ErnährungGlutenfrei: erst testen, dann verzichten

Auch wenn die Inzidenz der Zöliakie steigt, empfehlen Gastroenterologen, nicht vorschnell auf glutenfreie Nahrungsmittel zu verzichten. Zunächst sollte eine diagnostische Abklärung erfolgen.

aufgeschnittenes Weißbrot
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Vor der Entscheidung für eine glutenfreie Ernährung sollte zunächst eine ärztliche Abklärung auf Zöliakie und Weizenallergie erfolgen.

Die Inzidenz der Zöliakie steigt weltweit an: In einigen Regionen sind bis zu 2,5 Prozent der Menschen von dem Darmleiden betroffen.

Die Zölikakie wird durch eine überschießende Immunreaktion auf das Weizeneiweiß Gluten verursacht. Glutenfreie Ernährungsformen stehen allerdings auch bei vielen Menschen hoch im Kurs, bei denen eine Zöliakie nicht nachgewiesen ist. Oft sind verschiedene Darmbeschwerden oder auch chronische Erkrankungen der Grund, warum Menschen auf glutenfreie Lebensmittel zurückgreifen.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie (DGVS) empfiehlt, vor Beginn einer Gluten-Karenz die genauen Ursachen dieser Beschwerden und der Verdacht auf eine Zöliakie, eine Weizenallergie oder eine andere Weizenunverträglichkeit ärztlich abzuklären.

Glutenfrei nicht immer gesünder

Die Ernährung auf glutenfreie Nahrungsmittel umzustellen ist nicht selten teuer. Die strenge Diät schränkt auch die Lebensqualität ein und kann unter Umständen sogar der Gesundheit schaden. „Glutenfreie Ersatzprodukte enthalten oft mehr Zucker, Salz und ungesättigte Fettsäuren als die entsprechenden glutenhaltigen Varianten“, sagt Prof. Detlef Schuppan von der Mainzer Uni-Ambulanz für Zöliakie in Mainz. 

Diese Ersatzprodukte enthalten oft kaum Ballaststoffen und Vitaminen. Dabei gibt es vielerlei gesunde, natürlich glutenfreie Alternativen. Ein Zuviel der Ersatzprodukte kann dazu führen, dass Menschen tendenziell an Gewicht zunehmen. Langfristig könne so auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes steigen, so der Experte.

Nicht vorschnell zu gluten- oder weizenfreien Produkten greifen

Auch aus diagnostischen Gründen sollte nicht vorschnell mit einer gluten- oder weizenfreien Diät begonnen werden. „Vor der Ernährungsumstellung sollte man in jedem Fall einen Blut-Test auf Zöliakie-spezifische Antikörper vornehmen lassen“, rät Schuppan. Daneben hat seine Arbeitsgruppe noch weitere entzündliche Erkrankungen aufgedeckt, die durch Weizenprotein hervorgerufen werden. Dies sind klassische (Soforttyp-) Allergien und noch wesentlich häufiger verzögerte (Typ- 2-) Allergien, die oft erst Stunden nach Weizenverzehr auftreten.

Darüber hinaus kann Weizenkonsum Autoimmunerkrankungen wie chronische entzündliche Darmerkrankungen, Lebererkrankungen, Rheuma oder multiple Sklerose verstärken – hier sind Nicht-Glutenproteine, sogenannte ATI, die Auslöser. Geschätzt leiden damit bis zu 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung an entzündlichen, weizenbedingten Erkrankungen. 

Glutenfreie Ernährung beeinflusst auch andere Erkrankungen

Die Zöliakie ist nicht die einzige Erkrankung, die sich unter Weizenkarenz bessert. „Auch Patienten mit einer Weizenallergie oder mit einer sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizen-Sensitivität können vom Glutenverzicht profitieren“, sagt Dr. Michael Schumann von der Berliner Charité. Gerade bei der Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS) ist Gluten vermutlich gar nicht Hauptverursacher der Beschwerden, sondern vor allem andere Weizenbestandteile. „Zudem handelt es sich bei der NCWS um eine Ausschlussdiagnose“, betont Schumann. Ohne dass eine Zöliakie und eine klassische Weizenallergie ausgeschlossen seien, könne eine NCWS demnach nicht sicher festgestellt werden.

Antikörper zeigen die Art der Erkrankung

Zöliakie-Betroffene bilden krankheitsspezifisch Antikörper gegen das körpereigene Enzym Transglutaminase 2 (TG2). Das Enzym TG2 führt zu einer verstärkten Immunreaktion des Darmes gegen aufgenommenes Gluten. Die TG2-Antikörper können im Blut nachgewiesen werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten möchte am heutigen Welt-Zöliakie-Tag Patient*innen und Ärzt*innen für das Thema sensibilisieren: Betrofenen sei oft nicht bewusst, dass die voreilige Ernährungsumstellung auch negative Konsequenzen haben könne. Hier sei es Aufgabe der betreuenden Ärzt*innen, zu einer frühzeitigen diagnostischen Abklärung zu raten.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten