PsychologiePsychotherapie für Eltern krebskranker Kinder bessert mentale Gesundheit

Die Diagnose Krebs trifft nicht nur Betroffene schwer, sondern auch deren Familien – Besonders Eltern unterstützen bei der Bewältigung der Therapie und sind deswegen ähnlich psychisch belastet. Forscher*innen haben nun erstmals eine begleitende Psychotherapie für Eltern entwickelt.

Mutter hält Kinderhand mit Infusion
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Das Leben von Familien mit krebserkrankten Jugendlichen wird durch den Umgang mit der Erkrankung stark verändert. Wissenschaftler*innen der Universitätsmedizin Magdeburg haben nun erstmals ein Unterstützungsprogramm für Eltern zur besseren Bewältigung untersucht.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 15 000 Menschen im Alter zwischen 15 und 39 Jahren an Krebs. Diese Patientengruppe wird auch als Adolescent and Young Adults with cancer (AYA) bezeichnet und unterscheidet sich deutlich von Kindern mit einer Krebserkrankung sowie älteren Krebspatienten in Bezug auf biologische Merkmale und den Bedarf an spezifischer psychosozialer Unterstützung.

Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen der Hämatologie und Onkologie (Prof. Thomas Fischer), Kinder- und Jugendpsychiatrie (Prof. Hans-Henning Flechtner), Psychotherapie und Psychosomatischen Medizin (Prof. Jörg Frommer) um Dr. Michael Köhler als Leiter des Forschungsteams an der Universitätsmedizin Magdeburg ist es erstmals weltweit gelungen, eine unterstützende Psychotherapie für Eltern junger Erwachsener mit Krebs im Alter von 18 bis 40 Jahren zu entwickeln und auf ihre Wirksamkeit hin in der sogenannten AYA-PARENTS-Studie erfolgreich zu überprüfen.

Krebserkrankte Kinder: psychische Belastungssituation für Eltern

„Die Eltern sind durch den Schock der Krebsnachricht ebenfalls emotional schwer getroffen, fühlen sich hilflos und ähnlich psychisch belastet z.B. durch Angstsymptome, depressive Symptome, Schuldphantasien. Gleichzeitig nehmen sie für ihre Kinder eine Schlüsselposition hinsichtlich emotionaler Regulation und handlungsorientierter, medizinrelevanter Unterstützung ein. Mutter und Vater werden während und nach der Tumortherapie wieder gebraucht. Sie spenden Obhut, helfen bei der Bewältigung der Therapie, unterstützen im Umgang mit Nebenwirkungen bzw. Spätkomplikationen und kümmern sich um Bereiche wie Finanzen, Ausbildung und Wohnung des jungen Erwachsenen“, erläutert Dr. Köhler und ergänzt, dass bislang weltweit keine wissenschaftlich geprüften Versorgungsprogramme für junge Erwachsene mit Krebs und ihre Eltern existieren würden, obwohl diese spezifischen Belastungssituationen ausgesetzt seien.

In der Konsequenz wurde an der Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie für betroffene Familien eine Sprechstunde innerhalb der Spezialambulanz Supportive Therapie eingerichtet. Die Ambulanz bietet die Diagnostik und Therapie psychischer Störungen bei Patient*innen mit malignen Tumorerkrankungen und nichtmalignen hämatologischen Erkrankungen an. In der Sprechstunde konnten die einzelnen Behandlungsbausteine entwickelt und der Therapiefokus definiert werden. „Unser Ziel war es, eine unterstützende Psychotherapie mit tragfähigen und problemorientierten Bewältigungsstrategien aufzubauen, um eine Besserung der emotionalen Regulation negativer Affekte bei den Studienteilnehmer*innen zu erreichen", erklärt der Psychoonkologe. 

Im Ergebnis konnte die Forschungsgruppe durch die Anwendung der supportiven Therapie bei betroffenen Eltern eine bedeutsame Symptomlinderung feststellen. „Die Eltern der Interventionsgruppe zeigten signifikante Effekte. Trotz heterogener und häufig existentieller Beanspruchungen der AYA-Eltern konnte eine klinisch bedeutsame Verbesserung hinsichtlich der Anwendung adaptiver Strategien zur Krankheitsbewältigung, eine Minderung depressiver Symptome und eine Verbesserung der mentalen Gesundheit erreicht werden“, erklärt Dr. Köhler.

Die enorme Belastungssituation aller beteiligten Eltern wurde u.a. daran deutlich, dass 65 Prozent der Studienteilnehmer*innen einen Bedarf für Psychotherapie aufwiesen, obwohl seit der Krebsdiagnose des eigenen „Kindes“ bereits durchschnittlich mehr als fünf Jahre vergangen waren. Üblicherweise endet nach fünf Jahren die Nachsorgezeit für Krebsbetroffene und damit auch die Aufmerksamkeit auf die gegebene Bedarfssituation von Betroffenen und familiären Angehörigen.

Forschungsgruppe betritt wissenschaftliches Neuland

Mit dem erfolgreichen Abschluss der klinischen Studie hat die Magdeburger Forschungsarbeitsgruppe international Neuland betreten. Dr. Köhler betont: „Wir haben streng forschungsbasiert methodische Kriterien in Bezug auf die Entwicklung und Durchführung der Intervention, Rekrutierung und Datenstrategie, Qualitätsmanagement und die Analyse des Primärergebnis implementiert. Wir wurden jedoch von der Realität der AYA-Familien erschüttert. Wir glauben, dass die Umsetzung dieses neuartigen familienbasierten Ansatzes in der AYA-Onkologie hilfreich für die Betroffenen, aber auch die beteiligten Ärzte, Psychoonkologen und Pflegemitarbeiter sein kann, indem die schwere psychische Belastung der betroffenen Familien in der Zeit der maximalen Akutversorgung und Nachsorge bedeutsam reduziert wird.“

Quelle: Pressemitteilung/Universiätsmedizin Magdeburg

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