RückenschmerzWasser gegen Schmerz

Egal, ob warm oder kalt: Wasser kann bei einer Vielzahl an Beschwerden Linderung verschaffen. Es reguliert die Aktivität des vegetativen Nervensystems, stimuliert Stoffwechsel, Muskeltonus und Durchblutung. Hier erfahren Sie, wie verschiedene Ansätze der Hydrotherapie gegen Schmerzen helfen und wie Sie sie selbst anwenden können.

Wassertropfen und unruhige Wasseroberfläche
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Wasser kann eine Vielzahl an Beschwerden lindern.

von Peter W. Gündling

Die Wasserheilkunde oder Hydrotherapie ist ein regulationsmedizinisches Verfahren par excellence. Ihr Wirkungsfeld ist das vegetative Nervensystem. Richtig angewandt, verbessert sie die Mikro- und Makrozirkulation, regt den Zellstoffwechsel an, verbessert den Gas- und Nährstoffaustausch, moduliert das Immunsystem und schafft einen Ausgleich zwischen Sympathikus und Parasympathikus.

Inhalt

Allgemeine Wirkungen

Wirkungen auf das vegetative Nervensystem

Grundregeln der Hydrotherapie

Hydrotherapeutische Anwendungen gegen Schmerzen

Allgemeine Wirkungen

Kaltes sowie warmes Wasser stimulieren die äußeren Thermorezeptoren, die diese Information über afferente (Aδ-)Nervenfasern an das zentrale Thermoregulationszentrum im Hypothalamus weiterleiten. Über motorische und vegetative Fasern kommt es dabei, je nach thermischem Reiz, durch Beeinflussung der Skelettmuskulatur und der inneren Organe zur Wärmebildung, Dilatation oder (kurzzeitiger) Konstriktion der Gefäße. Zudem werden immunologische und hormonell-humorale Reaktionen insbesondere des Hypophysen-Nebennierenrinden-Systems angeregt.

Je nach Dauer und Intensität dieser Reizfaktoren sowie der Größe des behandelten Körperareals kommt es durch die Hydrotherapie einerseits zu einer Steigerung der Durchblutung und der Stoffwechselleistung des behandelten Gebietes und seiner Reflexzonen. Andererseits werden Mediatoren freigesetzt, Lysozyme und andere Enzyme aktiviert, lokale und allgemeine Abwehrmechanismen angeregt, die Schmerzschwelle sowie die Dehnbarkeit des Bindegewebes erhöht und der Muskeltonus gemindert.

Wirkungen auf das vegetative Nervensystem

Ein erhöhter Muskeltonus und sich daraus entwickelnde Schmerzen sind Ausdruck eines überaktiven Sympathikus. Wie beschrieben, haben hydrotherapeutische Anwendungen bereits durch die Stimulation der Thermorezeptoren einen Effekt auf das vegetative Nervensystem und das Hypophysen- Nebennierenrinden-System und können so bei wiederholter Anwendung zu einer Regulationsverbesserung und einem Ausgleich beitragen. Werden die Reize regelmäßig appliziert, erfolgt ein Anpassungseffekt, bei dem es durch die Down-Regulation von Adrenalin zu einer dauerhaften Minderung des Sympathikotonus und einer Regeneration des Regelmechanismus kommt. Durch das regelmäßige Gefäßtraining werden zudem die Vaso-Motion gefördert und die Endothelfunktion regeneriert.

Über diese Mechanismen wirkt die Hydrotherapie nicht nur Schmerzen am Bewegungsapparat wie Lumbalgie, Nacken- und Kopfschmerzen entgegen, sondern auch durchblutungsbedingten Beschwerden wie Migräne und arteriellen oder venösen Beinschmerzen.

Grundregeln der Hydrotherapie

Obgleich die Durchführung hydrotherapeutischer Maßnahmen recht einfach ist, müssen doch einige Grundsätze beachtet werden, bei deren Verletzung die Therapie nicht wirkt – und sogar schaden kann. Der wichtigste Parameter nach einer richtig dosierten Wasseranwendung ist das Wohlbefinden des Patienten. Herzklopfen oder Schwindel nach einem Vollbad oder anhaltendes Kältegefühl nach einer kalten Anwendung sind Fehlreaktionen, die es durch eine korrekt gewählte und dosierte Anwendung zu vermeiden gilt.

Jeglicher Kaltreiz sollte nur an einem warmen Körper und auf warmer Haut erfolgen. Ist der Patient oder der entsprechende Körperteil kalt, muss zuvor eine Erwärmung, aktiv durch Bewegung oder passiv durch warme Getränke, warme Kleidung oder Bettwärme erfolgen. Das Gleiche gilt nach einer Anwendung: Wiedererwärmung, aktiv oder passiv.

Außerdem sollten verschiedene Anwendungen in der Regel nicht direkt aufeinanderfolgen, da sie sonst die Reaktionsfähigkeit des Körpers überfordern. Ebenso unmittelbar vor oder nach den Mahlzeiten sollten – mit Ausnahme von verdauungsfördernden Maßnahmen wie einer feuchtwarmen Abdominalpackung – keine Wasseranwendungen durchgeführt werden.

Der Zeitabstand sollte mindestens 30–60 min betragen. Schließlich hat bereits Kneipp in seinem Buch „Meine Wasserkur“ betont, dass der mildeste Reiz, der eben noch wirkt, der beste sei. Der häufigste Fehler, der bei der Anwendung von Wasserheilverfahren gemacht würde, sei der zu starke Reiz.

Prinzipien der Wasserheilkunde

  • Nie kaltes Wasser auf kalte Haut geben.
  • Vor- und nachwärmen
  • Der mildeste Reiz, der wirkt, ist der beste.

(Wechsel-)Bäder

  • Anregung von Stoffwechsel und Durchblutung
  • Stabilisierung des vegetativen Nervensystems

(Wechsel-)Güsse

  • Verbesserung der Durchblutung
  • Ausgleich des vegetativen Nervensystems
  • ausleitend und tonisierend

Heusack, Moorpackung

  • Entspannung der Muskulatur
  • Verbesserung der Durchblutung

Badezusätze

  • wärmend, durchblutungsanregend: Ingwer, Senfmehl
  • entspannend, vegetativ stabilisierend: Melisse, Lavendel, Baldrian

Hydrotherapeutische Anwendungen gegen Schmerzen

Hydrotherapeutische Anwendungen wirken sich ganz allgemein positiv auf das vegetative Nervensystem, den Muskeltonus und die Durchblutung aus. Zur Therapie sowie zur Prävention von Schmerzen im Speziellen haben sich insbesondere Verfahren bewährt, die vom Patienten auch zu Hause leicht selbst durchgeführt werden können und die deshalb nachfolgend detailliert beschrieben werden.

Güsse

Güsse sind das Herzstück der Kneipp‘schen Hydrotherapie. Sie werden idealerweise mit einem Schlauch von 1,5 m Länge und ¾ Zoll (20 mm) Durchmesser oder einem Gießhandstück, das anstelle des Brausekopfes auf den Duschschlauch geschraubt wird, durchgeführt. Sollte beides nicht zur Verfügung stehen, tut es ersatzweise auch eine weichgestellte Handbrause.

Güsse wirken – wie Wasseranwendungen generell – entzündungshemmend, abschwellend, schmerzlindernd und durchblutungsverbessernd. Bei Schmerzen zur Selbstanwendung empfehlen sich sog. Flachgüsse, die ohne Druck verabreicht werden, sodass das Wasser den jeweiligen Körperteil „ummantelt“. Dabei werden kalte (bis 15 °C), temperierte (18–22 °C), ansteigende (von ca. 34 °C bis ca. 44 °C) und Wechselgüsse, die zuerst warm (36–38 °C), dann kalt, dann wieder warm und abschließend kalt ausgeführt werden, unterschieden.

