten Interesse an exotischen Superfoods wie Chiasamen, Açaí oder Maca, wurde zum Beispiel Blaubeeren, Bohnen, Brokkoli, Hafer und Joghurt der Status „Superfood“ zugesprochen. Diese einheimischen Superfoods entsprechen viel eher den Empfehlungen einer vollwertigen und damit nachhaltigen Ernährungsweise und bieten neben gesundheitlichen auch ökologische und gesellschaftliche Vorteile.

Heimische „Nährstoffwunder“

Angefangen von traditionellen Gemüsen und Obst, über Getreide und Hülsenfrüchte bis hin zu Beeren und wilden Kräutern – die Liste mit einheimischen Superfoods ist lang (Tab. 2). In Büchern und auf einschlägigen Webseiten finden sich zu diesem Thema sowohl altbekannte und traditionelle Lebensmittel wie Äpfel, Möhren, Zwiebeln, Hafer und Walnüsse als auch weniger genutzte Vertreter wie Buchweizen, Brennnessel, Topinambur oder Hagebutten [2], [3]. Im Folgenden werden nur einige der am häufigsten genannten Vertreter betrachtet. Dies erhebt keinesfalls den Anspruch der Vollständigkeit und lässt bedauerlicherweise viele wertvolle und ernährungsphysiologisch interessante Lebensmittel unberücksichtigt.

Lebensmittelgruppe

Vertreter

Blattgemüse

Spinat, Feldsalat, Winterportulak, Löffelkraut, Brunnenkresse, Radicchio, Rucola

Kohlgemüse

Brokkoli, Grünkohl, Rosenkohl, Rotkohl, Weißkohl, Kohlrabi

Fruchtgemüse

Tomate, Paprika, Zucchini, Speisekürbisse

Kräuter und Gewürze

Petersilie, Kerbel, Basilikum, Schnittlauch, Thymian, Senf, Oregano, Bohnenkraut, Pfefferminze, Meerrettich, Ingwer

Rüben und Knollen

Karotte, Pastinake, Rote Bete, Topinambur, Rettich, Knollensellerie, Kartoffel

Zwiebelgewächse

Küchenzwiebel, Lauch, Schnittlauch, Knoblauch, Schnittknoblauch, Schalotte

Früchte und Beeren

Heidelbeeren, Brombeeren, Schwarze Johannisbeeren, Hagebutte, Rote Trauben, Schwarzer Holunder, Sanddorn, Apfelbeere, Felsenbirne, Quitte

Nüsse und Samen

Walnüsse, Haselnüsse, Leinsamen, Leindotter, Hanfsamen, Brennnesselsamen

Hülsenfrüchte und Getreide

Linsen, Erbsen, Buchweizen, Hafer, Gerste, Hirse

Grünkohl & Co.

Unter den Gemüsen haben sich insbesondere Kohlsorten aus der Familie der Kreuzblütler einen Namen als Superfood gemacht. Dazu zählen unter anderem Kohlrabi, Brokkoli, Grünkohl, Rucola und natürlich Weiß- und Rotkohl – auch in fermentierter Form, zum Beispiel als Sauerkraut.

Merke

Kohlsorten enthalten zum Teil hohe Mengen an Vitamin C, Vitamin A und Kalzium und reichlich Pflanzenfasern.

Daten aus epidemiologischen Studien weisen darauf hin, dass der regelmäßige Verzehr von Kohlgemüse das Risiko für verschiedene Krebsarten senken kann. Die krebspräventive Wirkung geht dabei auf bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe zurück, die Glucosinolate. Vertreter, wie zum Beispiel das Sulforaphan aus Brokkoli, werden inzwischen versuchsweise zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen eingesetzt [4].

Immer wieder wird im Zusammenhang mit Superfoods ein hoher Gehalt an Chlorophyll als günstig bewertet. Da der grüne Pflanzenfarbstoff in seinem molekularen Aufbau dem Blutfarbstoff Hämoglobin sehr ähnlich ist, wird ihm eine blutreinigende und sauerstofffördernde Wirkung nachgesagt [5]. Allerdings kann nur ein Bruchteil des Chlorophylls aus der Nahrung überhaupt aufgenommen werden. Und was anschließend mit dem Farbstoff im Stoffwechsel geschieht, lässt sich bisher nicht nachweisen. Bekannt ist nur, dass Chlorophyll bei Mund- und Körpergeruch helfen kann und sich möglicherweise günstig auf die Mikrobiota auswirkt (Abb. 1) [6].

Merke

Auch ohne Berücksichtigung des Chlorophylls ist grünes Blattgemüse eine hervorragende Quelle für Folsäure, Carotinoide und Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium.

Farbenfrohe Früchte

Einheimisches Beerenobst ist reich an sekundären Pflanzenstoffen. Besonders Anthocyane, die Heidelbeeren, Blaubeeren und Brombeeren ihre dunkle Farbe verleihen, sind in den Früchten enthalten. Sie schützen die Pflanze vor Sonneneinstrahlung und zählen zu den Antioxidanzien [7]. Auch die oft wildwachsenden Holunderbeeren sind reich an antioxidativ wirksamen Pflanzenfarbstoffen. Beeren und andere Früchte, wie zum Beispiel Quitten, enthalten Pektine, die zu den wasserlöslichen Ballaststoffen zählen und sich günstig auf die Funktion von Magen und Darm auswirken. Darüber hinaus können Pektine dabei helfen, den Cholesterinwert im Blut zu senken.

Kernige Nährstoffpakete

Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Saaten enthalten Proteine, Stärke, Fett, Mineralstoffe und Vitamine in besonders komprimierter Form und leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Nährstoffversorgung.

Allerdings verzehren Konsumenten in Deutschland derzeit durchschnittlich nur etwa 60 g Hülsenfrüchte im Monat. Dies ist in Anbetracht der ernährungsphysiologischen Vorteile eine verschwindend geringe Menge [8]. Kohlenhydrate aus Hülsenfrüchten werden besonders langsam resorbiert und sorgen so für einen günstigen Blutzuckerverlauf. Das macht Erbsen, Bohnen und Linsen auch für die Diätetik interessant. Ihr hoher Eiweißgehalt von bis zu 30 %, zum Beispiel bei Lupinen, macht sie zu einem wichtigen Bestandteil pflanzenbasierter Ernährungsweisen [9].

Getreide liefern neben Hauptnährstoffen besonders viele Ballaststoffe und schützen als Vollkorn erwiesenermaßen vor Übergewicht. Die Körnerfrüchte senken den Cholesterinspiegel, bremsen den Blutzuckeranstieg und beugen Dickdarmkrebs vor [10]. Hafer, der viele Hundert Jahre lang ein Hauptnahrungsmittel war, enthält beispielsweise Beta-Glucane, die im Darm freie Gallensäuren binden. Diese müssen anschließend von der Leber aus Cholesterin neu gebildet werden, was sich günstig auf den Blutspiegel auswirkt. Auch in Gerste sind diese bemerkenswerten Ballaststoffe enthalten.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung machen Nüsse nicht dick. Selbst wenn täglich 50 g naturbelassene Walnüsse gegessen werden, hat dies keinen Einfluss auf den Gewichtsverlauf [11]. Vielmehr senkt der regelmäßige Verzehr das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch eine verbesserte Endothelfunktion und reduzierte Cholesterinwerte. Für diesen Effekt sorgt vermutlich eine Kombination aus ungesättigten Fettsäuren, Mikronährstoffen, Phenolsäuren und Phytosterinen.

Keimlinge und Sprossen

Gerade im Winter, wenn es nur wenig frisches Gemüse gibt, sind selbst gezogene Keimlinge und Sprossen aus unbehandeltem Saatgut eine hervorragende Quelle für Vitamine und Mineralstoffe. Seit dem EHEC-Ausbruch im Jahr 2011, bei dem Bockshornkleesprossen als Auslöser für die gefährliche bakterielle Erkrankung identifiziert wurden, herrscht noch immer Verunsicherung, ob Sprossen gefahrlos verzehrt werden können.

Merke

Die Verwendung von Keimen und Sprossen ist unbedenklich, solange mit der nötigen hygienischen Sorgfalt vorgegangen wird.

