WeltfrauentagGendermedizin: Geschlechterunterschiede in der Kardiologie

Wie machen sich die Geschlechterunterschiede bei Herzinfarkt, Herzschwäche oder Bluthochdruck bemerkbar? Und was sollten Frauen für Diagnose, Therapie und Vorsorge wissen?

Uterus in Papierform in zwei Händen vor rosafarbenem Hintergrund.
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Am 08.03.2023 ist Weltfrauentag.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden bei Frauen immer noch unterschätzt. Trotzdem sie mit über 180.000 Sterbefällen im Jahr 2021 die häufigste Todesursache bei Frauen waren. Am häufigsten sterben Frauen an der koronaren Herzkrankheit (KHK) mit über 52.200 Sterbefällen (2021). Auch der Herzinfarkt ist keine Domäne der Männer mehr: rund 18.000 Todesfälle gab es bei den Frauen [1].

„Herzerkrankungen und ihre Komplikationen wie der Herzinfarkt können in der Symptomatik und in ihrer Entstehung je nach Geschlecht verschieden sein. Auf diese Besonderheiten müssen wir Frauen aufmerksam machen und für gezielte Vorsorge-Maßnahmen sensibilisieren“, betont Prof. Thomas Voigtländer von der Deutschen Herzstiftung

Gendermedizin

Die Gendermedizin beschäftigt sich gezielt mit der Erforschung von geschlechterbezogenen kardiologischen Unterschieden: z.B. bei Krankheitssymptomen, Stoffwechsel, Hormon-, Immun- oder Gefäßsystem sowie den Unterschieden hinsichtlich Alter und Genetik.

Medikamente können je nach Geschlecht anders wirken und bestimmte Eingriffe im Ergebnis verschieden ausfallen. Deshalb sollten Medikamente und Therapieverfahren gleichermaßen an Frauen wie Männern erprobt werden, was häufig nicht der Fall ist.

Herzinfarkt-Warnsignale bei Frauen

Der Herzinfarkt bei Frauen ist anhand der Symptome oft nicht so klar zu erkennen wie bei Männern. Der typische Brustschmerz als Hauptsymptom steht anders als bei Männern oft nicht im Vordergrund. Oft treten weniger eindeutige Symptome auf, so die Kardiologin Prof. Christine Tiefenbacher, z.B.:

  • Druck- oder Engegefühl in der Brust
  • Kurzatmigkeit/Atemnot
  • Schweißausbrüche
  • Rückenschmerzen
  • Übelkeit, Erbrechen 
  • Schmerzen im Oberbauch
  • Ziehen in den Armen
  • Unerklärliche Müdigkeit
  • Depressionen

Zögern im Notfall lebensgefährlich

Die diffusere Herzinfarkt-Symptomatik kann einer der Gründe sein, dass Frauen mit dem Notruf 112 zögern und nicht rechtzeitig in eine Klinik kommen:  Eine polnische Studie hat gezeigt, dass besonders jüngere Frauen mit Herzbeschwerden berufliche Verpflichtungen oder die Sorge um die Kinder voranstellen, bevor sie auf die Symptome reagieren [2].

„Bei Frauen über 65 Jahren steigt das Herzinfarktrisiko. Doch auch jüngere Frauen zwischen 40 und 50 sind der Gefahr ausgesetzt – v.a. dann, wenn in der Familie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgetreten sind oder wenn ein ungesunder Lebensstil durch Bewegungsmangel, Rauchen, Übergewicht, Dauerstress oder eine Hormontherapie das Infarktrisiko erhöhen“, betont Tiefenbacher.

Broken-Heart-Syndrom

Das Broken-Heart-Syndrom bzw. Stress-Kardiomyopathie ist eine Herzmuskelerkrankung, die bei Frauen viel häufiger als bei Männern vorkommt. Dabei wird die Einschränkung der Herzleistung nicht wie beim Herzinfarkt durch ein verstopftes Herzkranzgefäß (Thrombus), sondern in den meisten Fällen durch ein stark belastendes emotionales Ereignis wie Tod eines Angehörigen, plötzliche Trennung, extreme Stressbelastung verursacht.

Diastolische Herzschwäche bei Frauen häufiger

Weibliche Herzen unterscheiden sich auch in Größe und Pumpleistung von männlichen. Das spiegelt sich in der Form der Herzschwäche (Herzinsuffizienz) wider. Frauenherzen sind in der Regel kleiner, steifer und weniger elastisch als männliche Herzen und können sich schlechter dehnen und mit Blut füllen. Ausgeglichen wird das über eine höhere Pumpleistung. Werden Frauen älter, nimmt dieser anatomische Effekt zu. So verliert das Herz mit zunehmendem Alter an Größe. Zudem kommt es in den Wechseljahren neben Blutdrucksteigerungen auch zu einer vermehrten Bildung von Bindegewebe im Herzen. Das Herz verliert weiter an Elastizität. Diese Dehnungsstörung des Herzens wirkt sich als Störung der Füllungsphase (Diastole) mit Blut aus. Diese sogenannte diastolische Herzschwäche ist bei Frauen häufiger.

