RückengesundheitÜbungen für den Atlas-Wirbel

Der Atlas-Wirbel ist das wichtige Verbindungsstück zwischen Kopf und Wirbelsäule. Mit diesen Übungen sorgen Sie für Entspannung und Mobilität in Ihrem Nacken.

Beauty Portrait von einer jungen Frau mit hochgebundenen Haaren (Rückenansicht).
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Dem Atlas kommt eine große und schwere Aufgabe zu: den immerhin 5–7 Kilogramm schweren Kopf zu tragen.

von Heike Höfler

Der oberste Halswirbel ist das zentrale Element der beiden Kopfgelenke, die die Beweglichkeit des Kopfes ermöglichen. Dank ihnen kann der Kopf gedreht und geneigt werden.

Der Atlas ist das Bindeglied zwischen Kopf und übrigem Körper. Dieser kleine Wirbel fungiert als Taktgeber bzw. Wasserwaage unserer Wirbelsäule und seine Stellung beeinflusst viele körperlichen Zustände. Er spielt auch eine wichtige Rolle bezüglich unseres Gesamtwohlbefindens. Wer denkt schon daran, dass ein leicht verschobener oder durch harte Muskeln „eingezwängter“ Atlaswirbel Beschwerden wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Tinnitus, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und sogar Beschwerden des Magen-Darm-Trakts oder Herzrhythmusstörungen auslösen kann? Denn in der Region um den Atlas sitzen eine besondershohe Anzahl von Nerven, Rezeptoren und Nervenkernen. Hier findet man viele Sensoren, die mit den Hirnnerven und anderen Nerven vernetzt sind und wichtige Informationen über Sehen, Hören und Bewegung vermitteln. Anspannungen führen zu Nervenreizungen; ein freier Atlas und wohlgespannte Muskeln zu freien Informationsübertragungen.

Viele Menschen haben Nacken-, Genick- oder Kieferproblemen, wissen aber meist nichts über diesen besonderen Wirbel, dessen Stellung für den menschlichen Körper eine Schlüsselrolle für die gesamte Haltung spielt. Denn als oberster Wirbel der Halswirbelsäulegibt er an, wie sich die weiteren Wirbel bis zum Steißbein halten. Wird er z.B. durchverkürzte Nackenmuskeln in einer Fehlstellung gehalten, wird diese Fehlstellung in einer Kettenreaktion an die nächsten Wirbel und Muskeln weitergegeben. Da unser Körper stets nach Balance strebt, wird ein schiefer Atlaswirbel durch einen Wirbel ausgeglichen, der sichdafür ebenfalls in Schräglage begeben muss. Ist das oberste Kopfgelenk verschoben oder blockiert, wirkt sich dies bis zum Becken und zum Iliosakralgelenk (ISG) aus. Aber auch die Kiefergelenke reagieren auf die Stellung des Atlaswirbels und umgekehrt gilt dasselbe. Man spricht deshalb auch vom „Atlas-Kiefer-Syndrom“.

Merke

Ein fein ausbalancierter Atlaswirbel gibt die Balance an das gesamte Skelett weiter. Man kann ihn als eine Art Wasserwaage für unsere Körperstatik ansehen. An ihm hängt undorientiert sich die gesamte Wirbelsäule.

Schmerzen im Atlasbereich durch Fehlhaltungen 

Mehr denn je klagen Menschen in jedem Alter über Schmerzen in der oberen Körperregion. Viele fragen sich, woher die Schmerzen kommen. Am häufigsten entstehen sie durch verspannte Muskeln und Faszien im Nacken- und Genickbereich. Diese entstehen wiederum durch Fehlhaltungen, an die wir uns über Jahrehinweg gewöhnt haben. Dauersitzen in Verbindung mit vorgebeugtem und nach vornegeschobenem Kopf ist eine Hauptursache hierfür. Aber auch Stress und innere Anspannungbewirken Muskelverhärtungen in diesen Bereichen.

Die besten Übungen für den Atlas 

Die Übungen setzen sich aus Übungen für die Atlas- und Nackenmuskeln und deren Gelenke zusammen.

Mit den Übungen

  • wird der Stoffwechsel angeregt und die Durchblutung gefördert,
  • wird der Körper gedehnt und kann sich entspannen,
  • werden die Bereiche akupressiert, massiert aber auch gekräftigt,
  • werden die kleinen Kopfgelenke und die Halswirbelgelenke mobilisiert.

Die Durchblutung in verhärteten Muskeln anzuregen ist Voraussetzung, dass Mobilisations-, Dehnungs- und Kräftigungsübungen gut wirken können.
Dehnungs- und Entspannungsübungen haben viele Vorteile, um verkürzte Muskelfasern und verhärtetes Fasziengewebe wiederweicher und elastischer zu machen:

  • Kompensierung von Muskelverkürzungen
  • Verbesserung des Bewegungsumfangs
  • Verbesserung der Elastizität von Muskeln, Sehnen und Bändern
  • Durchblutungssteigerung

Akupressur-, Massage- und Faszienübungen: Fehlhaltungen, Stress und dauerhaft überlasteten Muskeln verkürzen und können zuschmerzhaften Muskelverhärtungen führen, denn verspannte Muskeln bilden kleine Muskelknötchen, die unter Druck mit Schmerzen reagieren. Diese zu behandeln ist ein sehr wichtiger Teil, um Schmerzen im Genick-, Nacken- und auch Kieferbereich aufzulösen. Durch Massage- und Akupressurübungen können Muskelverhärtungen vermindert und aufgelöst werden. Spezielle Übungen mit einem Faszien- oder Tennis- oder kleinen Noppenball bewirkenebenfalls eine Linderung von Muskelverhärtungen, lösen verklebte Faszien und regen die Durchblutung an. 

Kräftigungsübungen für die Nackenmuskeln: Eine kräftige Nackenmuskulatur entlastet die Halswirbelsäule. Kräftige Muskelnverspannen und verhärten nicht so leicht und schnell wie schwache. Verkürzte verhärteteMuskeln weisen eine verringerte Dehnfähigkeit und reduzierte Kraftentwicklung auf. Deshalbgilt die Regel: Zuerst lösen, dann kräftigen.

Mobilisationsübungen verbessern die Beweglichkeit der Atlas- und Halswirbelgelenke. Die dazugehörigen Muskeln werden zusätzlich aktiviert. Starre Muskel- und Fasziengewebe machen unbeweglich.Dann fällt beispielsweise schlichtes „Kopf drehen“ schwer. Mobilitätsübungen vergrößernden Bewegungsradius wieder und schmieren die Gelenke.

Entspannte Rückenlage: Für alle Übungen in der Rückenlage und besonders auch für die Entspannung in der Rückenlage ist es empfehlenswert, wenn Sie ein kleines Kissen unter den Kopf legen. Die Beine entweder aufstellen (dadurch ist das Kreuz entlastet) oder eine Knierolle unter dieausgestreckten Beine legen. Die Arme liegen entspannt, mit geöffneten Händen, neben dem Körper.

Was Sie vor den Übungen beachten sollten:

