CoronavirusAuswirkungen der Pandemie

Herausforderung, Bedrohung oder Ärgernis: Menschen nehmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie unterschiedlich wahr. Und es gibt auch positive Aspekte.

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Tatiana Shepeleva/stock.adobe.com

Die Begleiterscheinungen von Lockdowns und Einschränkungen sind äußerst vielfältig, aber nicht nur negativ, wie die Arbeitswelt in Teilen zeigt.

Die Pandemie. Für die einen ist sie eine Herausforderung, für andere eine Bedrohung. Wieder andere regen all die Begleiterscheinungen der wiederkehrenden Lockdowns und Einschränkungen einfach nur auf. Die Menschen, hat Prof. Dr. Hannes Zacher herausgefunden, nehmen die Auswirkungen der Corona-Krise sehr unterschiedlich wahr.

In einer großangelegten, repräsentativen Längsschnittstudie zu Arbeit und Gesundheit von Beschäftigten haben der Arbeitspsychologe der Universität Leipzig und sein Kollege Cort Rudolph von der Saint Louis University (USA) verschiedene Facetten menschlichen Erlebens und Verhaltens in der Pandemie untersucht.

Monatlich einmal befragten die Forschenden zwischen Dezember 2019 und Januar 2022 etwa 1000 Erwerbstätige verschiedener Alters- und Berufsgruppen aus allen Bundesländern nach ihrem physischen und psychischen Gesundheitszustand, ihrer Zufriedenheit im Job, ihren Strategien zur Bewältigung der Pandemie, später auch zu ihrer Impfbereitschaft und zu Pandemiemüdigkeit.

Leugnen, Wut oder Hochform im Homeoffice

"Ich war überrascht, wie unterschiedlich die Menschen mit dem gravierenden Stress und den Einschnitten durch die Pandemie umgehen. Ich hatte gedacht, dass die meisten von ihnen zu funktionalen Bewältigungsstrategien greifen“, sagt Zacher. Tatsächlich aber gehen die Menschen sehr verschiedene Wege: Sie leugnen die Pandemie, suchen Ablenkung durch Alkohol- und Drogenkonsum, lassen ihre Wut an ihren Mitmenschen und an Politikern aus, kümmern sich verstärkt um die Familie oder laufen im Homeoffice zu Hochform auf.

Was die meisten der Befragten vereint, ist die Tatsache, dass sie nach den „Dellen im Wohlbefinden“ durch die Lockdowns relativ schnell wieder zurück zu ihrer vorherigen Lebenseinstellung und damit zu mehr Leichtigkeit im Leben zurückfanden. „Das zeigt, wie anpassungsfähig Menschen in Krisenzeiten sind“, betont Zacher.

Die Längsschnittstudie zeigt, wie anpassungsfähig Menschen in Krisenzeiten sind.

Homeoffice als neue Normalität

Etwa ein Drittel bis die Hälfte der Befragten arbeitete in dem Erhebungszeitraum teilweise oder ausschließlich im Homeoffice. „Für viele ist in der Pandemie Homeoffice zu einer neuen Normalität geworden“, sagt der Experte. Ein größerer Teil der Befragten konnte jedoch nicht zu Hause arbeiten, weil sie in systemrelevanten Berufen oder in der kritischen Infrastruktur tätig waren. Diejenigen, die im Homeoffice waren, sammelten mit dieser neuen Beschäftigungsart unterschiedliche Erfahrungen.

Wer wie gut damit klarkommt, ist laut Zacher auch von der jeweiligen Persönlichkeit abhängig. Auch diese individuellen Merkmale wurden in der Studie erfragt:

  • Stärker extrovertierte Personen hatten eher Probleme mit dem Arbeiten inklusive Videokonferenzen in den eigenen vier Wänden als introvertierte Personen.
  • Gewissenhafte Menschen kamen gut mit der veränderten Arbeitssituation klar, weil sie die Aufgaben strukturierter angingen.

Generell stellten Zacher und seine Kolleg:innen fest, dass Beschäftigte besser dran waren, wenn sie aktiv wurden, auf die Vorgesetzte oder den Vorgesetzen aktiv zugingen und mit ihnen Lösungen für ihre Probleme offen besprachen.

Pandemie trägt zu Humanisierung der Arbeitswelt bei

Viele Chef:innen und auch die meisten Beschäftigten sammelten durch die Pandemie erstmals mit dem mobilen Arbeiten Erfahrungen. Dadurch sei die Lernkurve mit dieser Art der Beschäftigung auf beiden Seiten steil nach oben gegangen, so Zacher.

Neben der Einsamkeit, die viele der Befragten beklagten, habe die Corona-Krise aber auch positive Auswirkungen auf das Arbeitsleben. „Sie trägt zu einer Humanisierung der Arbeitswelt bei. Arbeit muss zukünftig stärker an menschliche Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit gestaltet werden“, ist Zacher überzeugt.

In den USA gebe es gerade eine Kündigungswelle, weil viele Beschäftigte nicht mehr wie bisher, zum Beispiel im lauten Großraumbüro, arbeiten wollen. Oder sie verlassen Unternehmen, die nicht auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen eingehen.

„Das könnte auch zu uns überschwappen. Die Pandemie hat ein Schlaglicht darauf geworfen, wie wichtig gut gestaltete Arbeit ist“, sagt der Fachmann. Auch hierzulande legten immer mehr Beschäftigte zunehmend Wert auf Flexibilität, sinnvolle und herausfordernde Arbeitsaufgaben und Unterstützung durch Kolleg:innen und Vorgesetzte – Themen, die künftig wichtiger werden könnten als die Höhe der Bezahlung. Auch das Thema psychische Gesundheit sei durch die Pandemie etwas mehr aus der Tabuzone herausgekommen. Wenn die Arbeit gut gestaltet ist, werden auch die Krankschreibungszeiten der Beschäftigten kürzer. Wenn die Chemie mit den Kolleg:innen stimmt und sie stolz auf ihre Arbeit sind, kommen sie laut Zacher motivierter und eher zurück zur Arbeit.

Die Studie wird weitere sechs Monate fortgesetzt. In den kommenden Monaten sollen die Teilnehmer:innen unter anderem zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Umgang mit Leerlaufzeiten bei der Arbeit und zu dauerhaften positiven und negativen Veränderungen im Leben durch die Pandemie befragt werden.

Quelle: Pressemitteilung/Universität Leipzig