GesundheitspolitikDefizite bei Behandlung von Herzinfarkten, Brust- und Lungenkrebs

Qualitätsmonitor zeigt: Oft werden Herzinfarkte, Brust- und Lungenkrebs nicht optimal versorgt – fehlende Ausstattung und Erfahrung beinträchtigen die Behandlung.

Klinikpersonal auf einem Korridor. Personen sind teils verschwommen dargestellt.
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Im Jahr 2020 wurden 14.000 Herzinfarkte in Klinken behandelt, die nicht mit einem Herzkatheterlabor ausgestattet waren.

Nach wie vor werden viele Patient*innen mit Herzinfarkt nicht optimal versorgt, weil sie in Kliniken ohne Herzkatheterlabor eingeliefert werden. Von den rund 203.000 Herzinfarkt-Fällen im Jahr 2020 in Deutschland wurden 7 Prozent in Kliniken behandelt, die kein Katheterlabor verfügten. Das Problem betraf mehr als 14.000 Herzinfarkt-Behandlungen. Das zeigt das heute gestartete Online-Portal „Qualitätsmonitor“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), das neben der Herzinfarkt-Versorgung auch strukturelle Defizite bei der Behandlung von Brust- und Lungenkrebs beleuchtet:

  • Besonders ausgeprägt war das Problem der nicht adäquaten Herzinfarkt-Versorgung in den 362 Kliniken, die 2020 weniger als 25 Fälle behandelten.
  • Nur jede fünfte Klinik in dieser Gruppe verfügte laut Qualitätsmonitor über ein Herzkatheterlabor. Von den insgesamt 4.108 Herzinfarkten in Kliniken mit weniger als 25 Fällen pro Jahr wurden 77 Prozent in Krankenhäusern ohne Herzkatheterlabor versorgt.
  • In den Kliniken mit mehr als 240 Herzinfarkt-Fällen pro Jahr lag dieser Anteil hingegen bei 0 Prozent.

„In Kliniken, die häufig Herzinfarkte behandeln, können Patientinnen und Patienten die optimale Ausstattung und Erfahrung erwarten. So sollte bei schweren Herzinfarkten möglichst innerhalb von einer Stunde eine Herzkatheter-Behandlung erfolgen. In Häusern, die nur selten Herzinfarkte behandeln, ist das bis auf wenige Ausnahmen nicht gewährleistet“, sagt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber.

„Der Qualitätsmonitor zeigt, dass es ein Problem bei der Steuerung und Information der Patientinnen und Patienten gibt, denn eigentlich haben wir in Deutschland keinen Mangel an Herzkatheterlaboren“ betont Jürgen Klauber.

Ein Fünftel der Kliniken mit weniger als 25 Brustkrebs-OPs pro Jahr

Neben der Herzinfarkt-Versorgung beleuchtet der Qualitätsmonitor auch die Versorgung von Brustkrebs- und Lungenkrebsfällen. „Bei der Brustkrebs-Versorgung ist in den letzten Jahren erfreulicherweise eine gewisse Konzentration erkennbar“, berichtet Jürgen Klauber. Die vielfach kritisierte „Gelegenheitschirurgie“ werde weniger, habe aber immer noch ein relevantes Ausmaß.

So wurden im Jahr 2020 in insgesamt 117 an der Brustkrebs-Versorgung beteiligten Krankenhäusern (20,3 Prozent) in Deutschland weniger als 25 Brustkrebs-Fälle operiert. Im Jahr 2016 betraf dies noch 157 Krankenhäuser (24,4 Prozent).

Kliniken oftmals nicht als Brustkrebszentrum zertifiziert

Ein wichtiges Qualitätskriterium für eine optimale Brustkrebsbehandlung ist die Zertifizierung als Brustkrebszentrum durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG).

Der Qualitätsmonitor macht sichtbar, dass 2020 insgesamt 43,8 Prozent der an der Versorgung von Brustkrebs-Fällen beteiligten deutschen Kliniken nicht über ein DKG-Zertifikat oder eine vergleichbare Zertifizierung verfügten.

Diese Krankenhäuser versorgten knapp 15 Prozent der Brustkrebs-Fälle. „Es handelt sich meist um Kliniken mit wenigen Fällen. Die Mindest-Fallzahl von 100 pro Jahr, die von der Krebsgesellschaft gefordert wird, ist aber längst nicht das einzige Kriterium für die Zertifizierung als Brustkrebs-Zentrum. Die Krankenhäuser müssen eine ganze Reihe von Struktur- und Prozesskriterien erfüllen.“

Das Innovationsfonds-Projekt „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) hat erst kürzlich belegt, dass es einen Überlebensvorteil von 20 Prozent für Patientinnen mit Brustkrebs gibt, die in DKG-zertifizierten Zentren behandelt werden.

Online-Portal „Qualitätsmonitor“ zur Auswertungen von Qualitätsdefiziten

Das Online-Portal „Qualitätsmonitor“ ist die Fortsetzung der gleichnamigen Buchreihe, in der das WIdO von 2017 bis 2020 detaillierte Daten und Qualitätskennzahlen der deutschen Krankenhäuser für ausgewählte Krankheitsbilder und Behandlungen publiziert hat. Das neue Internetangebot ermöglicht zunächst für die drei Indikationen Herzinfarkt, Brustkrebs und Lungenkrebs Auswertungen nach sieben Qualitäts- und Strukturindikatoren. Durch die Erstellung von Zeitreihen werden Entwicklungen bei verschiedenen Qualitätsthemen im Krankenhausbereich sichtbar. Die Analysen des Qualitätsmonitors ermöglicht:

  • Trendanalysen,
  • regionale Vergleiche,  
  • die Bewertung einzelner Kliniken und 
  • Hilfestellung für die Planungsverantwortlichen in den Bundesländern.

Quelle: Pressemitteilung/Wissenschaftliches Institut der AOK

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