  • Im Stehen oder Sitzen immer aus einer aufrechten Haltung heraus üben. Jegleichmäßiger die Kontaktflächen zwischen Atlaswirbel und Kopf aufeinanderliegen, umso besser.
  • Beginnen Sie jede Halswirbelsäulenbewegung mit einer Verlängerung des Nackens.
  • Beim Beugen der Halswirbelsäule immer „in die Länge beugen“ (zuerst Nackenlängen).
  • Achten Sie auf die gesamte Wirbelsäule. Im Stand sind die Füße mit dem Bodenverankert, im Sitzen die Sitzbeinknochen mit der Sitzfläche.
  • Im Liegen darauf achten, dass das Kinn nicht nach hinten oben zeigt, sondernsich eher sanft in Richtung Brustkorb neigt.
  • Wiederholen Sie die Übungen so oft es Ihnen guttut. In der Regel sind 4–8 Wiederholungen angebracht, aber auch 2–4 zeigen schon Wirkung.
  • Achten Sie auf die wichtigen Nachspürphasen und lassen Sie den Atem gelöstfließen, auch wenn Sie sich sehr auf eine Übung konzentrieren.
  • Um den Auflagedruck des Kopfes auf den obersten Halswirbel zu verringern, sollten Sie sehr häufig und auch vor vielen Mobilisations- und Kräftigungsübungen Muskeln und Faszien im Nackenbereich entspannen, z.B. durch Massage, Akupressur oder(Faszien-)Bälle, oder auch lösen.

Entspannen und nachspüren 

Beenden Sie jedes Übungsprogramm mit einer Entspannungs- und Nachspürphase im Sitzen oder in der bequemen Rückenlage. Entspannung ist die Voraussetzung, um Anspannungen in Muskeln zu lösen. In jeder Stresssituation, auch wenn dies nur Gedanken oder Vorstellungen sind, erhöht sich unwillkürlich die Muskelspannung; meistens geschieht dies unbewusst. Zähneknirschen und Kieferpressen gelten als „Notnagel oder Notausgang des Nervensystems“. Häufig werden sogar nachts beim Zähneknirschen die Sorgen, Probleme „durchmahlen“ und „durchkaut“. Die Nackenmuskeln müssen dagegenhalten und verspannen ebenfalls. Der Körper bewertet angespannte Kiefer- und Nackenmuskeln immer als Alarmsignal, das eine Schutz- bzw. Anspannungssituation im ganzen Körper auslöst. Der Steinzeitmensch fletschte die Zähne, wenn er einem Feind gegenüberstand. Daraufhin wurde eine Alarmrektion im gesamten Körper ausgelöst. Angespannte Kiefer- und Nackenmuskelnlösen dies immer noch aus, Stresshormone werden aktiviert. Deshalb ist Entspannung so wichtig. Nur so kann die uralte Stressreaktion in unserem Gehirn umprogrammiert werden und Muskelanspannungen können dauerhaft gelöst werden.

Normalerweise sollten sich Spannung und Entspannung die Waage halten. Jedoch häufen sich in unserem Alltag die Anspannungsphasen, während die Entspannungszeiten viel zu kurz kommen. Es ist am Anfang nicht ganz einfach, die verspannten Muskeln wieder loszulassen. Wir müssen Entspannung erst wieder lernen. Aus diesem Grund sind Entspannungs- und Nachspürphasen so wichtig und Voraussetzung, um Erleichterung im Nacken- und Genickbereich, aber auch in die Kaumuskeln entstehen zu lassen.

Die Übungen sollen Anspannungen lösen und den Atlas mobilisieren. Hierfür eignet sich der weiche, faltbare Redondo Ball, den man auch als Pilates-Ball kennt. Der Durchmesser des Balls soll zwischen 22 und 26 Zentimeter liegen. Wenn Sie keinen Redondo Ball haben und kaufen möchten, können Sie auch einen Luftballon nehmen, diesen nicht ganz aufblasen und zuknoten. Probieren Sie aus, wie viel Luft im Ball bzw. Luftballon für Sie angenehm ist.

Nackenmuskeln und Atlas entspannen

Diese Übung ist eine Basisübung. Legen Sie sich in Rückenlage auf den Boden und stellen Sie die Beine auf. Platzieren Sie einen weichen Ballunter Ihrem Kopf, sodass der Schädelbasisbereich darauf liegt. Die Nasenspitze zeigt nachoben; keinesfalls überstreckt nach hinten. Ihre Arme liegen bequem an den Körperseiten mit den Handflächen nach oben. Die Schultern sind entspannt und nicht hochgezogen.