Prinzipien bei der Durchführung von Güssen

  • Die Stärke des Wasserstrahls wird so eingestellt, dass bei schräg nach oben gehaltener Schlauchöffnung, das Wasser etwa handbreit heraussprudelt.
  • Der Raum muss gut warm sein.
  • Auf Wiedererwärmung durch Bewegung oder im Bett (ggf. mit Socken) achten!
  • Der zeitliche Abstand zu körperlichen Anstrengungen sollte mindestens 30 min betragen.
  • Bei der Durchführung von Güssen an den Beinen sollte der Patient möglichst auf einem Kunststoff- oder Holzrost stehen, damit die Füße nicht kalt werden.
  • Immer vom Herzen entfernt, d. h. rechts, unten, außen, beginnen!
  • Bei kalten Güssen vorher einatmen und mit Beginn des Gusses ausatmen. Auf eine ruhige Atmung und entspannte Körperhaltung während des Gusses achten.

Diese Anwendungen sind leicht erlernbar und können nach entsprechender Anleitung vom Patienten eigenhändig ausgeführt werden:

Kopfschmerzen: Kalter Gesichtsguss

Der von Kneipp als „Schönheitsguss“ bezeichnete kalte Gesichtsguss ist einfach und schnell durchzuführen, wirkt reflektorisch auf die gesamte Kopfregion und ist sowohl bei Kopfschmerzen als auch bei Erschöpfungszuständen und nachlassender Sehkraft indiziert. Er wird wie folgt durchgeführt:

Den Wasserstrahl am nach vorne gebeugten Kopf zunächst von der rechten Schläfe über die Stirn zur linken Schläfe führen. Anschließend erst die rechte, dann die linke Gesichtshälfte in Auf- und Abwärtsbewegungen begießen und zum Schluss das Gesicht kreisförmig umrundend begießen.

Wer es sich noch leichter machen möchte, kann auch zunächst die Stirn, dann die Augen und schließlich das ganze Gesicht unter die laufende Wasserleitung halten. Danach sollte das Wasser vom Gesicht nur leicht abgetupft werden.

Knie- und gefäßbedingte Kopfschmerzen: kalter Knieguss, Wechsel-Knieguss

Der Knieguss ist ebenfalls schnell und einfach durchführbar. Er ist indiziert bei Knie- und Unterschenkelschmerzen – insbesondere bei symptomatischer Gonarthrose – sowie bei gefäßbedingten Kopfschmerzen und kann, je nach Wärmebedarf, kalt oder als Wechselguss durchgeführt werden. Der Knieguss regt die Durchblutung an, erweitert die Arterien und wirkt blutdrucksenkend, entstauend, vegetativ beruhigend und schlaffördernd.

Bei niedrigem Blutdruck, Menstruation, Ischialgie, Nieren- und Blasenleiden sollte er nicht durchgeführt werden.

Der kalte Knieguss wird mit kaltem Wasser bis 15 °C durchgeführt und dauert nur etwa 2 Minuten: Der Wasserstrahl wird vom rechten lateralen Zehenrand über den Fußrücken außen am Bein nach oben bis eine Handbreit über das Knie geführt, oberhalb der Kniescheibe einen Moment verweilen, dann den Wasserstrahl am inneren Unterschenkel wieder abwärts bis zum Fuß führen. Anschließend folgt das linke Bein in gleicher Weise. Ganz zum Schluss folgen die Fußsohlen, erst rechts, dann links.

Im Unterschied dazu beginnt der Wechsel-Knieguss bei einer Wassertemperatur von 36–38 °C: Wie beim kalten Knieguss den Wasserstrahl zuerst am rechten, dann am linken Bein vom Fußrücken aufwärts bis über das Knie führen, so lange bis eine gute Durchwärmung eintritt. Erst dann wird der Wasserstrahl auf der Innenseite wieder abwärts geführt. Danach folgt der kalte Knieguss wie beschrieben. Anschließend die gesamte Prozedur einmal wiederholen und zum Schluss beide Fußsohlen kalt abgießen.

Beinschmerzen: kalter Schenkelguss, Wechsel-Schenkelguss

Als „großen Bruder“ des kalten Kniegusses könnte man den kalten Schenkelguss bezeichnen. Er wird fast ebenso ausgeführt wie der kalte Knieguss, allerdings über das gesamte Bein und den Gesäßmuskel bis hoch zum Beckenkamm. Indiziert ist er vor allem bei Beinschmerzen durch Krampfadern. Der Vorteil für kreislaufinstabile Patienten ist, dass der kalte Schenkelguss wenig blutdrucksenkend wirkt und damit gut vertragen wird.

Kontraindiziert ist er – ebenso wie der Knieguss – bei Menstruation, Ischialgie, Nieren- und Blasenleiden.

Lumbalgie, Ischialgie: der ansteigende Lumbalguss

Eine wahre Wohltat für verspannte und schmerzhafte Muskeln speziell im Rücken- und Nackenbereich sind (temperatur-)ansteigende Güsse. Diese wirken entspannend, entkrampfend und durchblutungssteigernd auf das behandelte Muskelareal sowie reflektorisch auf die segmental zugeordneten Brust-, Bauch- und Beckenorgane. Dadurch werden diese Gebiete besser mit Sauerstoff versorgt, abgelagerte Stoffwechselschlacken abtransportiert und die schmerzauslösenden Ursachen beseitigt.

Kontraindikationen sind lediglich akute Entzündungen in dem zu behandelnden Bereich. Ist eine entsprechende physikalische Einrichtung vorhanden, kann die Anwendung dort durchgeführt werden. Andernfalls kann der Patient dazu angeleitet werden, diese Anwendung zu Hause durchzuführen.

Eine echte Alternative zu Analgetika und Spritzen, aber auch zu Fango ist der ansteigende Lumbalguss. Er wirkt hervorragend und ist relativ leicht durchzuführen. Hilfreich ist es allerdings, wenn dabei eine zweite Person dem Patienten zur Verfügung steht. Zur Durchführung sollte sich der Patient am besten auf einen Hocker in der Dusche oder Badewanne setzen, während die zweite Person den weichen Wasserstrahl im Bereich der Lendenwirbelsäule langsam hin und her sowie auf und ab bewegt.

Die Wassertemperatur sollte anfangs etwa 34 °C betragen, also vom Patienten weder als warm noch als kalt empfunden werden, und ganz langsam, im Verlauf von 10 bis 15 (ggf. auch 20) min, bis zur Verträglichkeitsgrenze von etwa 43 °C gesteigert werden. Dadurch ist die Wärmeaufnahme des Körpers wesentlich größer, als wenn das heiße Wasser sofort auf die Haut appliziert wird und der Effekt ist dementsprechend deutlich besser.

Die Anwendung wird so lange durchgeführt, bis eine kräftige Rötung (Hyperämie) erreicht ist. Anschließend sollte sich der Patient gründlich abtrocknen und in entspannter Haltung (Unterschenkel erhöht) ruhen.

Schulter-Nacken- und Spannungskopfschmerz: der ansteigende Nackenguss

Für den Nackenguss sollte sich der Patient am besten mit dem Oberkörper über die Badewanne beugen, während eine 2. Person den weichen Wasserstrahl im Bereich der unteren Hals- und oberen Brustwirbelsäule langsam hin und her sowie auf und ab bewegt. Wie beim Lumbalguss sollte die Wassertemperatur anfangs etwa 34 °C betragen und ganz langsam über 10–15 min auf etwa 43 °C gesteigert werden. So lange, bis ebenfalls eine kräftige Hyperämie erreicht ist. Anschließend sollte sich der Patient ebenfalls gründlich abtrocknen und in entspannter Haltung ruhen.

Kontraindiziert ist dieser Guss bei arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz NYHA III und IV, Hyperthyreose, Glaukom und Katarakt.

Bäder

Bei Gelenk- und Muskelschmerzen, aber auch bei Kopfschmerzen und Migräne sind vor allem warme Bäder angezeigt, die eine vagotonisierende Wirkung haben. Sie dilatieren die Hautgefäße, sodass die Blutmenge in der Haut auf bis zu 1,5 l steigt. Die Schweißsekretion steigt, was zur Eindickung des Blutes und über eine Sogwirkung zur Entschlackung der Körperzellen und des Zwischenzellraumes führt. Zudem wird die Darmperistaltik aktiviert.