Grundsätzlich kann es zu einer Belastung mit unerwünschten Keimen kommen. Zur Verringerung der Keimbelastung soll man rohe Sprossen in jedem Fall gründlich waschen und möglichst schnell verbrauchen. Diese Anforderungen gelten besonders in der Gemeinschaftsverpflegung.

Zum Keimen eignen sich Hülsenfrüchte, Getreide, Kresse, Brokkolisamen, Alfalfa und zum Beispiel auch Sonnenblumenkerne. Keimlinge und Sprossen aus Hülsenfrüchten sollten generell kurz erhitzt werden [12].

Superfoods am Wegesrand

Wildgemüse und -kräuter sind durch Züchtung nicht verändert und haben so ihren ursprünglichen Geschmack und natürlichen Gehalt an Inhaltsstoffen bewahrt, besonders an sekundären Pflanzenstoffen. So wird zum Beispiel die als Heilpflanze geschätzte Brennnessel mit ihren hohen Gehalten an Vitamin A und C, Kalzium und Eisen gerne als Stärkung bei Frühjahrsmüdigkeit verwendet.

Merke

Neben den Blättern sind auch Brennnesselsamen ein wahres Superfood.

 Brennnesselsamen schmecken leicht nussig und enthalten reichlich ungesättigte Fettsäuren sowie Mineral- und Ballaststoffe. Die bei Gärtnern unbeliebten Kräuter Giersch und Vogelmiere sind ebenfalls reich an Vitamin C und werten frische Blattsalate mit einer extra Portion Vitamin auf [13].

Wildkräuter

Hinweise zum Sammeln

  • Aufgrund der Verwechslungsgefahr Wildpflanzen nur bei guter Pflanzenkenntnis sammeln.

  • Sammelplätze sorgfältig auswählen: Orte mit starker Verkehrsbelastung und Flächen, die mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, meiden.

  • Junge Triebe verwenden, die keine Krankheiten oder Verletzung aufweisen.

  • Nur geringe Mengen für den Eigenbedarf sammeln (etwa ein kleiner Strauß).

Dies sind nur wenige Beispiele von essbaren Nährstoffpaketen aus der Natur. Es lohnt in jedem Fall, sich einmal näher mit essbaren Wildpflanzen zu befassen und diese regelmäßig in den Speiseplan einzubeziehen. Der leicht herbe oder bittere Geschmack harmoniert hervorragend mit mildem Blattsalat, saftigen Tomaten, Kartoffeln oder Eiern und verträgt eine würzige Vinaigrette sehr gut. Natürlich liefern auch wohlbekannte Küchenkräuter wie Petersilie, Schnittlauch und Oregano neben ihrem würzigen Geschmack Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe.

Exoten für den heimischen Anbau

Die Nachfrage nach exotischem Superfood führt in den Anbauländern zum Teil zu sozialen und ökonomischen Problemen. Durch die große Nachfrage haben sich die Preise deutlich erhöht und mancherorts wird der Großteil der Ernte exportiert.

Vorsicht

Beim Kauf exotischer Superfoods sollte man auf nachhaltig produzierte Produkte mit Biosiegel, besser noch mit zusätzlichem Fair-Trade-Hinweis achten.

Eine Alternative zum Import bietet der Anbau der Exoten auf heimischen Äckern, wobei der Ertrag die Nachfrage hierzulande bisher nur minimal decken kann.

Quinoa

In einigen Regionen Deutschlands wird zum Beispiel versuchsweise Quinoa angebaut. 2017 startete an der Universität Kiel ein 5-jähriges Züchtungsprojekt mit dem Ziel, weitere Sorten für das mitteleuropäische Klima zu entwickeln [14]. In Nord- und Süddeutschland gibt es inzwischen erste Betriebe, die Quinoa aus einheimischem Anbau anbieten.

