Cannabis-GesetzCannabis: „Durch eine Legalisierung ist ein viel besserer Jugendschutz möglich“

Die Neurologin und Psychiaterin Prof. Kirsten Müller-Vahl sieht in der geplanten Cannabis-Legalisierung einen ersten richtigen Schritt.

Prof. Kirsten Müller-Vahl
Medizinische Hochschule Hannover

Prof. Kirsten Müller-Vahl: „Bisher werden Menschen wegen des Besitzes kleinster Mengen von Cannabis kriminalisiert und sind gezwungen, für den Erwerb von Cannabis in Kontakt mit der illegalen Drogenszene zu treten."

Die Pläne der Bundesregierung zur Cannabis-Legalisierung werden kontrovers diskutiert. Prof. Kirsten Müller-Vahl sieht darin einen ersten richtigen Schritt, wie sie im Kurzinterview berichtet.

Frau Prof. Müller-Vahl, die Bundesregierung hat ihre Pläne für ein Gesetz zur Legalisierung von Cannabis vorgestellt. Danach sind u.a. max. 25 Gramm Genuss-Cannabis als Besitz erlaubt und der Verkauf erfolgt über nicht gewinnorientierte Vereine. Wie bewerten Sie die Pläne?

Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Menschen können für den Erwerb und Besitz von Cannabis nun nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Allerdings wäre das ursprünglich vorgestellte Eckpunktepapier sicherlich die bessere und konsequentere Lösung gewesen. So bleiben für Cannabis im Vergleich zu den gefährlicheren Drogen Alkohol und Tabak weiterhin Restriktionen bestehen.

Was sind die Vorteile einer Legalisierung von Cannabis?

Das Ziel jeder Drogenpolitik sollte es sein, die Konsumraten so weit wie möglich zu senken, Kinder und Jugendliche zu schützen und Bürger*innen über die Risiken des Konsums zu informieren, sodass jede Person selbstbestimmt und verantwortungsbewusst mit der jeweiligen Droge umgehen kann. Die bisherige Verbotspolitik von Cannabis hat dieses Ziel nicht erreicht.

Stattdessen werden Menschen wegen des Besitzes kleinster Mengen von Cannabis kriminalisiert und sind gezwungen, für den Erwerb von Cannabis in Kontakt mit der illegalen Drogenszene zu treten, verbunden mit dem Risiko, Cannabis mit unbekanntem THC-Gehalt und eventuell sogar gesundheitsschädlichen Verunreinigungen zu kaufen sowie in Kontakt mit weit gefährlicheren Drogen zu kommen.

Eine legale Abgabe bietet hingegen den Vorteil, dass Konsumierende Cannabis mit guter Qualität und bekannten Inhaltsstoffen erwerben können und gleichzeitig hinsichtlich der Risiken beraten werden können. Schließlich kann die Abgabe an Minderjährige viel wirksamer unterbunden werden.

Kinder- und Jugendärzte warnen vor Gefahren wie erhöhter Cannabis-Konsum bei Minderjährigen und Funktionseinschränkungen im Gehirn bei Jugendlichen. Wie schätzen Sie diese Befürchtungen ein?

Es ist richtig, dass der Konsum großer Mengen von Cannabis mit sehr hohem Gehalt an THC zu einer Schädigung des Gehirns mit dem erhöhten Risiko für das Eintreten einer Psychose führen kann. Ich bin davon überzeugt, dass durch eine Legalisierung ein viel besserer Jugendschutz möglich ist, da die Abgabe an Minderjährige verboten ist. Auch wird ein Gespräch mit den Jugendlichen über die Gefahren der Droge Cannabis viel besser möglich sein, wenn Cannabis legal und nicht mehr illegal ist.

In jedem Fall müssen wir einen neuen Weg beschreiten, da die bisherige Verbotspolitik dazu geführt hat, dass die Konsumraten unter Jugendlichen in den letzten Jahren immer weiter angestiegen sind

Ich bin davon überzeugt, dass durch eine Legalisierung ein viel besserer Jugendschutz möglich ist, da die Abgabe an Minderjährige verboten ist.

Hat die geplante Legalisierung von Cannabis auch Auswirkungen auf das Cannabis-als-Medizin-Gesetz?

Ja, davon gehe ich fest aus.

Leider hat das Bundessozialgericht in einem Urteil vom November 2022 die hohen Anforderungen für eine Kostenübernahme einer Cannabis-basierten Therapie durch die gesetzliche Krankenkasse bestätigt. Zusätzlich hat der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im März dieses Jahres insbesondere die Verschreibungsmöglichkeiten für Cannabisblüten zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen weiter verschärft. All dies wird dazu führen, dass die Zahl der Patient*innen, die eine Cannabis-basierte Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse erhalten, wieder geringer werden wird.

Diese Patient*innen werden nun erneut – wie bereits vor Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im Jahr 2017 – in die Selbsttherapie gedrängt werden. Auch wenn dies nun legal erfolgen kann in Form des Eigenanbaus oder in einem Cannabis Social Club - so wäre es sicherlich besser, wenn diese Patient*innen eine ärztliche verordnete und überwachte Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten erhalten würden.

Zur Person:
Prof. Dr. med. Kirsten Müller-Vahl ist Geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Neben dem Tourette-Syndrom ist Cannabis als Medizin einer ihrer wissenschaftlichen Schwerpunkte. Müller-Vahl ist Vorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin". Sie sitzt außerdem im Sachverständigenrat für Betäubungsmittel der Bundesopiumstelle des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Die Fragen stellte Vanessa Niedzella.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover