OnkologieImmuntherapie: Spektakuläre Erfolge bei Mastdarmkrebs

In einer amerikanischen Studie konnten bei 12 Patient*innen mit fortgeschrittenem Mastdarmkrebs eine Rückbildung des Tumors durch Immuntherapie beobachtet werden. Wie die Ergebnisse einzuordnen sind.

3-D-Illustration: Krebszellen
Giovanni Cancemi/stock.adobe.com

Grund zur Hoffnung: In einer Studie bildete sich Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium unter Immuntherapie zurück.

In einer kleinen Studie hatten amerikanische Forschende einen im Rahmen der Immuntherapie verwendeten Checkpoint-Inhibitor mit dem Wirkstoff Dostarlimab bei zwölf Patient*innen mit fortgeschrittenem Mastdarmkrebs eingesetzt. Daraufhin bildete sich der Tumor bei allen Patienten*innen komplett zurück – ohne weitere Chemotherapie, Bestrahlung oder OP.

Insbesondere bei fortgeschrittenen oder inoperablen Tumorerkrankungen gilt die Immuntherapie inzwischen als wichtiger neuer Ansatz und wird bei einigen Krebsarten bereits sehr erfolgreich eingesetzt.

Die Immuntherapie bei Krebserkrankungen – also die Strategie, das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen den Krebs einzusetzen und zu stärken – galt schon lange als Hoffnung in der Onkologie, zeigte aber bis vor Kurzem nur bescheidene klinische Erfolge. Inzwischen wird sie etwa beim schwarzen Hautkrebs oder beim Lungenkarzinom mit großem Erfolg eingesetzt. Dabei kommen bestimmte Medikamente, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, zum Einsatz. Die „Checkpoints“ verhindern normalerweise eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigene gesunde Zellen. Manche Tumoren können diese jedoch gezielt aktivieren, sodass Immunzellen, die den Tumor eigentlich erkennen und bekämpfen sollen, geschwächt werden. Checkpoint-Inhibitoren wirken dem entgegen: Sie verhindern die Unterdrückung der Immunantwort und stärken damit die körpereigene Abwehr beim Kampf gegen den Krebs.

Bei bestimmten Formen des Mastdarmkrebs scheint dieses Prinzip zu funktionieren, wie die amerikanische Studie zeigt. Dennoch dämpfen Expert*innen verfrühte Hoffnungen:

„Wenngleich die kürzlich vorgestellten Ergebnisse zum Mastdarmkrebs sehr beeindruckend sind, müssen sich diese erst noch in einer längeren Nachbeobachtungszeit und in weiteren Studien mit mehr Proband*innen bestätigen“, ordnet Prof. Matthias Ebert vom Universitätsklinikum Mannheim die Ergebnisse ein.

Und: Die Immuntherapie wirkt nicht bei allen Tumoren gleich gut. „Wir wissen, dass beispielsweise Tumoren, bei denen bestimmte DNA-Reparaturmechanismen defekt sind (sogenannte Mikrosatelliteninstabilität), besonders gut auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen“, berichtet Ebert. Bei Mastdarmkrebs weisen etwa 5-10 Prozent der Patient*innen einen Tumor mit dieser Eigenschaft auf. Bei ebendieser Patientengruppe wurden auch die aktuellen spektakulären Ergebnisse erzielt.

Ähnliches gilt für den fortgeschrittenen Magen- und Speiseröhrenkrebs. Auch bei dieser Krebsart kommt die Immuntherapie nur bei einer bestimmten Untergruppe der Tumoren infrage: Es müssen bestimmte Oberflächenrezeptoren und Moleküle – sogenannte PD-1 oder PD-L1 – in ausreichender Menge vorhanden sein, an denen die Checkpoint-Inhibitoren ihre Wirkung entfalten können. „Das trifft beim Magen- und Speiseröhrenkrebs immerhin auf etwa 60 Prozent der Tumoren zu“, erklärt Ebert. „Für bestimmte Formen des fortgeschrittenen Speiseröhrenkrebses beispielsweise verlängert die Immuntherapie in Kombination mit einer Chemotherapie das Gesamtüberleben von 8,8 auf 13,9 Monate“, so Ebert weiter. Seit 2021 ist die Kombination aus Immun- und Chemotherapie bei fortgeschrittenem und inoperablem Magen- und Speiseröhrenkrebs die erste Behandlungsoption.

Und auch beim fortgeschrittenen, nicht mehr operablen Leberzellkrebs hat sich eine Kombinationstherapie aus einem Checkpoint-Inhibitor mit einem anti-VEGF-Antikörper als effektiver – also mit längerem progressionsfreiem und Gesamtüberleben – erwiesen, als die bisherige für diese Patientengruppe gewählte Therapie. Leider zeigt die Immuntherapie gerade bei der Tumorart mit der aktuell schlechtesten Prognose, dem Bauspeicheldrüsenkrebs, trotz vieler Studien bisher keine Effekte.

„Die Immuntherapie verändert und verbessert die Behandlungsmöglichkeiten bei fortgeschrittenem Krebs deutlich“, so Ebert. „Nichtsdestotrotz sollten durch die aktuell aufsehenerregenden Ergebnisse beim Mastdarmkrebs keine unrealistischen Hoffnungen geweckt werden – gerade bei Tumoren im Magen-Darm-Trakt ist die Lage komplex, und derzeit ermöglicht die Therapie in den meisten Fällen vor allem ein längeres progressionsfreies Überleben und keine Spontanheilungen.“

Wie die Zukunft der Immuntherapie im GI-Trakt aussieht und an welchen Herausforderungen – von Immuntherapie spezifischen Nebenwirkungen bis hin zur Auswahl der geeigneten Patient*innen – die Wissenschaft derzeit arbeitet, diskutieren Expert*innen im Rahmen der Viszeralmedizin 2022. Der Kongress findet an drei Tagen online und an drei weiteren Tagen in Hamburg statt. 

Terminhinweis

Viszeralmedizin 2022
12. bis 17. September 2022 (online und Hamburg)
https://www.viszeralmedizin.com/

Wissenschaftliches Symposium zum Thema:
Neue Standards, Studien und Kontroversen der Immuntherapie bei Karzinomen im GI-Trakt
16. September 2022 
10.30 bis 12.00 Uhr
Saal 4
https://www.viszeralmedizin.com/pages/sitzungsplaner/session/ipl-s-24

Quelle: Pressemitteilung/DGVS