Dem gegenüber beeinflussen kalte Bäder den Sympathikus. Sie wirken blutverdünnend, pH-Wert-senkend, blutzuckersteigernd und hemmen die Darmperistaltik. Sie können z. B. im Rahmen von Bauchschmerzen und Koliken eingesetzt werden.

Darüber hinaus kann die physikalische Wirkung von Bädern durch den Zusatz bestimmter Substanzen verstärkt werden. Da die Haut dazu imstande ist, die aus Badezusätzen freigesetzten Substanzen aufzunehmen, werden dabei im Blut ähnlich hohe Wirkspiegel erreicht, wie bei oraler Aufnahme.

Je nach Zusatz und Temperatur können Bäder entspannend oder anregend wirken und so das körperliche und seelische Wohlbefinden fördern. Bei Gelenkschmerzen sind z. B. medizinische Bäder mit Moor, Schwefel oder Kräutern wie Heublumen, Rosmarin oder Wacholder indiziert.

Migräne: das Wechselfußbad

Als Ausdruck vegetativer Fehlregulation im Allgemeinen und Störung des Gefäßtonus im Besonderen leiden nahezu alle Migränepatienten an kalten Füßen. Deshalb können warme Fußbäder und Wechselfußbäder hierbei oft wahre Wunder wirken. Besonders bewährt bei Patienten mit Migräne und chronisch kalten Füßen haben sich 38–40 °C warme Fußbäder über 10–20 min, denen etwa 4 EL Ingwerpulver zugesetzt werden. Der Ingwerzusatz verstärkt den Wärmeeffekt und wirkt sich auf den gesamten Körper aus.

Bei beginnender akuter Migräne empfehlen sich warme Fußbäder, denen 4 EL Senfmehl zugesetzt werden. Diese üben einen starken Reizeffekt auf die Haut an den Füßen aus und führen so zu einer Gegenregulation, die die Migräne stoppen kann.

Für das Wechselfußbad werden 2 Gefäße, eines mit etwa 38 °C warmem und eines mit kaltem Wasser und etwa 10 min Zeit benötigt. Begonnen wird mit dem Warmbad, in das beide Füße etwa 5 min lang hineingestellt werden. Anschließend folgt etwa 15 sek lang das Kaltbad. Danach wird die Prozedur einmal wiederholt. Der wohltuende Effekt ist schnell zu spüren. Um die Wirkung zu verstärken, können in das warme Wasser Badezusätze wie Rosmarinextrakt oder Ingwerpulver gegeben werden.

Bei Fußbädern ist zu beachten, dass nicht nur die Füße, sondern möglichst die gesamten Unterschenkel bis knapp unter Knie im Wasser stehen. Hierfür benötigt man tiefere Wannen, die im Fachhandel erhältlich sind. Zur Not funktioniert es aber auch mit einem sauberen 20-Liter-Eimer. Ausnahmen sind Patienten mit ausgeprägten Krampfadern. Diese sollen tatsächlich nur die Füße bis zum Knöchel in das warme Wasser stellen.

Weichteilrheuma, Fibromyalgie: das Auslaugebad

Der Ausgleich des Säure-Basen-Haushaltes ist bei Schmerzpatienten und speziell bei Patienten mit Fibromyalgiesyndrom generell von Bedeutung. Neben entsprechenden Ernährungsrichtlinien, der Zufuhr basischer Mineralien, Ordnungs- und Bewegungstherapie, spielen daher auch ausleitende Verfahren wie die sog. Auslaugebäder eine wichtige Rolle. Diese können sowohl als Teilbäder, vor allem Fußbäder, als auch als Dreiviertel- oder Vollbäder durchgeführt werden.

In der einfachsten Version setzt sich der Patient in eine Wanne mit etwa 38 °C warmem Wasser und seift den ganzen Körper über einen Zeitraum von etwa 30 min intensiv mit Kernseife ein. Je wärmer und je länger das Bad durchgeführt wird, desto intensiver wirkt es. Dennoch kommt es meist nicht gleich bei der ersten Durchführung zu einem deutlichen Ausleiteffekt, weshalb das Bad möglichst an den nachfolgenden Tagen einige Male wiederholt werden sollte. Häufig bildet sich erst beim 3. oder 4. Mal ein „Schmutzrand“ an der Badewanne, der den Ausleiteffekt anzeigt und der sich nur schwer entfernen lässt.

