Diabetes Typ 2Den Stoffwechsel entlasten mit Hafertagen

Übergewicht und Bewegungsmangel sind Hauptrisikofaktoren für Diabetes Typ 2. Ernährungsinterventionen wie Hafertage können neben der medikamentösen Therapie den Glukosestoffwechsel entlasten.

Hafer, Haferflocken
Natallia/stock.adobe.com

Für die Haferkur ist es unerheblich, ob der Hafer als Grundlage geschrotet, flockiert oder in Form von Kleieflocken zubereitet wird.

von Bjoern Andrew Remppis

Hauptrisikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2 sind Übergewicht und Bewegungsmangel. Diabetes Typ 2 muss medikamentös therapiert werden, kann jedoch zusätzlich durch einen veränderten Lebensstil mit mehr Bewegung und angepasster Ernährung sowie durch spezielle diätetische Interventionen verbessert werden. Dazu gehören auch die Hafertage oder Haferkuren, die zur Entlastung des Glukosestoffwechsels beitragen.

Inhalt

Warum ist Hafer für die Therapie so geeignet?

Welche Wirkung wird mit den Hafertagen erzielt?

Wie häufig und mit welcher Dauer werden die Hafertage durchgeführt?

Welche allgemeinen Aspekte sind wichtig?

Wie wird die Insulin- bzw. Antidiabetika-Therapie angepasst?

Wie sehen die Mahlzeiten an den Hafertagen aus?

Wodurch unterscheiden sich die Hafer-Entlastungstage?

Fallbeispiel

Rund 6,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen. Früher galt Diabetes mellitus Typ 2 als „Altersdiabetes“, heute aber erkranken immer mehr junge Menschen. Mit entsprechenden Medikamenten zur Senkung des Blutzuckers und unterstützt durch Änderungen im Lebensstil und der Ernährung lässt sich die Erkrankung behandeln. So setzt beispielsweise das Herz- und Gefäßzentrum (HGZ) in Bad Bevensen seit 2009 Hafertage als diätetische Therapie bei Herz- und Diabetespatienten ein.

Warum ist Hafer für die Therapie so geeignet?

Hafer enthält 10 g Ballaststoffe – unlösliche und lösliche zu ungefähr gleichen Teilen. Dabei macht ein haferspezifischer löslicher Ballaststoff, das Hafer-Beta-Glucan, 45 % der Ballaststoffe aus. Beta-Glucan bindet Flüssigkeit und bildet eine viskose Masse im Dünndarm, aus der die Nahrungs- und Nährstoffbestandteile nur langsam herausgelöst und aufgenommen werden können. Der schrittweise Abbau der komplexen Kohlenhydrate lässt den Blutglukosespiegel langsamer ansteigen und führt wiederum zu einer geringeren Insulinausschüttung, ohne kurzfristige Heißhungerattacken zu produzieren, wie dies bei ballaststoffärmeren Getreideprodukten der Fall sein kann. Darüber hinaus senken Beta-Glucane den Cholesterinspiegel und wirken präbiotisch, indem sie Bakterienstämme fördern, die für ein stabiles Mikrobiom wichtig sind.

Welche Wirkung wird mit den Hafertagen erzielt?

Hauptziel der Hafertage ist das Durchbrechen der Insulinresistenz im Zusammenhang mit Diabetes mellitus Typ 2 und/oder anderen Faktoren des metabolischen Syndroms. Der dauerhaft erhöhte Insulinspiegel im Blut führt zu einer Reduzierung der Insulinrezeptoren in den Geweben, die die Aufnahme der Glukose in die Zellen regulieren. Daher steigt nicht nur der Insulinspiegel, sondern auch dauerhaft der Blutglukosespiegel an, was zum Beispiel schlecht für die Nierengesundheit ist.

Steigt nach den Hafertagen durch die niedrigere Blutglukose die Insulinsensitivität, wird das körpereigene Insulin wieder effizienter genutzt. Dadurch kann meist die Insulindosis verringert und das Gewichtabnehmen erleichtert werden. Bei der erstmaligen Anwendung der Hafertage ergeben sich Reduzierungen von bis zu 40 %, bei Wiederholungsanwendungen durchschnittlich von 25 %.

Durch die Haferspeisen werden langfristig weitere gesundheitsfördernde Effekte erzielt: Das Körpergewicht nimmt häufig weiter ab oder stabilisiert sich und der Ballaststoffanteil in der Ernährung steigt dauerhaft an.

Wie häufig und mit welcher Dauer werden die Hafertage durchgeführt?

Bei Rhythmus und Dauer der Hafertage gibt es unterschiedliche Ansätze, z.B.:

  • 2–3 aufeinanderfolgende Hafertage in einer Woche mit Wiederholungen nach 4–8 Wochen.
  • Über 4–8 Wochen 2 Hafertage pro Woche im Abstand von wenigen Tagen.
  • Zur Stabilisierung des Körpergewichts und des Langzeitblutzuckers dauerhaft ein Hafertag pro Woche als „Entlastungstag“.

Merke

Wichtig ist ein kurz- wie langfristig wirksames Modell, das an die Erkrankung angepasst und im Alltag und Umfeld der Patient*innen umsetzbar ist!