Quinoa, auch Reismelde genannt, zählt zu den Gänsefußgewächsen. Botanisch gesehen ist Quinoa somit mehr mit Spinat, Mangold und Roter Bete verwandt als mit Süßgräsern. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Getreide wird es auch als Pseudogetreide bezeichnet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lobt Quinoa aufgrund seiner guten Anpassungsfähigkeit an verschiedene klimatische Bedingungen und günstiger ernährungsphysiologischer Eigenschaften. So erklärte die WHO das Jahr 2013 sogar zum „Internationalen Jahr für Quinoa“. Neben seinem Mineral- und Ballaststoffgehalt punktet Quinoa mit essenziellen Aminosäuren und einer für Getreide hohen Proteinqualität (Tab. 3).

* Nach [16]
 

FAO

Weizen*

Quinoa*

Isoleucin

3,0

4,2

4,9

Leucin

6,1

6,8

6,6

Lysin

4,8

2,6

6,0

Methionin + Cystein

2,3

3,7

5,3

Methionin + Cystein

4,1

8,2

6,9

Threonin

2,5

2,8

3,7

Tryptophan

0,66

1,2

0,9

Valin

4,0

4,4

4,5

Aronia

Die Apfelbeere, als Superfood besser unter ihrem lateinischen Namen Aronia melanocarpa bekannt, findet in Deutschland beste klimatische Voraussetzungen (Abb. 2). Erste kleine Plantagen gab es bereits zu Zeiten der DDR. Inzwischen wird die heimische Anbaufläche auf über 200 ha geschätzt. Der bemerkenswerte Anthocyan- und Polyphenolgehalt der Aroniabeere beträgt bis zu 1000 mg je 100 g Frischgewicht. Die dunkelvioletten und antioxidativ wirksamen Verbindungen werden auch als natürliches Färbemittel eingesetzt [17].

Goji

Auch der „Gemeine Bocksdorn“ wächst in unseren Breiten problemlos und ziert den einen oder anderen Garten. Die Früchte des mehrjährigen Strauches haben als Gojibeeren eine steile Superfood-Karriere hinter sich. Bisher werden die Gojipflanzen hauptsächlich über Gärtnereien und den Versandhandel angeboten [18]. Bis auf wenige kleinere Anbauversuche stammt der Großteil der angebotenen Beeren nach wie vor aus dem Ausland.

Vorsicht bei Gerinnungshemmern

Wer gerinnungshemmende Medikamente einnimmt, sollte auf Gojibeeren verzichten, auch auf Saft und Konfitüre. Die Beeren können laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) den Abbau der Medikamente blockieren und so zu starken Blutungen führen.

Andere Exoten

Ambitionierten Gärtnern gelingt sogar der Anbau anderer exotischer Superfoods wie Acerola, Chia und Moringa. Diese Pflanzen stammen aus tropischen Regionen und benötigen für erfolgreiches Wachstum besondere Pflege; sie überstehen den Winter nur im Warmen.

Nicht nur super: problematische Inhaltsstoffe und kritische Nährstoffe

Neben essenziellen Nährstoffen und anderen wertvollen Inhaltsstoffen enthalten viele der pflanzlichen Nährstofflieferanten von Natur aus Substanzen, die in größeren Mengen problematisch werden können. Gerade wenn Lebensmittel als besonders vorteilhaft dargestellt und beworben werden, neigen Verbraucher dazu, den vermeintlichen Gesundmacher zu oft und in zu großen Mengen zu verzehren. Auch hier gilt: „Die Dosis macht das Gift“.

Obst ist eine wichtige Quelle für Vitamine, Mineralstoffe und andere bioaktive Substanzen, doch durch den teilweise hohen Fruchtzucker- und damit gleichzeitig verbundenen Energiegehalt ist es ratsam, Obst nur in den empfohlenen Mengen von 1–2 Portionen (200–300 g) zu verzehren. Die übermäßige Aufnahme von Fruktose kann zu Darmbeschwerden, wie Blähungen und Durchfall, führen.

Merke

Physiologisch gesehen kann der Darm täglich etwa 50 g Fruktose relativ unproblematisch aufnehmen.

Wer sich vermeintlich etwas Gutes tun möchte und zum Beispiel mehrmals täglich einen reinen Obst-Smoothie trinkt, kann die Aufnahmefähigkeit seines Darmes bereits deutlich überlasten. Denn in 300 ml Frucht-Smoothie aus Trauben, Birnen und Äpfeln können bis zu 20 g Fruktose enthalten sein.

Antinutritive Inhaltsstoffe können die Resorption wichtiger Nährstoffe behindern. Kohlgemüse und andere Kreuzblütlergewächse enthalten beispielsweise Thiocyanate, die die Jodaufnahme hemmen und so die Schilddrüsenfunktion beeinflussen. Weitere jodhemmende Substanzen (Goitrogene) finden sich in Bohnen, Leinsamen, Hirse u. a.

Im Zusammenhang mit Hülsenfrüchten werden immer wieder problematische Inhaltsstoffe genannt. In der Regel ist jedoch bekannt, dass Hülsenfrüchte nicht roh verzehrt werden sollten.

Vorsicht

Unerhitzt können Substanzen aus Hülsenfrüchten unverträglich oder gar gesundheitsschädlich sein.

Zu den problematischen Inhaltsstoffen der Leguminosen gehören sekundäre Pflanzenstoffe wie Lektine, Protease-Inhibitoren, Phytinsäure und Tannine. Sie dienen der Pflanze zur Schädlings- und Krankheitsabwehr [9]. Lektine, wie zum Beispiel das Phasin in grünen Bohnen, sind hitzeempfindliche Proteine. Sie werden bereits durch 15-minütiges Kochen zerstört und damit unwirksam. Teilweise werden sie auch durch Keimen abgebaut. Kochen zerstört auch die meisten Protease-Inhibitoren. Sie hemmen die Aktivität von Enzymen, die Proteine spalten und den Eiweißstoffwechsel beeinträchtigen.

Aufgrund des Blausäuregehalts in Leinsamen (bis zu 20 mg je 100 g) sollte die tägliche Verzehrsmenge von 45 g nicht überschritten und am besten auf 3 Portionen über den Tag aufgeteilt werden. Auch Holunderbeeren enthalten Blausäureverbindungen wie das Sambunigrin, die zu Krämpfen und Durchfall führen können. Deshalb sollten auch die dunklen Beeren vor dem Verzehr erhitzt werden.

Die in Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen und Saaten enthaltene Phytinsäure kann die Aufnahme von Mineralstoffen und Spurenelementen behindern. Werden diese Lebensmittel vorher eingeweicht oder gekeimt und mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln zubereitet, verbessert sich die Bioverfügbarkeit. Außerdem wird so der Geschmack verfeinert. Eine eingeweichte Haselnuss schmeckt dann wieder „wie frisch vom Baum“.

Oxalsäurereiche Gemüse wie Rote Bete, Spinat und Mangold verschlechtern die Resorption von Kalzium und sollten deshalb nicht täglich verzehrt werden. Wer bisher eher geringe Mengen Ballaststoffe zu sich genommen hat, kann mit einem plötzlichen Zuviel an Pflanzenfasern seinen Verdauungstrakt überfordern. Ebenso sollte das allergene Potenzial beim Verzehr von Nüssen, Hülsenfrüchten und Gemüse nicht unterschätzt werden.

Neben einem „Zuviel“ gibt es auch ein „Zuwenig“, denn pflanzliche Lebensmittel liefern nicht alle essenziellen Nährstoffe oder in zu geringer Menge. Zu den kritischen Nährstoffen zählt vor allem Vitamin B12, das nur über tierische Lebensmittel oder Supplemente in ausreichenden Mengen bereitgestellt werden kann. Auch bei Eisen, Kalzium und Zink kann es bei ausschließlich pflanzlicher Ernährung zu Versorgungsengpässen kommen [19]. Um den Proteinbedarf aus pflanzlichen Quellen zu decken, sollten mehrmals wöchentlich Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan stehen und mit zusätzlichen pflanzlichen Eiweißquellen wie Getreide, Nüsse und Saaten kombiniert werden. Eine gut geplante Lebensmittelauswahl sorgt so für die nötige Aufnahme (Tab. 4).