Etwas eleganter und hautschonender als die Seifenmethode ist die Durchführung des Bades mit einem alkalischen Badesalz. Das Salz wird im Badewasser aufgelöst und der Badende verbleibt mindestens 1 Std. darin. Der Nachteil dieser Methode liegt in den höheren Kosten.

Eine 3. Möglichkeit bietet Natriumbicarbonat (Natron), das man ebenfalls als Badezusatz verwenden kann. Für ein Vollbad werden etwa 100 g (oder auch mehr) Natron benötigt.

Bauchschmerzen: Heublumensack

Als letzte hydro-thermo-therapeutische Anwendung sei noch auf die entspannende und schmerzlindernde Wirkung von mit Wasserdampf erwärmten Heublumensäcken hingewiesen. Sie werden auch als das „Morphium der Naturheilkunde“ bezeichnet und sind insbesondere bei allen Arten von Abdominalkoliken indiziert.

Für die Anwendung wird ein etwa 25 × 50 cm großes Leinensäckchen zu ⅔ mit Heublumen gefüllt und anschließend etwa 20 min lang über einem Topf mit kochendem Wasser und Siebeinsatz erwärmt. Anschließend legt sich der Patient vorsichtig (Achtung heiß!) die Wärmepackung auf den Bauch – oder auch bei Verspannungen im Rücken- oder Nackenbereich - mit dem schmerzhaften Körperteil (HWS, BWS, LWS) auf den Heusack. Danach mit Decken warm einpacken und so etwa 45 min lang ruhen, bis der Heusack abgekühlt ist.

Die intensive Wärme wirkt stark vagotonisierend, was zu Muskelentspannung und Vasodilatation führt.

Einlauf

Eine Sonderform der Hydrotherapie sind Einläufe, die in akuten Fällen auch ohne andere Maßnahmen zur Schmerzlinderung beitragen können. So unbeliebt der Einlauf sein mag, so hilfreich ist er. Er ist zudem kostengünstig, einfach durchzuführen und das auch vom Patienten selbst. Benötigt wird dazu lediglich ein Einlaufgerät, ein Irrigator oder Klyso. Der Irrigator ist ein Kunststoffgefäß, ähnlich einem Messbecher, mit einem Gummischlauch, das mit lauwarmem Wasser, in der Regel ohne jegliche Zusätze, gefüllt wird.

Das Einführstück wird mit etwas Salbe eingestrichen und in den Enddarm eingeführt. Dabei kann der Patient liegen oder auf der Toilette sitzen. Dann wird das Gerät auf Schulterhöhe gebracht, sodass das Wasser in den Dickdarm einlaufen kann. Die Durchführung mit einem Klyso, einem Gummischlauch mit Pumpball in der Mitte, funktioniert im Prinzip genauso. Hierbei wird das Wasser allerdings aus einem Gefäß, z. B. einem Waschbecken, in den Darm gepumpt.

Hat der Patient das Gefühl, dass der Darm mit Wasser voll ist, wird das Einführstück herausgezogen und der Patient kann das Wasser direkt aus dem Darm in die Toilette laufen lassen. Dieses Vorgehen kann 1-bis 2-mal wiederholt werden, bis der gesamte Dickdarm ausgespült ist.

Auf diese Weise kommt es zur Ausleitung von Krankheitsgiften, die durch Fäulnis- und Gärungsprozesse entstanden sind und zu Entzündungen und Autointoxikation führen. Diese führen nicht nur zu lokalen und regionalen Schmerzen, sondern bewirken auch Regulationsstörungen, die Schmerzzustände wie Migräne, Fibromyalgie oder Rheuma verursachen.

Prof. Dr. med. Peter W. Gündling
Niedergelassener Arzt in Bad Camberg und Professor für Naturheilkunde und komplementäre Medizin an der Hochschule Fresenius in Idstein
 

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