Prävention

Die diastolische Herzschwäche und die Herzschwäche infolge eines Herzinfarkts werden durch Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, hohe Blutfettwerte (hohes LDL-Cholesterin), Diabetes und Bluthochdruck sowie Schwangerschaftskomplikationen vor vielen Jahren begünstigt.

Durch einen aktiven und gesunden Lebensstil können Frauen diese Gefahr minimieren. Zudem sollten unklare Belastungszustände wie Leistungsschwäche und Unwohlsein ärztlich kontrolliert werden. 

Bluthochdruck bei Frauen

Nach der Menopause

Die Menopause wirkt sich auf die Entstehung des Bluthochdrucks aus. Mehr als die Hälfte der 60- bis 69-jährigen Frauen haben Bluthochdruck [3]. Kommen Frauen in die Wechseljahre, verdoppelt sich das Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln, weil der Östrogenspiegel im Blut sinkt. Östrogen sorgt u.a. für elastische Gefäße, wirkt blutdrucksenkend und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei vielen Frauen in und nach den Wechseljahren kommen Übergewicht, Ängste und Schlafstörungen als weitere Risikofaktoren für Bluthochdruck hinzu.

Ab den Wechseljahren sollten Frauen regelmäßig den Blutdruck kontrollieren lassen oder selbst messen.

„Ein nicht ausreichend behandelter Bluthochdruck ist eines der gefährlichsten Risiken für Schlaganfall, Herzinfarkt und andere schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, betont Voigtländer.

Bei jungen Frauen 

5 bis 10 Prozent der Frauen entwickeln im Laufe der Schwangerschaft einen Bluthochdruck. Bluthochdruck in der Schwangerschaft ist der Hauptgrund für Erkrankungen und Sterblichkeit der Mutter sowie des ungeborenen und neugeborenen Kindes. In einer 2020 in „Hypertension“ veröffentlichten Studie [4] fanden Wissenschaftler*innen Hinweise darauf, dass sich ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft insbesondere auf den weiblichen Nachwuchs überträgt.

Frauen, die mit der Pille verhüten, die eine Kombination von Östrogen und Progesteron enthält, können einen Bluthochdruck entwickeln. Das in den Eierstöcken gebildete Gelbkörperhormon Progesteron regelt v.a. den Menstruationszyklus, die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Embryos.

„Ungefähr fünf Prozent der Frauen, die ein solches Kombinationspräparat einnehmen, reagieren mit einem bedeutsamen Blutdruckanstieg“, sagt die Kardiologin Dr. Christa Bongarth. „Frauen, die die Pille einnehmen und außerdem übergewichtig sind, tragen ein zwei- bis dreifach hohes Risiko für Bluthochdruck.“

Frauen, die an Übergewicht leiden und rauchen, wird empfohlen, eine alternative Verhütungsmethode zur Pille zu wählen.

Prävention

Regelmäßige Check-Ups

Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt regelmäßig Blutdruck, Blutzucker, Körpergewicht und Blutfette kontrollieren, z.B. beim regelmäßigen hausärztlichen Check-Up.

  • GKV-versicherte Frauen zwischen 18 und 34 Jahren können einmalig einen Gesundheits-Check-up durchführen lassen.
  • Ab dem 35. Lebensjahr ist die ärztliche Gesundheitsuntersuchung alle drei Jahre möglich.

Lebensstil

Besonders im mittleren Lebensalter sollten Frauen auf Folgendes achten:

  • Normalgewicht,
  • regelmäßige körperliche Aktivität,
  • salzarme Ernährung mit viel Gemüse, Obst, wenig Fleisch, Fett und Zucker,
  • Alkohol- und Tabakverzicht.

Quelle: Deutsche Herzstiftung 

[1] Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022; (Stand: 1.2.2023):

[2] ESC. Women call ambulance for husbands with heart attacks but not for themselves. Mitteilung vom 3.3.2019; Im Internet: www.escardio.org  

[3] https://www.aok-bv.de/presse/medienservice/ratgeber/index_19158.html

[4] Birukov A et al. Blood Pressure and Angiogenic Markers in Pregnancy. Hypertension 2020; doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.13966