Morbus ParkinsonParkinson: Ergebnisse neuer Therapiestudien vorgestellt

Drei neue Therapiestudien haben Antikörpertherapien gegen gegen das aggregierte Protein Alpha-Synuclein sowie die Eisenreduktion im Gehirn untersucht.

Tremor, Hand hält zitternd ein Wasserglas
Alessandro Grandini/stock.adobe.com

Bewegungsstörungen wie Tremor gehören zu den Leitsymptomen der Parkinson-Krankheit.

Eine zentrale Fragestellung der aktuellen Parkinson-Forschung ist, ob die Erkrankung künftig heilbar sein wird. Etablierte Therapieoptionen können zwar die Symptome verbessern, aber den Krankheitsverlauf nicht aufhalten.

Der Rostocker Parkinson-Experte Prof. Uwe Walter stellte auf einer Pressekonferenz 3 neue Phase-2-Studien vor, die kausale Therapieansätze beim idiopathischen Parkinson-Syndrom untersucht haben. In allen 3 Studien lag der Fokus auf Patient*innen in frühen Stadien der Parkinson-Erkrankung. Der erhoffte Durchbruch war noch nicht dabei, aber die Studien liefern hoffnungsvolle Erkenntnisse für künftige modifizierte Ansätze.

Infusionstherapie mit Antikörpern

Zwei internationale Konsortien mit Beteiligung mehrerer Zentren aus Deutschland verfolgten einen Ansatz zur Infusionstherapie mit Antikörpern. „Beide Antikörper-Ansätze richten sich gegen das aggregierte Protein Alpha-Synuclein, das an der Krankheitsentstehung wesentlich beteiligt ist. Alpha-Synuclein wird bei der Parkinson-Krankheit im Übermaß produziert und lagert sich bei Parkinson-Patient*innen in Form von sog. Lewy-Körperchen in den Nervenzellen ab“, erläutert Walter.

In der einen multizentrischen Phase-2-Studie wurde die Wirkung des Antikörpers Cinpanemab in drei verschiedenen Dosierungen (250 mg, 1250 mg oder 3500 mg) zur intravenösen Injektion alle 4 Wochen im Vergleich zur Placebogabe bei 357 Patient*innen untersucht. Mit diesem Ansatz wurden über einen Beobachtungszeitraum von 52 Wochen keine Verbesserungen der relevanten klinischen Parameter zur Einschätzung des Krankheitsverlaufs im Vergleich zu Placebo festgestellt [1].

In der anderen Phase-2-Studie wurden die Wirksamkeit und die Sicherheit einer niedrig und einer hoch dosierten Antikörpergabe mit Prasinezumab im Vergleich zu Placebo untersucht (1500 mg oder 4500 mg i.v. alle 4 Wochen für 52 Wochen, n = 316). „Auch hier wurden keine klinisch relevanten Verbesserungen unter beiden Dosierungen im Vergleich zur Scheinbehandlung beobachtet“, so Walter [2].

Die Gründe, warum diese beiden Studien nicht zum gewünschten Erfolg führten, seien vielfältig. Es könnte sein, dass

  • Dosierungen und Behandlungsdauer zu kurz waren, um messbare Effekte im Zentralnervensystem zu erzielen;
  • aggregiertes Alpha-Synuclein als Angriffspunkt möglicherweise weniger geeignet sei, da die Antikörper zu spät in die Krankheitskaskade eingriffen.

Dies sei jedoch nicht das Ende der Antikörpertherapien bei der Parkinson-Erkrankung.  Ein Vorschlag ist, neue Ansätze zu untersuchen, die Vorläuferstufen des Alpha-Synucleins binden können [3].

Gabe von Eisenchelatoren

Neben aggregiertem Alpha-Synuclein lagert sich beim Parkinson-Syndrom auch Eisen im Gehirn ab. Bisher ist bekannt, dass ein übermäßiger Eisengehalt im Gehirn den Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen begünstigt. Dopamin ist ein Signalmolekül, das für die Steuerung normaler Bewegungen unerlässlich ist. Bisherige medikamentöse Behandlungen ersetzen häufig das fehlende Dopamin (z.B. Levodopa), um Parkinson-Symptome deutlich zu verbessern.

„Diese Ansätze können den Verlust von Nervenzellen aber nicht verlangsamen oder aufhalten“, erläutert Walter. In präklinischen Studien haben experimentelle Modelle der Parkinson-Krankheit gezeigt, dass der Abbau von überschüssigem Eisen mit sog. Eisenchelatoren die toxische Wirkung von Eisen verhindern und das Absterben von Neuronen begrenzen kann. Eine Herausforderung dieses Ansatzes ist jedoch, dass Eisen an vielen biologischen Prozessen beteiligt ist. Hierzu zählt u.a. die Produktion von Dopamin selbst, sodass Eisen sowohl positive als auch negative Auswirkungen bei Parkinson aufweist. Inwiefern die Reduktion des Eisengehalts im Gehirn mit Deferipron zu einer Verzögerung der Krankheitsprogression bei IPS-Patient*innen beitragen kann, hat ein europäisch-israelisches Konsortium mit Beteiligung auch deutscher Zentren untersucht [4].

Ungünstige klinische Effekte mit Eisenchelatoren

In dieser Phase-2-Studie wurden insgesamt 372 Teilnehmer*innen mit neu diagnostizierter Parkinson-Erkrankung eingeschlossen, die noch nie Levodopa erhalten hatten. Die Patient*innen erhielten über 36 Wochen hinweg entweder Deferipron-Tabletten (15 mg pro Kilogramm Körpergewicht, zweimal täglich) oder Placebo. „Diese Studie bei Parkinson-Patient*innen ohne eine begleitende Therapie mit Dopaminergika hat leider gezeigt, dass durch die 9-monatige alleinige Behandlung mit Deferipron eine Verschlechterung der Parkinson-Symptome bewirkt wird“, schildert Walter. Mit bildgebenden Verfahren konnte zumindest nachgewiesen werden, dass der Eisengehalt im Gehirn tatsächlich reduziert wurde, ergänzt der Experte. 

Als mögliche Erklärung für den ungünstigen klinischen Effekt führt Walter an, dass Eisen in frühen Stadien der Parkinson-Krankheit besonders nötig für die Aufrechterhaltung der residualen Dopaminsynthese ist [4]. Eisen ist ein wichtiger Kofaktor für das Schlüsselenzym Tyrosinhydroxylase, das den ersten Schritt der Dopaminsynthese katalysiert, erläutert Walter. Es könnte auch sein, dass die schädlichen Auswirkungen des Eisenüberschusses erst in späteren Stadien der Parkinson-Krankheit deutlich werden.

„Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist, dass künftige Therapiestrategien mit Deferipron die simultane Gabe von Dopaminergika und evtl. auch eine längere Beobachtungszeit beinhalten sollten“, so das Fazit von Walter. 

Die vorgestellten Studien erfüllten zwar nicht die gehegten Erwartungen, haben aber wichtige Erkenntnisse für künftige Studien geliefert: „Die Forschung profitiert auch von Enttäuschungen. Unser großes Anliegen ist, einen kausalen Therapieansatz bei der Parkinson-Krankheit ausfindig zu machen, weil der Bedarf sehr hoch ist“, betont Walter.

Quelle: Pressekonferenz/Parkinson und Bewegungsstörungen Kongress 2023

Literatur

[1] Lang AE, Siderowf AD, Macklin EA et al. Trial of Cinpanemab in Early Parkinson’s Disease. N Engl J Med 2022; https://www.doi.org/10.1056/NEJMoa2203395

[2] Pagano G, Taylor KI, Anzures-Cabrera J et al. Trial of Prasinezumab in Early-Stage Parkinson’s Disease. N Engl J Med 2022; https://www.doi.org/10.1056/NEJMoa2202867

[3] Brundin P, Svoboda H, Bonni A, Pagano G. This is NOT the End for Immunotherapy in Parkinson’s Disease – A Perspective from Early Drug Development Scientists. J Parkinsons Dis 2022; https://www.doi.org/10.3233/JPD-229008

[4] Devos D, Labreuche J, Rascol O, et al. Trial of Deferiprone in Parkinson’s Disease. N Engl J Med 2022; https://www.doi.org/10.1056/NEJMoa2209254

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