DigitalisierungDepression per App behandeln?

Therapieplätze für Menschen mit Depression sind rar, die Wartezeiten betragen oft Monate. Apps sollen nicht nur die Wartezeit überbrücken helfen, sondern auch die Psychotherapie ergänzen. Erfüllen sie diese Anforderungen?

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Digitale Angebote für Menschen mit Depression können unterstützen, sind aber nicht für jeden geeignet.

Stuttgart – Etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann erkrankt im Laufe des Lebens an einer Depression. Viele von ihnen müssen monatelang auf einen Therapieplatz warten. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) können Betroffenen helfen, die Wartezeit zu überbrücken, aber auch die reguläre Psychotherapie ergänzen. Aber was beinhalten die verschiedenen Apps und Online-Programme? Für wen eignen sie sich? Und wie wirksam sind sie?

DiGAs auf Rezept

Social Distancing und wochenlange Lockdown-Regelungen haben die Versorgung von an Depression erkrankten Menschen erschwert. Gleichzeitig wurde während der Pandemie die Entwicklung digitaler Lösungen vorangetrieben. Haben sie die Prüfung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgreich durchlaufen, dürfen DiGAs per Rezept verschrieben werden. Neben Smartphone-Apps mit kurzen Selbsteinschätzungsfragen gibt es auch browserbasierte Programme, die oft mehrwöchige Module anbieten. Je nachdem, ob ein Therapeutenkontakt via Chat oder E-Mail möglich ist, handelt es sich um sogenannte „geführte“ oder „ungeführte Angebote“. 

Therapeutische Inhalte von DiGAs

„Die Möglichkeiten digitaler Anwendungen sind vielversprechend. Fast alle Apps und Programme für Menschen mit Depressionen bedienen sich Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie“, erklären die Psychologin Dr. Gwendolyn Mayer und der Mediziner Dr. Jobst-Hendrik Schultz von der Universitätsklinik Heidelberg.

Die meisten verfügbaren DiGAs setzen beispielsweise das sogenannte Mood Tracking ein: Dabei werden die Nutzer*innen regelmäßig nach ihrer Stimmung gefragt. „Das bietet ihnen die Möglichkeit, kritische Ereignisse als mögliche Trigger für einen negativen Stimmungsverlauf zu entdecken und umgekehrt auch Bedingungen für positive Verläufe zu reflektieren“, so Mayer und Schultz.

Viele Anwendungen setzten zudem auf eine kognitive Umstrukturierung. Hierbei werden typische negative Gedankenmuster und Gegenstrategien vorgestellt. Die Nutzer*innen können diese mit ihren eigenen Gedanken vergleichen und die vorgeschlagenen Lösungswege für sich adaptieren. Auch Hintergrundinformationen zu Depressionen (Psychoedukation) und Entspannungsübungen sind oft implementiert. Manche Anwendungen bieten zudem eine Art „Notfallkoffer“ mit hilfreichen Tipps für Rückfälle an. 

Wie wirksam sind DiGAs?

Depressive Symptome bessern sich signifikant bei Patient*innen, die internetbasierte Anwendungen nutzen. Das zeigen randomisiert-kontrollierte Studien, die Nutzer*innen mit Betroffenen vergleicht, die ohne eine Intervention auf eine Behandlung warten, aber auch mit solchen, die Online-Foren nutzen oder sich ohne Unterstützung eigenständig über ihr Krankheitsbild informieren. Dabei sind die geführten Angebote, also die mit einem möglichen Therapeutenkontakt, den reinen Selbstmanagement-Tools überlegen.

Eine Gleichwertigkeit zu einer Face-to-face-Therapie sehen Mayer und Schultz anhand dieser Daten aber nicht gegeben. Auch seien digitale Angebote nicht für alle Betroffenen gleichermaßen geeignet. Insbesondere Betroffene mit schweren Symptomverläufen oder mit geringer Technikaffinität, einem niedrigen Bildungs- oder Menschen mit Migrationshintergrund profitierten in der Regel nicht von DiGAs.

Studien zeigen: Depressive Symptome bessern sich signifikant bei Patient*innen die internetbasierte Anwendungen nutzen.

Insgesamt sehen die Expert*innen den Einsatz von digitalen Technologien in der Psychotherapie noch in der Entwicklung begriffen. Künstliche Intelligenz und Virtual Reality könnten in Zukunft weitere vielversprechende Möglichkeiten eröffnen, die Psychotherapeut*innen bei der Versorgung psychisch erkrankter Menschen nicht ersetzen, aber doch unterstützen werden.

Quelle: Pressemitteilung/FZMedNews

Studie

Mayer G, Schultz JH. Depression per App behandeln? Möglichkeiten und Grenzen digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGAs). PiD Psychotherapie im Dialog 2021