Pflegetherapeutische AromakulturAromatherapie und Aromapflege: Möglichkeiten und Nutzen

Die Pflegetherapeutische Aromakultur (PTAK) dient als integrative personenzentrierte Pflegemethode der Förderung und Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens.

Ätherische Öle in einer dunklen Flasche (Lavendel und Thymian).
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Aromatherapie und Aromapflege werden unter dem Dachbegriff Pflegetherapeutische Aromakultur (PTAK) zusammengefasst.

von Gisela Hillert

Inhalt

Einleitung – Status quo der PTAK in Europa

Ziele

Kernkompetenz und Nutzen der PTAK

Implementierung in Klinik oder Einrichtung

Qualitätsmanagement

Diskussion und Ausblick

Die Pflegetherapeutische Aromakultur (PTAK) umfasst Aromatherapie und Aromapflege. Sie geht inzwischen über die Bereiche der Palliativversorgung und Altenpflege hinaus: Auch in einigen Kliniken kommt sie bereits zur Anwendung. Ein Beitrag über die Möglichkeiten der Implementierung und die ökonomischen Aspekte.

Glossar

Hydrolat

Nebenprodukt der Wasserdampfdestillation ätherischölhaltiger Pflanzen. Enthält geringe Mengen wasserlösliche und in der Regel leicht flüchtige, organische Komponenten (v. a. ätherische Öle) der destillierten Pflanze.

Diffusor

elektrisch betriebenes Gerät zur Dispersion von ätherischen Ölen in der Luft.

Einleitung – Status quo der PTAK in Europa

Pflege ist heute durch die Ökonomisierung des Gesundheitssystems oft auf reine Funktionalität reduziert. Hierunter leiden Patienten und Patientinnen, die vielfach dementen Pflegeheimbewohner und -bewohnerinnen sowie die Pflegefachkräfte gleichermaßen. Bei dem salutogenetischen Ansatz der pflegetherapeutischen Aromakultur (PTAK) dagegen steht der Mensch mit seinen Möglichkeiten und Ressourcen im Kontext seiner körperlich-geistig-seelischen Gesamtsituation im Fokus ([Abb. 1], [2]). Palliativstationen und Hospize waren sicherlich Vorreiter dieser Heil- und Pflegekultur, aber auch in der Psychiatrie, Geriatrie und in Kliniken mit Ausrichtung auf eine Integrative Medizin/Versorgung werden verstärkt aromatherapeutische und -pflegerische Anwendungen angeboten. Während sie in Großbritannien und Frankreich als seriöse integrative Heil- und Pflegemethode anerkannt ist, hat die PTAK im deutschsprachigen Raum noch nicht diesen Stellenwert auf breiter Ebene [1]. Seit 2010 gibt es einen deutlichen Anstieg bei der Integration von ätherischen Ölen in französischen Krankenhäusern, unterstützt beispielsweise von der Gattefossé-Stiftung (gattefosse.com), die Preise und Zuschüsse für krankenhausbasierte Initiativen und solche in der Altenpflege anbietet ([2], 382).

Ziele

PTAK versteht sich als sinnvoller Teil eines Gesamtkonzeptes mit dem Ziel der Verbesserung von Gesundheit, Lebensqualität und klinischen Erfolgen. Um die PTAK erfolgreich und dauerhaft im klinischen Umfeld zu implementieren, ist ein evidenzbasierter Ansatz, der die reichhaltige und langjährige Expertise aus der Praxis inkludiert, unabdingbar. Hierfür ist es wünschenswert, dass sich neben einer verstärkten Berücksichtigung in Aus- und Weiterbildung der Pflegefachkräfte, Ärzte/Ärztinnen und weiterer beteiligter Berufsgruppen auch die Berichterstattung in renommierten Fachjournalen diesen Themen widmet.

Kernkompetenz und Nutzen der PTAK

Aromapflege bedeutet den professionellen Einsatz naturreiner ätherischer und fetter Pflanzenöle sowie von Hydrolaten bei pflegerischen und prophylaktischen Handlungen. Als integrative personenzentrierte Pflegemethode dient sie der Förderung und Erhaltung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Sie leistet wertvolle Hilfe zum Abbau von Stress, Anspannung und Ängsten und kann belastende Symptome lindern. Dabei erfolgt die Aromapflege im eigenverantwortlichen Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Altenpflege über den Geruchssinn und über die intakte Haut, die äußere Intimregion und Mundschleimhaut, im ärztlich delegierten Bereich dagegen bei medizinischen Indikationen. Im neu geprägten Begriff der PTAK werden Aromatherapie und Aromapflege nicht getrennt voneinander betrachtet, sondern als ein Gesamtkonzept, bei dem Therapie und Pflege Hand in Hand gehen.

Merke

Ein großer Vorteil der ätherischen Öle ist, dass sie neben ihren zahlreichen, klinisch erprobten, pharmakologischen Effekten auch noch duften.

 Sie haben Einfluss auf wichtige Regulationssysteme im Organismus (limbisches System, Hormon- und Immunsystem, vegetatives Nervensystem). Durch diese einzigartige Kombination aus pharmakologischer und sinnesphysiologischer Wirkung lösen sie individuelle und vielfältige Reaktionen auf physischer und psychischer, psychosomatischer und psychophysiologischer Ebene aus ([2], 385).

PTAK

Anwendungsbereiche und -möglichkeiten:

im eigenverantwortlichen Sektor nach Pflegediagnose

  • Raumduft

  • Hautpflege

  • Intimpflege

  • Mundpflege

  • Einreibungen und Streichungen

  • Waschungen und Bäder

  • Wickel und Auflagen

  • basale Stimulation

im phytotherapeutischen Sektor medizinisch indiziert, ärztlich angeordnet und delegiert

  • beim Wundmanagement

  • bei Krankheitssymptomen

  • bei Therapie-Nebenwirkungen (z. B. durch Chemo- und Radiotherapie)

So kann eine angenehme Raumbeduftung bei Patienten/Patientinnen und Pflegefachkräften gleichermaßen für eine entspannte Grundstimmung sorgen. Zitrusdüfte wie Zitrone (Citrus limon), Orange (Citrus sinensis) oder Grapefruit (Citrus paradisi) sind erfrischend-anregend und sorgen für gute Laune. Eine ausgeglichene Gemütsverfassung wirkt sich günstig auf den Heilungsverlauf und die Gesundheit aus, wie sich immer wieder zeigt. Kombinationen aus Zitrone mit Nadeldestillationen wie Douglasie (Pseudotsuga menziesii) oder Zirbelkiefer (Pinus cembra) tragen zur Raumluftverbesserung bei, ein wichtiger Aspekt in Altenheimen oder bei Erkrankungen, die mit der Entwicklung von üblen Gerüchen einhergehen. Angehörige kommen lieber zu Besuch, wenn es angenehm riecht, und auch die Pflege fällt deutlich leichter. Mit dieser einfachen Maßnahme kann sehr wirkungsvoll einer Vereinsamung von Betroffenen vorgebeugt werden. Selbstverständlich ersetzen diese Maßnahmen kein sachgerechtes Lüften der Räume. Nach einer Literaturrecherche von Stolz et al. aus 2020 [3] gibt es erste Hinweise auf eine positive Wirkung auf Infektionen der Atemwege durch den Einsatz von Diffusoren mit ätherischen Ölen wie Weißtanne (Abies alba), Zitrone (Citrus limon) oder Ravintsara (Cinnamomum camphora). Am Abend kann ein dezenter Duft von Lavendel (Lavandula angustifolia) und Mandarine (Citrus reticulata) auf den Schlaf vorbereiten.

Wichtig sind ein korrekter und hygienischer Umgang sowohl mit den verwendeten ätherischen Ölen als auch mit den Beduftungsgeräten. Zu berücksichtigen ist, ob es sich um Einzel- oder Mehrbettzimmer handelt oder ob Gruppen- oder Aufenthaltsräume beduftet werden.

Merke

Es sollten alle beteiligten Personen den Geruch akzeptieren können.

 Hautpflege mit hochwertigen Aromamischungen schützt und erhält nicht nur einen gesunden Zustand der Haut, sondern wirkt durch die damit verbundene Zuwendung vertrauensbildend und psychisch stabilisierend. Gleiche Effekte zeigen sich bei der Anwendung von Waschungen, Bädern, Wickeln und Auflagen. Manch eine zusätzliche dermatologische Behandlung oder gar ein Dekubitus lassen sich so vermeiden.

Die Mundpflege ist ein äußerst sensibles und doch zentrales Thema in der Pflege, denn es handelt sich um eine intime Zone des Menschen. Xerostomie oder eine Mukositis können durch Erkrankungen, Chemo- oder Radiotherapie, Nahrungskarenz, Mundatmung oder einfach durch hohes Alter ausgelöst werden. Dies ist für die Betroffenen sehr unangenehm bis schmerzhaft. Nicht immer ist ein Verabreichen von Flüssigkeit sinnvoll wie im Finalstadium einer palliativen Versorgung. Die professionelle Mundpflege mit geeigneten Aromamischungen (als Öl-Pinselung oder Mundspray) kann große Erleichterung bringen.

In der Altenpflege können mit einfach durchzuführenden Aroma-Handmassagen Unruhezustände und Agitiertheit günstig beeinflusst werden. Sie lassen sich gut in die Alltagsroutine integrieren. Das Ergebnis: eine deutlich entspanntere Situation in der Wohngruppe. Dies entlastet die Pflegekräfte spürbar.

Merke

Darüber hinaus ist oftmals eine Reduktion von Sedativa und Psychopharmaka möglich.

 Diese beiden Wirkstoffgruppen können neben vielen unerwünschten Wirkungen ([Tab. 1]) gefährliche nächtliche Stürze nach sich ziehen. Gravierende Folgen sind oftmals Oberschenkelhalsfrakturen, von denen sich die Betroffenen nicht wieder erholen.

Therapieunterstützende Pflegemaßnahmen werden von den behandelnden Ärzten und Ärztinnen angeordnet, ihre Durchführung an die Pflegefachpersonen delegiert. Ärzte und Ärztinnen können hierfür individuell herzustellende aromatherapeutische Rezepturen verordnen. Auf diese Weise lassen sich krankheits- und therapiebedingte Nebenwirkungen lindern, schlecht heilende und manchmal übelriechende Wunden günstig beeinflussen, der Abbau von Hämatomen fördern, oder gastrointestinale Beschwerden wie Abdominalkrämpfe, Blähungen, Obstipation und Übelkeit mildern. All diese Symptome können die Menschen zusätzlich belasten. Daher sind die Betroffenen oft sehr dankbar, wenn sich Pflegefachkräfte mit wohlduftenden Anwendungen ihrer Probleme annehmen. Nach Klinikentlassung besteht für Patienten/Patientinnen und/oder Angehörige vielfach die Möglichkeit, mit im Handel befindlichen Aromamischung-Fertigprodukten die in der Klinik durchgeführten Anwendungen zu Hause in Eigenregie weiterzuführen – ein wertvolles Mittel für die Selbstwirksamkeit in Therapie und Fürsorge ([Abb. 3]).

Implementierung in Klinik oder Einrichtung

Der Weg führt von der Idee über den Start eines Pilotprojektes, dessen möglicher Erweiterung und idealerweise bis hin zur Eingliederung des Projektes in die Regelversorgung. Je nach Setting (Akutklinik, Altenpflege, Hospiz, Palliativstation etc.) gilt es zunächst, Bedürfnisse zu erfassen sowie Ziele zu formulieren, in weiteren Schritten einen strukturellen Rahmen zu erstellen und Handlungsstandards zu etablieren. Dazu bedarf es einer verbindlichen intra- und interprofessionellen Zusammenarbeit. Wichtig ist es, die verschiedenen Interessen aus dem Management, ökonomische und rechtliche Aspekte von Anfang an in die Gestaltung miteinzubeziehen. Hier hat sich die Devise „start low, go slow“ bewährt, um keinen Bereich zu überfordern.

