PräventionRauchentwöhnung: Deutschland ist Schlusslicht in Europa

Jeder vierte über 14-Jährige greift regelmäßig zur Zigarette. Gefäßmediziner warnen vor möglichen schweren Gefäßerkrankungen infolge des Rauchens und kritisieren den mangelnden Einsatz der Gesundheitspolitik. 

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Das Rauchen aufzugeben nützt der Gesundheit in jedem Alter.

Mannheim - In Deutschland greift mehr als jeder Vierte über 14 Jahre regelmäßig zur Zigarette – oft mit gravierenden Folgen: Rauchen ist neben unzureichender Bewegung und ungesunder Ernährung ein wesentlicher Risikofaktor für schwere chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen oder Krebs. Zudem beinhaltet der Konsum von Nikotin, der im Zigarettentabak enthalten ist, alle Probleme einer Suchterkrankung. Die meisten der in der Gefäßmedizin behandelten Patient*innen sind Raucher*innen und nehmen bewusst die daraus resultierenden Risiken wie Amputation, tödlicher Herzinfarkt und Schlaganfall trotz erfolgreicher Operation oder einen Kathetereingriff in Kauf.

Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) machen deshalb auf die viel zu hohe Zahl an Raucher*innen in Deutschland aufmerksam und warnen vor möglichen schweren Gefäßerkrankungen infolge des Rauchens. Daraus resultieren klare Handlungsempfehlungen an die Politik.

Die DGG rät zu einer objektiven Aufklärung über die Möglichkeiten einer Verbrennungs-Zigarettenentwöhnung mit Hilfe etablierter Maßnahmen wie E-Zigaretten, Tabakerhitzern oder einer medikamentösen Nikotinersatztherapie, wenn die Entwöhnung ansonsten nicht gelingt. Auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen sind sinnvoll. „Solche Maßnahmen werden sogar im Einzelfall von den Krankenkassen finanziert“, betont Gefäßchirurg Prof. Martin Storck. „Kritisch anzusehen ist allerdings, dass die Gesundheitspolitik das Thema im europäischen Vergleich („tobacco regulation“) nicht ausreichend aufgreift.“ So läge Deutschland bei der Tabakentwöhnung im europäischen Vergleich an letzter Stelle.

E-Zigaretten und Tabakerhitzer: gesundheitliche Schadensminderung

Für Raucher*innen, die nicht gänzlich mit dem Rauchen aufhören können oder wollen, bedeutet der vollständige Umstieg zum Beispiel auf E-Zigaretten oder Tabakerhitzer eine erhebliche gesundheitliche Schadensminderung“ betont Storck. „Die Information der deutschen Bevölkerung bezüglich dieser möglichen Risikoreduktion ist jedoch mangelhaft.“ So zeigte eine aktuelle Umfrage in Deutschland, dass 61 Prozent der Befragten das gesundheitliche Risiko der E-Zigarette hierzulande genauso, höher oder sogar viel höher im Vergleich zur Tabakzigarette einschätzen. „Dabei sind die Methoden der Rauchentwöhnung wissenschaftlich schon lange etabliert – sie werden in Deutschland im europäischen Vergleich nur viel zu selten angewandt“, berichtet Storck.

Zwar sei vor kurzem endlich ein Gesetz zum Werbeverbot von Verbrennungszigaretten und E-Zigaretten/Tabakerhitzer im Bundestag verabschiedet worden, aber die Alternativprodukte – wie E-Zigaretten – seien noch immer nicht als wirksame Mittel zur Rauchentwöhnung anerkannt worden. Auch die Reform der Besteuerung ging einseitig zu Lasten der für die Rauchentwöhnung in wissenschaftlichen Studien anerkannten Ersatzprodukte wie E-Zigaretten und Tabakerhitzer mit nur sehr milder Höherbesteuerung der hochgefährlichen Verbrennungszigaretten.

Gesundheitspolitische Maßnahmen zentral bei der Rauchentwöhnung

Laut aktuellen Erkenntnissen einer Studie aus England spielen regulatorische und gesundheitspolitische Maßnahmen bei der Rauchentwöhnung eine zentrale Rolle: Nur 34 von 100 Rauchern versuchten demnach ohne Coaching mit dem Rauchen aufhören – und nur einem gelang es letztlich ganz mit dem Rauchen aufzuhören. 

„Natürlich ist es am besten, ganz ohne Hilfsmittel mit dem Rauchen aufzuhören, wem das nicht gelingt, der sollte jedoch zur Minderung von gesundheitlichen Risiken auf E-Zigaretten und Tabakerhitzer oder eine medikamentöse Nikotinersatztherapie umsteigen“, erklärt Storck. Daten zeigen, dass E-Zigaretten beispielsweise zu 95 Prozent weniger schadstoffbelastet sind als die Tabakverbrennung. Tabakerhitzer sind ebenfalls stark risikoreduziert.  Eine wegweisende epidemiologische Publikation aus den USA hat in einem mathematischen Modell errechnet, dass E-Zigaretten als Ersatz für Verbrennungszigaretten innerhalb von zehn Jahren mindestens 6,6 Millionen vorzeitige Todesfälle verhindern können. Im Bereich der Gefäßmedizin konnte in einer großen amerikanischen Studie an Patient*innen mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit nachgewiesen werden, dass sich das amputationsfreie Überleben nach einem Rauchstopp in jedem Alter günstig beeinflussen lässt. Eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss finanzierte Studie ist in Deutschland in Planung.

"Raucher*innen müssen über die Risiken des Rauchens und über Risiken und Nutzen der einzelnen Alternativen aktiv informiert werden", so DGG-Experte Prof. Martin Storck.

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V