Welche allgemeinen Aspekte sind wichtig?

  • Aufgrund der Stoffwechselumstellung und der möglichen Stimmungsschwankungen sind wichtig: eine gute körperliche und psychische Verfassung, keine akuten Krankheiten, eine ausreichend hohe Eigenmotivation.
  • Die aktuelle Stoffwechsellage und die derzeitige medikamentöse Diabetestherapie müssen die Durchführung der Hafertage erlauben.
  • Die Verträglichkeit von Hafer bei den Patient*innen muss gegeben sein.
  • Vor den Hafertagen sollten Hafer und andere ballaststoffreiche Lebensmittel verstärkt in die Ernährung eingebaut werden.
  • Während der Hafertage müssen die Patient*innen durchgängig betreut und beraten werden – vor allem bei der erstmaligen Anwendung.
  • Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in Form von Wasser und Tee ist wichtig. Die Ballaststoffaufnahme über die Haferflocken liegt bei 23 g pro Tag, die Energiezufuhr bei unter 1000 kcal.
  • Regelmäßige, moderate Bewegung verbessert auch während der Hafertage die Insulinwirkung.
  • Nach Abschluss der Hafertage ist ein sanfter Übergang zur normalen Ernährung zu empfehlen: dauerhaft ballaststoffreich, vielseitig, pflanzliche Lebensmittel.

Wie wird die Insulin- bzw. Antidiabetika-Therapie angepasst?

  • Sulfonylharnstoffe sollten 2 Tage vor Beginn der Hafertage abgesetzt werden (aufgrund der Halbwertszeit und der Gefahr von Hypoglykämien).
  • Antidiabetika, die keine Hypoglykämien auslösen, können weiterhin gegeben werden.
  • Die Insulingabe am Vorabend des ersten Hafertags sollte auf ca. 50–60 % reduziert werden.
  • Der Blutzucker muss – gemäß festgelegter individueller Blutzuckerzielwerte – engmaschig kontrolliert werden, damit Antidiabetika- und Insulindosis angepasst werden können.
  • Mögliche Unterzuckerungssituationen sollten im Vorfeld besprochen werden.

Wie sehen die Mahlzeiten an den Hafertagen aus?

Es gibt 3 Mahlzeiten pro Tag, süß oder herzhaft. Keine Zwischenmahlzeiten.

Mahlzeitenbeispiele an den Hafertagen

Süße Hafermahlzeit

Ca. 500 ml Wasser aufkochen. 75 g Haferflocken einrühren und ausquellen lassen. Dazu 25 g Obst (Beeren, Kiwi …) oder 10 g gehobelte Mandeln und etwas Zimt.

Herzhafte Hafermahlzeit

Ca. 500 ml Wasser oder Gemüsebrühe aufkochen. 75 g Haferflocken einrühren und ausquellen lassen. Dazu frische oder tiefgekühlte Kräuter und/oder 50 g kleingeschnittener Lauch (roh oder in einer Pfanne bei geringer Hitze ohne Fettzugabe vorgaren).

Wodurch unterscheiden sich die Hafer-Entlastungstage?

Neben den hier beschriebenen intensiven Hafertagen empfiehlt es sich auch, dauerhaft regelmäßig Entlastungstage in die Ernährung einzubauen. Diese können ganz haferbetont sein oder ein wenig mehr Flexibilität bei den Zutaten zulassen und z. B. mit weiteren Obst- und Gemüsesorten, mit Säften ohne Zuckerzusatz, mit Haferdrink, mit ballaststoffreichem Brot, mit Reis, Bulgur oder Couscous gestaltet werden. Wichtig ist es, auf eine stark reduzierte Kalorienaufnahme zu achten.

Im folgenden Fallbeispiel zeigt sich, dass eine moderne Pharmakotherapie und die altbewährten Hafertage eine hervorragende Kombination in der Therapie des Diabetes Typ 2 darstellen.

Dieser Inhalt unterliegt den Bestimmungen gemäß Heilmittelwerbegesetz (HWG) und darf nur berechtigten Personen zugänglich gemacht werden. Bitte loggen Sie sich ein, um diesen Inhalt zu sehen.

Die Initiative „Hafer Die Alleskörner“ hat 2 Broschüren zu den Hafertagen herausgegeben:

  • eine Broschüre für die ernährungsberatenden Fachkräfte mit Informationen aus wissenschaftlichen Studien sowie Leitfäden für die Vorbereitung und Durchführung der Hafertage,
  • eine Broschüre für Fachkräfte und Patienten mit Speiseplänen, Rezepten und Verzehrideen.

Die Broschüren können hier kostenfrei bestellt werden.

 

Der Artikel ist erschienen in E&M 4/2018.

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Prof. Dr. Bjoern A. Remppis ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie und Chefarzt der Klinik für Kardiologie am Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen. Einer seiner wissenschaftlichen Schwerpunkte liegt auf der Herzinsuffizienzforschung. Am HGZ werden Hafertage seit 2009 als diätetische Therapie bei Herz- und Diabetespatienten eingesetzt.

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