Lassen Sie den Kopf schwer auf dem Ball ruhen und spüren Sie, wie alle Anspannung im Nackenbereich wegfließt. Stellen Sie sich vor, wie der gesamte Schädelbasis- und obere Nackenbereich in den Ball hinein sinkt. Geben Sie das Gewicht des Kopfes ganz an den Ball ab. Der Ball erleichtert Ihnen das Loslassen, sodass Ihr Kopf sich mit der Zeit leicht und „schwebend“ anfühlt. Nehmen Sie wahr, wie der Nacken lang wird, wenn das Kinn nach unten in Richtung Boden sinkt. Dabei öffnen sich die oberen Kopfgelenke.

In Rückenlage können die Nackenmuskeln entspannen und die Halswirbelsäule ist entlastet. Lassen Sie den Atem gelöst fließen und nehmen Sie sich einfach Zeit für die Entspannung dieser sonst so angespannten Körperpartien. Verweilen Sie in dieser Entspannung mindestens 2–5 Minuten.

Steißbein bis Atlas dehnen 

Es ist immer wieder günstig, eine Übung zu machen, die den ganzen Körper miteinbezieht. Die gesamte Wirbelsäule ist eine Einheit. Alle Muskeln arbeiten zusammen.
Legen Sie sich mit aufgestellten Beinen auf den Rücken und lagern Sie den Kopf auf einem weichen Redondo Ball. Die Arme liegen entspannt neben dem Körper und der Atem fließt frei und natürlich. Machen Sie den Nacken und die gesamte Wirbelsäule lang. Atmen Sie indieser entspannten Position ein.

Atmen Sie dann langsam durch den Mund aus, indem Sie die Luft durch die weich geöffneten Lippen ausströmen lassen. Dabei drücken Sie die Fersen in den Boden, heben Arme und Kopf ein wenig an und spannen Bauch- und Beckenbodenmuskeln an (Nabel nach innen,Schambein nach oben ziehen). Das Kinn leicht ranziehen und dadurch die tiefen Halsbeugemuskeln anspannen. Die Fingerspitzen und Schultern ziehen dabei in Richtung Fersen. Einatmend wieder locker in die Ausgangsposition zurückkehren.

Variante: Bleiben Sie in der angehobenen Position 2–4 Atemzüge. Dann entspannt zurückliegen undnachspüren.

Wirbelsäule dehnen und drehen 

Legen Sie sich mit aufgestellten Beinen auf den Rücken und lagern Sie den Kopf aufeinem weichen Redondo Ball. Die Arme liegen entspannt neben dem Körper und der Atem fließtfrei und natürlich.

Breiten Sie nun die Arme seitlich im rechten Winkel aus und kippen Sie beide Knie zurrechten Seite. Der Kopf wird nach links gedreht. Die Knie werden vom Boden wie von einemMagneten angezogen, der Kopf ist weit gedreht. Bleiben Sie in dieser gedrehten Dehnposition 20–30 Sekunden oder länger und lassen Sie den Atem zur gesamten Wirbelsäulehin fließen.  Kommen Sie mit den Knien wieder zurück in die aufgestellte Position und spüren Sienach. Lassen Sie die Knie dann nach links fallen.

Variante: In der oben beschriebenen Endstellung mit den zur Seite gekippten Knien führen Sie mitdem Kopf 15–30 kleine Nickbewegungen aus.

Heike Höfler
Staatl. geprüfte Sport- und Gymnastiklehrerin mit jahrzehntelanger Berufserfahrung

Höfler H. Die besten Übungen für den Atlas-Wirbel: Kleiner Wirbel - große Wirkung. Nacken- und Kopfschmerzen lösen, Schwindel und Tinnitus lindern. 1. Aufl. Stuttgart: Trias; 2022