*0,8 g/kg/KG bezogen auf eine 70 kg schwere Person

Portion

Lebensmittel

Protein [g]

Ballaststoffe [g]

Vitamin C [mg]

Eisen [mg]

100 g

Weizenvollkornbrot

7

8,4

 

2

150 g

Apfel

1

3,0

18

0,5

100 g

Erdbeeren

1

1,6

62

1

30 g

Haferflocken

4

2,7

 

1,3

200 g

Kartoffeln

4

4,2

28

1,6

100 g

Tofu

15

1,3

 

2,8

200 g

Möhren

2

6,8

12

0,7

200 g

Brokkoli

7

5,4

180

1,8

25 g

Haselnüsse

3

3,8

 

1

Summe

 

36,5 g

37,2 g

300 mg

12,7 mg

Deckung der DACH-Referenzwerte (Erwachsene 25 bis < 51 Jahre)

 

65 %*

124 %

300 %

m: 127 % w: 85 %

Pluspunkte von regionalem Superfood

Einheimische Superfoods bieten einen ganz klaren Vorteil: Sie stammen aus regionalem Anbau. Laut dem BMEL-Ernährungsreport (2016) wünschen sich über 75 % der über 30-Jährigen, dass ihre Lebensmittel aus der Region stammen [21], [22]. Dies ist erfreulich, denn heimische Lebensmittel bieten zahlreiche Vorteile. Sie können eine Brücke zwischen Produzenten und Konsumenten schlagen, sind klimafreundlich, fördern die regionale Wirtschaft und reduzieren das Verkehrsaufkommen. Der regionale und saisonale Bezug von Lebensmitteln bietet gerade für pflanzliche Lebensmittel einen weiteren Vorteil: Diese können richtig ausreifen. Denn werden Gemüse und Obst erst zum optimalen Reifezeitpunkt geerntet, haben sie den höchsten Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen, die für Geschmack und Gesundheit wichtig sind. Nach der Ernte gehen hitzeempfindliche Inhaltsstoffe wie Vitamin C, Folsäure und viele sekundäre Pflanzenstoffe wie Glucosinolate häufig schnell verloren, sodass sie möglichst erntefrisch verzehrt werden sollten. Ein Grund, täglich einen Teil der Superfoods unerhitzt zu verzehren. Auch Gemüse wie Grünkohl oder Brokkoli eignen sich für einen schmackhaften Rohkostsalat.

Rezept

Brokkolifrischkost vegetarisch

Für 4 Personen, Zubereitungszeit: ca. 20 Minuten

Zutaten

50 g saure Sahne

1 El Estragonessig

1–2 El Zitronensaft

1 Tl Senf, mittelscharf

½ Knoblauchzehe, eventuell

1 Prise Kräutersalz

1 Prise Pfeffer, frisch gemahlen

400 g Brokkoli

30 g Zwiebeln

1–2 Tomaten

Zubereitung

Für die Sauce saure Sahne, Essig, Zitronensaft, Senf, eventuell zerdrückte Knoblauchzehe, Kräutersalz und Pfeffer verrühren.

Brokkoli fein raspeln, Zwiebeln in feine Würfel schneiden, mit der Sauce vermischen und abschmecken.

Frischkost anrichten und mit Tomatenscheiben garniert servieren.

Tipp

Zur Verfeinerung 1–2 Esslöffel gehackte und angeröstete Mandeln, Cashewnüsse oder Sonnenblumenkerne zugeben.

Rezept: UGB

Wer sich mit regionalen Superfoods versorgen will, braucht die Bereitschaft, naturbelassene Lebensmittel frisch zu verarbeiten. Wird dagegen auf stark verarbeitete Lebensmittel und Convenience-Produkte mit hohem Fett- oder Zuckergehalt zurückgegriffen, in denen vor allem der Preis mit ein paar Superfoods aufgepeppt wurde, fallen die gesundheitlichen und ökologischen Vorteile weitaus geringer aus.

Ein weiterer Vorteil von einheimischen Superfoods ist, dass exotische Lebensmittel häufiger mit unerwünschten Fremdstoffen belastet sind. In den Herkunftsländern gelten oft weniger strenge Umweltauflagen und es werden Pestizide eingesetzt, die in der EU nicht zugelassen sind.

Heimische Produkte schonen zudem den Geldbeutel. So kosten 100 g Leinsamen etwa nur die Hälfte von importierten Chiasamen. Und das „Superfood“ Hafer erhält man als Flocken bereits für wenige Cent pro Packung. Damit können auch Sparfüchse überzeugt werden. Beim Einkauf auf die Saison zu achten, ist auch aus finanzieller Sicht sinnvoll. Denn immer dann, wenn besonders viel eines Lebensmittels auf dem Markt vorhanden ist, wird es gleichzeitig auch günstiger.

Merke

Ein zusätzlicher Vorteil von heimischen Superfoods: Sie sind bestens untersucht.

Im Gegensatz zu vielen exotischen Lebensmitteln existieren von Äpfeln, Spinat oder Joghurt ausführliche Nährwertanalysen, was deren Beurteilung aus ernährungswissenschaftlicher Sicht erleichtert.

Bezugsquellen für heimisches Superfood

Obwohl sich viele ein regionales Lebensmittelangebot wünschen, gestaltet sich der Einkauf oft schwierig. Wochenmarkt, Bio- oder Hofladen scheinen zu teuer, zu weit weg, schwierig oder nur mit dem Auto zu erreichen (CO2-Bilanz) oder man muss sich an andere Öffnungszeiten gewöhnen. Das lässt den „normalen“ Einkauf im Supermarkt um die Ecke um ein Vielfaches einfacher erscheinen [23]. Der Einzelhandel hat erfreulicherweise auf die zunehmende Nachfrage reagiert und bietet immer mehr regionale Produkte in Kooperation mit Direktvermarktungsinitiativen an, wie z. B. der Vereinigung der Hessischen Direktvermarkter e. V. (VHD).

Außerhalb der gewohnten Einkaufsstätten bieten sich verschiedenste Möglichkeiten, den Einkaufskorb mit frischen, regionalen Lebensmitteln zu füllen. Auf Wochen- und Bauernmärkten gibt es neben den beliebten Klassikern auch Besonderheiten und Raritäten aus heimischem Anbau. Außerdem geben die Standbetreiber gerne Auskunft über das aktuelle regionale Angebot. Der Einkauf direkt auf dem Hof des Erzeugers ist zwar mit Aufwand verbunden, kann aber für einen Ausflug ins Grüne genutzt werden. Bequemer ist da eine Abo-Kiste, mit der saisonale Lebensmittel direkt nach Hause geliefert werden [24].

Merke

Wochenmärkte, Hofläden, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften oder über den Eigenanbau: Es gibt viele Möglichkeiten, heimisches Gemüse frisch zu verarbeiten.

Auch beim Einkauf regionaler Waren ist es sinnvoll, auf die Herkunft aus Bioanbau zu achten. Im ökologischen Landbau wird auf synthetische Dünger sowie Pestizide verzichtet. Gleichzeitig werden robustere und alte Sorten eingesetzt, die mitunter einen höheren Gehalt an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen aufweisen [25]. Zudem kommen besonders Biolandwirte dem Wunsch experimentierfreudiger Kunden nach und bieten ausgefallene alte Gemüse- und Obstsorten an, was zusätzlich für mehr Vielfalt auf dem Feld und auf dem Teller sorgt.

Bereits seit über 30 Jahren gibt es Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, die die Versorgung mit gesunden, frischen Nahrungsmitteln ohne Zwischenhändler regeln. Dazu zählen Zusammenschlüsse von regionalen Erzeugern und Verbrauchern, wie z. B. Foodcoops oder die „Marktschwärmer“. In der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) bildet ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Verbrauchern eine eigene, durchschaubare Wirtschaftsgemeinschaft. Dies garantiert dem Landwirt eine sichere Planung und den Unterstützern frische, ökologisch erzeugte Lebensmittel. Bundesweit machen sich Ernährungsräte für den Ausbau solcher Absatz- und Bezugsmöglichkeiten für regionale Lebensmittel stark.

