SchmerzKopfschmerz durch Schmerzmittelübergebrauch behandelbar

Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch sind behandelbar. Worauf es in Diagnostik und Therapie ankommt, hat eine Publikation zusammengefasst.

Silhouette einer Frau mit Blitzen im Kopf, Symbolbild Kopfschmerz
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Die Prävalenz von Kopfschmerz durch Medikamentenübergebrauch ist weltweit hoch: Sie liegt bei Erwachsenen durchschnittlich bei 3,4%.

Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemedikamenten („Medication Overuse Headache“/ MOH) gilt als eigenständige, sekundäre Kopfschmerzerkrankung. Das Bewusstsein für die Problematik ist bei Patient*innen, aber auch bei Ärzt*innen häufig noch nicht ausreichend. Ein MOH kann behandelt werden und durch eine adäquate Therapie der primären Kopfschmerzerkrankung verhindert werden. Eine aktuelle Publikation [1] fasst den Wissensstand zusammen und plädiert für eine erhöhte Aufmerksamkeit für das Krankheitsbild.

Medikamentenübergebrauchskopfschmerz

Bei Menschen, die wegen rezidivierender primärer Kopfschmerzen (z.B. Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp) häufig Schmerzmittel einnehmen, kann sich in der Folge ein sogenannter Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MOH) entwickeln. Die pathophysiologischen Mechanismen sind nicht vollständig geklärt. Sie umfassen eine gestörte Schmerzmodulation, zentrale Sensibilisierung, psychologische bzw. bio-behaviorale Faktoren (Verhaltensfaktoren), aber auch genetische Faktoren werden diskutiert. Letztendlich ist aber nicht geklärt, ob die häufige Einnahme von Schmerz-und Migränemitteln zu einer Chronifizierung von Kopfschmerzen führt, oder ob sich zunächst die Kopfschmerzen verschlechtern und die Patient*innen deshalb mehr Schmerz- und Migränemittel einnehmen.

Obwohl ein MOH mit substanziellen Beeinträchtigungen und einer Reduktion der Lebensqualität assoziiert ist, wird die Diagnose zu selten gestellt – vor allem, weil die Problematik unter Patient*innen und Ärzt*innen zu wenig bekannt ist.

Obwohl MOH behandelbar und verhindert werden könnte ist die Prävalenz weltweit hoch: Sie liegt bei Erwachsenen durchschnittlich bei 3,4% (regional zwischen 0,6% und 7%).

Diagnose und Therapie

Für die Diagnose eines MOH muss zunächst der Zusammenhang zwischen der zu häufigen Einnahme von akuter Kopfschmerzmedikation und Chronifizierung der Kopfschmerzen aufgeklärt werden. Dies geschieht anhand von Anamnese (Betroffenen wird empfohlen, einen Kopfschmerzkalender zu führen) und neurologischer Untersuchung.

Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (MOH)

Man spricht von MOH, wenn bei Betroffenen mit vorbestehendem primären Kopfschmerz

  • an mindestens 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten, die mit Schmerz- oder Migränemedikamenten behandelt werden,
  • über einen Zeitraum von > 3 Monaten.

Dabei kommt es häufiger bzw. schneller unter Triptanen zu einem MOH als unter NSARs (z.B. Ibuprofen); besonders problematisch sind opiathaltige Schmerzmittel wegen eines zusätzlichen Abhängigkeitspotenzials.

Weitere Risikofaktoren für MOH sind weibliches Geschlecht, niedriger Bildungs- oder sozialer Status, zusätzliche psychiatrische Erkrankungen wie Depression oder Angsterkrankungen, abhängiges Verhalten, z.B. Rauchen, Einnahme von Medikamenten gegen Schlafstörungen oder Beruhigungsmittel.

„Der erste Schritt ist es, an die Möglichkeit eines MOH zu denken und die Problematik anzusprechen“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Co-Autor der Publikation. „Dies kann sowohl von Behandelnden wie auch von den Betroffenen ausgehen“. Wichtig sei, nicht den Patient*innen die „Schuld“ an der Situation zu geben. Meist liege das Problem in einem unzureichenden Kopfschmerz- oder Migränemanagement und nicht an einem Medikamentenmissbrauch. Ein MOH trete in erster Linie bei ungenügender Prophylaxe von primären Kopfschmerzerkrankungen und folglich zu häufigem akutem Schmerzmittelbedarf auf. Seltener dagegen bei anderen zugrunde liegenden Schmerzerkrankungen, wie chronischen Rückenschmerzen.

Eine angemessene Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien [2] kann in der Regel effektiv die Kopfschmerz- bzw. Krankheitslast und den Schmerzmittelverbrauch reduzieren.

Die Erfolgsrate einer Leitlinien-gerechten Therapie beträgt nach 6-12 Monaten etwa 50-70%, sagt Prof. Hans-Christoph Diener.

Die Behandlung des MOH besteht in der Reduktion der Einnahmehäufigkeit der übergebrauchten akuten Schmerzmittel bzw. dem kompletten Absetzen; gleichzeitig wird mit einer geeigneten Kopfschmerz-Prävention begonnen, beispielsweise mit Topiramat, Amitriptylin, Botulinumtoxin oder einem monoklonalen Antikörper gegen das migräneauslösende CGRP („Calcitonin Gene-Related Peptide“). Je nach Situation kann dies ambulant, tagesklinisch oder stationär durchgeführt werden.

Leider sei oft die Gefahr eines Rückfalls vorhanden, so Diener. Am größten sei sie im ersten Jahr nach dem Absetzen des auslösenden Schmerzmittels – insbesondere bei Opioid-Übergebrauch. Eine engmaschige Betreuung der Betroffenen reduziere dieses Risiko. Für einen anhaltenden Erfolg müssen ergänzend zur medikamentösen Prophylaxe auch nicht-medikamentöse Präventivmaßnahmen erfolgen. Dazu gehören z.B. angemessene Schlaf- und Erholungszeiten, Entspannungstraining, aber auch regelmäßiger Ausdauersport und ggf. eine psychologische Betreuung.

„Kopfschmerzpatientinnen und -patienten, auch bei vermeintlich guter Einstellung einer Prophylaxe, sollten regelmäßig nach der Häufigkeit notwendiger Akutmedikationen befragt werden“, so Diener. „Schon bei monatlich zehn Kopfschmerztagen sollte über eine Optimierung der Prophylaxe nachgedacht bzw. ggf. eine neurologische Mitbetreuung erwogen werden.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie

Literatur

[1] Ashina S, Terwindt GM, Steiner TJ et al. Medication overuse headache. Nat Rev Dis Primers 2023; doi: 10.1038/s41572-022-00415-0

[2] Diener HC, Kropp P et al. Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (Medication Overuse Headache = MOH), S1-Leitlinie 2022; www.dgn.org/leitlinien