GelenkersatzGelenkersatz: Muskeltraining und Gewichtskontrolle verbessern Haltbarkeit

Lebenslanges gezieltes Kraft-, Beweglichkeits- Koordinations- und Ausdauertraining sowie Normalgewicht sind Voraussetzung für die lange Haltbarkeit einer Gelenkprothese.

medizinische Illustration: gesundes und krankes Kniegelenk
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Künstliche Gelenke sind heute deutlich haltbarer und belastbarer, sie müssen allerdings lebenslang gepflegt werden.

Bewegungsmangel und Gewichtszunahme können die Haltbarkeit von Hüft- und Knieprothesen beeinträchtigen. Denn ein geschwächter Muskel-, Band- und Sehnenapparat erhöht die Sturzneigung. Auch die Gefahr einer Luxation, der Auskugelung des Kunstgelenks, steigt, wenn kraftlose Muskeln das Implantat nicht mehr am Platz halten können.

Zudem tragen Fehl- und Überbelastung des Implantats zu einem schnelleren Verschleiß bei. Die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik rät Menschen mit Kunstgelenk zu einem möglichst täglichen gezielten Training von Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer sowie zu einer Gewichtskontrolle verbunden mit eiweißreicher Ernährung. Dies sei wesentliche Voraussetzung für die lange Haltbarkeit der Prothese.

Die früher vermittelte Sorge der Überlastung eines Kunstgelenks durch maßvolle tägliche Bewegung ist überholt – die Materialien sind heute wesentlich halt- und belastbarer.

Laut einer Lancet-Studie aus dem Jahr 2019 halten heute 6 von 10 Hüftprothesen mindestens 25 Jahre [1]. Verbesserte Implantatmaterialien und Implantatmodelle sowie schonendere OP-Methoden heben dazu beigetragen [2]. 

„Ein Implantat erfordert auch nach der OP lebenslange Pflege und Aufmerksamkeit“, sagt Prof. Carsten Perka vom Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Ärzt*innen würden zwar das neue Gelenk einsetzen, doch die Patient*innen leisteten einen ebenso großen Beitrag: „Die Lebensweise der Patient*innen bestimmt mit, ob frühzeitig eine Folgeoperation notwendig wird.“ Der Orthopäde und Unfallchirurg führt aus: „Während wir früher Wechseloperationen wegen Überlastung der Endoprothesen durchgeführt haben, ist heute immer mehr eine verminderte körperliche Aktivität der Grund.“ Diese könne wiederholte Luxationen des Hüftgelenkes, Instabilitäten des Kniegelenks und Stürze durch Gleichgewichts- und Koordinationsschwierigkeiten zur Folge haben.

„Wir haben den Eindruck, dass sich ein Teil unserer Patient*innen während der Corona-Pandemie weniger bewegt hat. Wir sehen viele steife Gelenke und verkürzte und schwache Muskeln“, so Perka. Eventuell sei auch noch das alte Credo von der Schonung des künstlichen Gelenks zu sehr in den Köpfen verankert. Der natürliche Alterungsvorgang verstärkt das Problem: Ab etwa dem 30. Lebensjahr baut der Körper Muskeln zu Fettgewebe um. Tut man nichts gegen den natürlichen Rückgang der Muskelmasse, der Sarkopenie, verliert der Körper zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr etwa 50 Prozent seiner Muskelmasse. „Frauen sind davon noch stärker betroffen als Männer – sie müssen besonders aufpassen“, sagt Perka. Besonders in Kombination mit brüchigen Knochen, der Osteoporose, steigt bei Stürzen das Risiko, komplizierte Frakturen und Verletzungen zu erleiden.

Bewegung und Normalgewicht

Es gelte deshalb, alle vier Grundpfeiler der Fitness – Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer – gezielt zu erhalten und möglichst täglich zu trainieren. „Auch kurze Bewegungseinheiten sind nützlich“, sagt Perka.

Ebenso wichtig ist die Gewichtskontrolle: Vor allem die Gelenke und damit auch die Prothesen müssen das Plus an Körpergewicht tragen, so Perka. Zudem erschwert Mehrgewicht die Mobilität, ergänzt der Orthopäde Prof. Andreas M. Halder.

Laut einer aktuell veröffentlichten Umfrage der Else Kröner-Fresenius-Stiftung haben in der Corona-Pandemie viele Patient*innen zugenommen. Diejenigen, die zulegten, bringen demzufolge im Durchschnitt nun etwa 6,5 Kilogramm mehr auf die Waage als vor der Pandemie – und damit mehr als noch vor einem Jahr [3]. Zudem werden viele Menschen ab der Lebensmitte schwerer. Häufige Ursachen sind Veränderungen im Hormonhaushalt und die Abnahme der körperlichen Aktivität. Dabei kommt es zum Verlust von Muskulatur und einer Zunahme von Fettgewebe. Deshalb sei eine abwechslungsreiche, gerne mediterrane und eiweißreiche Kost ideal. Ältere Menschen benötigen zum Muskelaufbau mehr Eiweiß als Junge. „Um es besser aufnehmen zu können, sollte man es über den Tag verteilt aufnehmen“, sagt Perka.

„Patients can help themselves by preparing for surgery!”, sagte einst der Pionier der Hüftendoprothetik, der britische Chirurg und Orthopäde Sir John Charnley. Dies gilt auch für ein Leben mit Ersatzgelenk, findet Privatdozent Dr. med. Stephan Kirschner, Präsident der AE und Direktor der Klinik für Orthopädie, ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe: „Nicht nur eine optimale OP-Vorbereitung, etwa mit Rauchstopp und Gehstützentraining ab sechs Wochen vor OP, sondern auch eine lebenslange Fürsorge für das eigene Implantat hilft Patientinnen und Patienten, möglichst lange mit dem ersten – und bestenfalls letzten – Ersatzgelenk aktiv zu leben.“

Quelle: Pressemitteilung/Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie

Literatur

[1] Evans JT, Walker RW, Blom AW et al. How long does a hip replacement last? A systematic review and meta-analysis of case series and national registry reports with more than 15 years of follow-up. Lancet 2019; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31665-9

[2] Grimberg A, Jansson V, Lützner J et al. EPRD Jahresbericht 2021; www.eprd.de

[3] TUM. EKFZ Expertengespräch, 28.7.2022; www.wzv.tum.de

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