Dem Gedanken des Urban Gardening, also den Anbau essbarer Pflanzen zurück in die Stadt zu holen, haben sich neben einzelnen Bezirken und Interessensgemeinschaften ganze Städte angeschlossen. Solche „essbaren Städte“ wie Andernach, Kassel oder Minden ermöglichen Einwohnern und Besuchern, Lebensmittel quasi vor der Haustür zu ernten.

Unter https://Mundraub.org gibt es eine Plattform, über die öffentliche und freizugängliche Stellen zu finden sind, an denen heimisches Obst gesammelt und gepflückt werden darf. Und jeder, der über das nötige Know-how, Zeit und Platz verfügt, züchtet am besten seine eigenen Superfoods im Garten oder auf der Fensterbank. In Zeiten von Kirsch-, Tomaten- und Zucchinischwemme sind zudem viele Hobbygärtner froh, ihre reichhaltige Ernte mit Freunden, Nachbarn und Kollegen zu teilen. Dies ist zwar nur eine begrenzte, aber dafür eine sehr geschmackvolle Quelle für heimische Lebensmittel.

Chance für eine kundennahe Beratung

Es ist wichtig, die oft einseitig beworbenen Superfoods einem kritischen, wissenschaftlichen Blick zu unterziehen. Nur so können überzogene Vorstellungen bezüglich gesundheitlicher Wirkungen oder sogar heilender Effekte überprüft und gegebenenfalls relativiert werden. Doch die Darstellung von regionalen Angeboten als „Superfood“ in einer motivierenden und leicht verständlichen Sprache birgt die Chance, das Interesse für pflanzliche Lebensmittel noch weiter zu fördern und damit auch deren Verzehr zu erhöhen – was von ernährungswissenschaftlicher Seite schon lange empfohlen wird.

Praxistipp

Mit dem Begriff „heimisches Superfood“ und fundiertem Wissen darüber fällt es auch in der Beratung leichter, undogmatisch die Vorteile pflanzlicher Lebensmittel zu vermitteln und mit der einen oder anderen Kostprobe die Klienten mit Geschmack und Genuss zu überzeugen.

 Selbstverständlich darf man sich auch von einheimischen Superfoods keine Wunder erwarten. Dennoch verfügen sie über zahlreiche Vorteile und besitzen präventives Potenzial, das in der Beratung noch stärker genutzt werden sollte. Wichtig ist dabei, die ganze Bandbreite (nicht nur) pflanzlicher Lebensmittel einzubeziehen. Mit einer abwechslungsreichen und vielfältigen Lebensmittelauswahl wird nicht nur einem Mangel an bestimmten Nährstoffen vorgebeugt, sondern es wird auch eine zu hohe Aufnahme ungünstiger Substanzen vermieden. Mit frischen Kräutern und ersten grünen Blättern im Frühling, bunten Beeren und Früchten im Sommer, knackigen nahrhaften Nüssen und Saaten im Herbst und hartgesottenen Superfoods wie Grünkohl und Portulak im Winter, gelingt es auch ohne weitgereiste Lebensmittel, nährstoffreich und genussvoll zu essen.

Kernaussagen

Insgesamt deutet das Phänomen „Superfoods“ auf eine erfreuliche Entwicklung der Verzehrsgewohnheiten in Deutschland hin [26]. Wo vor 25 Jahren Fleisch noch als „ein Stück Lebenskraft“ galt, treten heute Gemüse, Obst und andere pflanzliche Lebensmittel in den Vordergrund.

Jedoch sollten auch bei den einheimischen Superfoods nicht einzelne Vertreter oder Nährstoffe hervorgehoben werden, denn für einen Gesundheitseffekt ist die Vielfalt und Komplexität der gesamten Ernährung von Bedeutung. Darüber hinaus kommt es auf den Lebensstil allgemein an, also auf viel Bewegung, ausreichend Schlaf, soziale Kontakte und eine positive Grundeinstellung zu sich und seinem Leben.

Der regionale Bezug von Lebensmitteln stärkt die heimische (Bio-)Landwirtschaft und reduziert energieintensive Transporte. Damit wird nicht zuletzt ein Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft geschaffen – das ist auch super.

Johanna Feichtinger, M.Sc.
Ernährungswissenschaftlerin, Fachberaterin Fasten und Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der UGB-Akademie

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