Merke

Lieber mit wenigen gezielten, aber dafür bewährten Produkten/Anwendungen beginnen.

Beispiele sind Lavendel-Fußbäder oder -einreibungen zur Schlafförderung, Bauchwickel mit bekannten karminativen Ölen oder Brustauflagen bei Atemwegserkrankungen zur Erleichterung des Durchatmens (s. Kästen Rezepturbeispiele).

Schlafmischung

8 Tr. Orange (Citrus sinensis)

3 Tr. Lavendel (Lavandula angustifolia)

5 Tr. Majoran (Origanum majorana)

2 Tr. Rosengeranie (Pelargonium graveolens)

50 ml Mandelöl

Zur Hand-, Fuß- oder Brustmassage

(Wabner & Beier 2012 [4])

4-Winde-Öl

5 Tr. Anis (Pimpinella anisum)

5 Tr. Fenchel süß (Foeniculum vulgare var. dulce)

5 Tr. Koriandersamen (Coriandrum sativum)

5 Tr. Kreuzkümmel (Cuminum cyminum)

100 ml Sesamöl

Ölkompresse oder Bauchmassage im Uhrzeigersinn

(Steflitsch 2013 [5]

Atmen

Öl für atemstimulierende Einreibung (ASE)

8 Tr. Zitrone (Citrus limon)

3 Tr. Myrte Türkei Ct. Cineol (Myrtus communis)

3 Tr. Thymian Ct. Linalool (Thymus vulgaris)

5 Tr. Fichte (Abies sibirica)

50 ml Mandelöl

Brust und Rücken nach Technik der ASE einreiben

(Wabner & Beier 2012 [4])

 Die Gründung eines speziell aus- und kontinuierlich weitergebildeten Aroma-Kompetenz-Teams unter Benennung einer verantwortlichen Leitung gewährleistet Sicherheit und korrekte Umsetzung der Anwendungen. Die Integration von PTAK bedeutet für eine Institution ein zusätzliches Plus in der Außenwirkung. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit mit ansprechenden Flyern oder Informationsblättern und ein Hinweis auf der Einrichtungs-Website vermitteln Patienten/Patientinnen die Information „bei uns stehen Sie als ganzer Mensch im Mittelpunkt“ [6].

Merke

Die Beschaffung der Aromaprodukte und die Herstellung der Aromarezepturen sowie deren Finanzierung und eventuelle Kostenübernahme müssen geklärt werden.

 Je nach Anwendungsform, Einsatzbereich oder therapeutischer Indikation mit ärztlicher Anordnung, kommen Produkte aus unterschiedlichen rechtlichen Produktkategorien in Frage: Zur Raumbeduftung, d. h. Anwendung nicht am oder im Menschen, eignet sich die Kategorie Bedarfsgegenstände, Pflegeprodukte fallen als Fertigprodukte in die Kategorie Kosmetikum.

Für alle medizinisch indizierten und ärztlich angeordneten Mischungen sind Fertigarzneimittel oder individuell in einer Apotheke hergestellte Rezepturarzneimittel zu verwenden [7] [8]. An dieser rechtlichen Grundsituation muss sich der Einkauf orientieren. Insbesondere bei Rezepturarzneimitteln wie auch bei hausintern entwickelten Aromarezepturen ist eine genaue Absprache mit der herstellenden Apotheke wichtig und zielführend hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ölen mit Zertifikat gemäß Apothekenbetriebsordnung, galenischer Machbarkeit und entstehender Kosten.

Merke

Die Herstellung von Aromamischungen fällt nicht in den Kompetenzbereich von Pflegefachkräften.

Eine Missachtung dieser Gesetzeslage kann empfindliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen [9].

