EndoprothetikArthrose: Wann ist man zu alt für ein neues Gelenk?

Wichtiger als das Alter ist die körperliche und geistige Verfassung. Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, Risiken in den Griff zu bekommen, sagt Prof. Carsten Perka.

Illustration: Schmerz im Hüftgelenk
yodiyim/stock.adobe.com

Mehr als das Alter spielen individuelle Risikoabwägung und gute OP-Vorbereitung eine Rolle, wenn es um den Erfolg einer Gelenkoperation geht.

Welche Rolle das Alter bei der Entscheidung für oder gegen ein neues Hüft- oder Kniegelenk spielt, war Thema einer Pressekonferenz auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik.

Wichtiger als das Alter ist die körperliche und geistige Verfassung. Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, Risiken in den Griff zu bekommen, sagt der Orthopäde und Unfallchirurg Prof. Carsten Perka.

Am wichtigsten ist Bewegung

Das wohl wichtigste Instrument für eine gute OP-Vorbereitung ist regelmäßige Bewegung. "Bewegung beeinflusst die relevanten Parameter einer guten Stoffwechseleinstellung positiv“, so der Unfallchirurg. Durch regelmäßige körperliche Aktivität

  • sinken Insulinresistenz und Blutfettspiegel,
  • steigt der Kalorienverbrauch,
  • wird die Muskulatur gestärkt,
  • verbessert sich die Stimmung,
  • verringert sich das Sturzrisiko.

Risikoabwägung vor der Operation

Sind alle konservativen Therapiemöglichkeiten wie Physiotherapie und Schmerzmittel ausgeschöpft, steht die Frage nach einem Ersatzgelenk im Raum. Betagtere Patient*innen haben oft Bedenken, ob sie diesem Eingriff noch gewachsen sind. Dies sei gut nachvollziehbar, sagt Perka „Eine größere Operation kann bei labilem körperlichem Gleichgewicht einen erheblichen Einschnitt bedeuten, von dem sich Betroffene mitunter nur langsam erholen.“

Deshalb sollte zunächst eine gründliche Risiko-Abwägung gemeinsam mit den Betroffenen stattfinden: „Ausschlaggebend für ein zufriedenstellendes Operationsergebnis in hohem Alter ist heute vorrangig die körperliche und geistige Verfassung, weniger das Geburtsdatum“, sagt er. Durch Fortschritte in Intensivmedizin und OP-Techniken könnten mittlerweile auch große Operationen bei rüstigen Patient*innen im fortgeschrittenen Alter mit vergleichbaren Ergebnissen durchgeführt werden wie bei jungen. Hier greifen altersspezifische chirurgische Operations-Konzepte mit altersmedizinischer, geriatrischer Begleitung.

Dazu gehören der Schutz vor Auskühlung während der Operation ebenso wie kontrollierte Flüssigkeitsgabe [4]. Auch Schlüssellochchirurgie statt offener Operation und optimal angepasste Narkosen schonen die Betroffenen.

Gute OP-Vorbereitung

Eine gute Vorbereitung auf die OP hilft, die Risiken in den Griff zu bekommen und das Ergebnis zu verbessern. Zudem gelte das Prinzip: „Better in – better out“. So leide etwa jeder fünfte Patient über 70 Jahren an mindestens fünf Krankheiten gleichzeitig. Diese Multimorbidität gelte es bereits in der Vorbereitungsphase zu berücksichtigen, so Perka:

  • Ein Diabetes etwa müsse gut eingestellt, eine Unterernährung oder ein Vitaminmangel behoben werden.
  • Neben der klassischen Rehabilitation nach der OP habe sich auch Prärehabilitation bewährt: Mit gezielter Physiotherapie vor dem Eingriff könne man das Gehen an Unterarmstützen trainieren, die Atemkapazität erweitern und die Muskeln kräftigen.
  • Bestehende Entzündungen, etwa der Zähne, Blase, sowie durch Wunden oder Fußpilz können gerade bei Älteren leicht zu Implantatinfekten führen und sollten deshalb vor der OP behandelt werden.

Realistisch sei deshalb ein Vorlauf von einem halben bis einem Jahr bis zur geplanten Operation.

Gut vorbereitete Senior*innen profitieren erheblich: Sie können nach dem Eingriff wieder ein mobiles und selbstständiges Leben führen. Eine gute Vorbereitung im Sinne einer Prärehabilitation stelle jedoch die Grundlage des Operationserfolgs dar, sagt der Orthopäde PD Dr. Stephan Kirschner.

Die Behandlung der 500 Millionen Menschen, die im Zehnjahreszeitraum 2020 bis 2030 mangels Bewegung erkranken dürften, koste die Welt zusammen 27 Milliarden Dollar (entspricht 27,5 Milliarden Euro), berichtete Fiona Bull, Leiterin der WHO-Abteilung für körperliche Bewegung bei der Vorstellung des Global status report on physical activity 2022 kürzlich in Genf [2][3]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt deshalb mindestens 150 Minuten körperliche Aktivitäten in der Woche für Erwachsene [1]. Dies soll Krankheiten wie etwa des Herz-Kreislauf-Systems, Fettleibigkeit und Diabetes vorbeugen.

Quelle: Pressekonferenz/Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik

Literatur

[1] WHO: Global status report on physical activity 2022; https://www.who.int/publications/i/item/9789240059153

[2] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/138244/Bewegungsmangel-mit-verheerenden-Folgen

[3] The Cost of Inaction on Physical Inactivity to Healthcare Systems, Lancet 2022; DOI: 10.2139/ssrn.4248284, https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4248284

[4] Mennigen R, Senninger N. Gibt es ein Alterslimit für chirurgische Maßnahmen?  Zentralbl Chir 2015; DOI: 10.1055/s-0032-1328214

Lesen Sie im neuen Spezialthema:

  • Blutegeltherapie und Cantharidenpflaster gegen Schmerzen
  • Schröpfen: Therapieoption bei Schmerzen
  • Evidenzbasierte Aromatherapie bei Schmerzen
  • Heilpflanzen bei Rückenschmerzen