Ätherische Öle haben sehr unterschiedliche Preise, u. a. abhängig von Verbreitung und Kultivierung der Stammpflanzen, Komplexität der Ölgewinnung und Ausbeute. Sie sind auch nicht immer gleichmäßig verfügbar, handelt es sich doch um Naturprodukte, die klima-, witterungs- und erntebedingten Schwankungen unterliegen. Viele der Stammpflanzen wachsen in exotischen Ländern, und die aus ihnen gewonnenen Öle müssen importiert werden, sodass auch geopolitische Verhältnisse eine Rolle spielen können. Ätherische Öle werden als konzentrierte Naturstoffgemische oftmals nur in sehr kleinen Mengen für eine Rezeptur benötigt. Neben einem hohen und anspruchsvollen Prüfaufwand entstehen der herstellenden Apotheke Anbrüche dieser empfindlichen Substanzen mit sehr unterschiedlicher Haltbarkeit. Eine vor Licht geschützte Lagerung bei konstanter Temperatur von 20°C der idealerweise mit Inertgas überschichteten ätherischen Öle gewährleistet bestmögliche Stabilität. Würde nun ein zu großes Spektrum verschiedener ätherischer Öle für Rezepturen gefordert, ergäbe sich für die Apotheke eine schlecht planbare und unwirtschaftliche Situation. Es müssten immer wieder selten eingesetzte und infolgedessen verfallene Öl-Anbrüche verworfen werden. Darüber hinaus stellt ein solches Vorgehen eine vermeidbare Verschwendung kostbarer und begrenzter natürlicher Ressourcen dar. Insofern ist es sinnvoll, interdisziplinär mit der Apotheke einen Konsens zu finden und sich auf ein überschaubares Portfolio an ätherischen Ölen zu einigen. Das vermeidet Missverständnisse und Frustrationen auf beiden Seiten.

Last but not least schafft eine klare und präzise Dokumentation sämtlicher pflegetherapeutischer Anwendungen, möglichst in die digitale Patientendokumentation integriert, Transparenz, Rechtssicherheit und Reproduzierbarkeit. Dies kann Arbeitsabläufe vereinfachen und als Basis für sukzessive breiter werdende empirische Erkenntnisse dienen. Ein Evaluationskonzept ermöglicht eine zukunftsweisende Entwicklung des Projekts.

Qualitätsmanagement

In Standard-Handlungsanweisungen (SOP=Standard Operating Procedure) sollten die Rahmenbedingungen sowie Durchführung, Aus- und Fortbildung der Mitwirkenden im Bereich der PTAK klar beschrieben werden. Nützlich hinsichtlich einer einheitlichen Vorgehensweise ist die Erstellung eines Handbuches, welches regelmäßig aktualisiert wird. Ein wichtiger Punkt ist die Festlegung von Verantwortlichen mit genauer Beschreibung der jeweiligen Zuständigkeiten und Befugnisse. Der korrekte und hygienische Umgang mit allen Materialien, die in der PTAK verwendet werden, gehört ebenso hierzu wie der logistische Ablauf von Bestellung, Lagerung und Kontrolle der Haltbarkeitsdaten. Je nach Setting wird eine Liste der zur Anwendung kommenden Produkte erstellt. In der Geriatrie kommen beispielsweise andere Produkte zum Einsatz als in der Onkologie, der Gastroenterologie oder der Psychiatrie.

Kommen neben Aroma-Fertigprodukten auch von der Apotheke angefertigte aromatische Rezepturarzneimittel zum Einsatz, so empfiehlt sich die Durchführung eines Verträglichkeitstests mit patientenbezogener Dokumentation vor der Anwendung. Eine Einverständniserklärung der Patienten/Patientinnen bzw. Bewohner/Bewohnerinnen kann sowohl auf einem Extra-Formblatt eingeholt werden als auch in den Behandlungsvertrag der Institution integriert sein. Voraussetzung für Letzteres ist deren Information über die hausinterne PTAK.

Diskussion und Ausblick

Vermutlich liegt die zögerliche Etablierung aromatherapeutischer und -pflegerischer Interventionen an einer immer noch großen Skepsis insbesondere seitens der Ärzteschaft und der Institutionsleitungen. Das ist auf der einen Seite nachvollziehbar, denn diese Berufsgruppen tragen die hauptsächliche medizinische, rechtliche und finanzielle Verantwortung für die Anwendungen. Andererseits sind es bei sorgfältiger Implementierung sehr sichere, gut untersuchte und empirisch etablierte Verfahren, wenn sie von speziell dafür qualifizierten therapeutischen und pflegenden Fachpersonen durchgeführt werden. Leider werden die dafür erforderlichen Kenntnisse aktuell wenig bis gar nicht in der Ausbildung von Medizinern und Pflegefachpersonal vermittelt. Aus dieser Unkenntnis der Materie resultiert eine momentan noch verbreitete Unsicherheit in Fachkreisen. Damit werden immer wieder hoffnungsvoll begonnene Implementierungen der PTAK in bestehende Versorgungskonzepte blockiert, z. B. bei wechselnden Pflegedirektionen, Stationsärzten oder Einrichtungsträgern. Auch der vielfach berichtete hohe Zeitdruck in Klinik und Pflege steht nach Aussagen einiger Therapeuten und Pflegefachkräfte einer Implementierung diametral entgegen. Dabei zeigt sich in Einrichtungen, die PTAK erfolgreich anwenden, genau das Gegenteil, nämlich eine Verbesserung der Gesamtsituation und geringere Stressbelastung. Nach meinem Ermessen existiert ein großer Bedarf, diese Themen in die Aus- und Weiterbildung aller beteiligten Berufsgruppen zu integrieren. Nur so ist eine sichere und professionelle Umsetzung der PTAK gewährleistet.

Die Integration der Aromatherapie und, ich möchte ergänzen, der Aromapflege in die medizinische Regelversorgung, steht im Einklang mit der weltweiten Entwicklung hin zu einer integrativen Gesundheitsversorgung. Dies stimmt überein mit der WHO-Strategie für traditionelle Medizin 2014–2023, die eine stärker personenzentrierte Gesundheitsversorgung fördert ([2], 388). Eine stärkere staatliche Förderung der Versorgungsforschung könnte einen Anschub leisten, um Forschungsprojekte zur klinischen Relevanz dieser Methoden zu realisieren.

Gisela Hillert
Apothekerin und Fachbeirätin im Vorstand von FORUM ESSENZIA e.V.
 

Interessenkonflikt

Die Autorin hat während der letzten 3 Jahre Vortragshonorare von der Bahnhof-Apotheke Kempten (Allgäu) erhalten.

[1] Steflitsch W. Kurze Geschichte der Aromatherapie. In: Steflitsch W, Wolz D, Buchbauer G, Hrsg. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach: Stadelmann; 2013: 8

[2] Lewis R. Aromatherapy. In: Baser KHC, Buchbauer G, eds. Handbook of Essential Oils. 3rd ed. Boca Raton: CRC Press; 2020: 382; 385; 388

[3] Stolz R, Kröger B, Joos S. et al. Die Zerstäubung von ätherischen Ölen in der Raumluft zur Prävention und/oder Behandlung von Infektionen der Atemwege. Erste Ergebnisse einer Literaturrecherche. Pflegewissenschaft 2020; 22: 49-52

[4] Wabner D, Beier C. Aromatherapie: Grundlagen, Wirkprinzipien, Praxis. München: Urban & Fischer; 2012. 449. 480

[5] Steflitsch W. Gastroenterologie und Stoffwechselerkrankungen. In: Steflitsch W, Wolz D, Buchbauer G, Hrsg. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach: Stadelmann; 2013: 217

[6] AG Pflege, Forum Essenzia e.V. Wegweiser für die Implementierung. FORUM Sonderausgabe: Wegweiser „Pflegetherapeutische Aromakultur“ 2021: 6-7

[7] AG Pflege, Forum Essenzia e.V. Umgang mit ätherischen Ölen. FORUM Sonderausgabe: Wegweiser „Pflegetherapeutische Aromakultur“ 2021: 8

[8] AromaAlliance, Hrsg. Leitfaden: Aromatherapie – Aromapflege – Aromakultur. 2020: 9–13 https://aromaalliance.org/content/leitfaden/

[9] Forster T, Sieper M, Reinhart S. Rechtssicherheit am Krankenbett. FORUM Sonderausgabe: Wegweiser „Pflegetherapeutische Aromakultur“ 2021; 9-11

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