GeriatrieHohe Lebenszufriedenheit auch im fortgeschrittenen Alter möglich?

Gebrechlich, aber meist glücklich: Hochbetagte sind seltener depressiv und weisen ein hohes Maß an Lebenszufriedenheit auf, so neuste Erkenntnisse aus Hundertjährigen-Studien.

Senioren-Paar sitzt auf einer Bank im Park.
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Obwohl Menschen hohen Alters einigen gesundheitlichen Problemen ausgesetzt sind, haben sie meist ein hohes Niveau an Lebenszufriedenheit.

Menschen, die 100 Jahre oder älter sind, sehen sich einerseits konfrontiert mit vielen gesundheitlichen Problemen, sozialen Verlusten und oft auch kognitiven Einschränkungen. Auf der anderen Seite haben sie meist ein erstaunlich hohes Niveau an Lebenszufriedenheit und sind eher selten depressiv. Wie passt das zusammen? Welche psychologischen Mechanismen spielen dabei womöglich eine Rolle? Was können wir von Menschen hohen Alters dadurch in puncto Resilienz vielleicht auch lernen? Mit diesen Forschungsfragen befasst sich Prof. Daniela Jopp, Psychologin an der Universität Lausanne.

Sie hat bereits Hundertjährigen-Studien in Deutschland und in den USA durchgeführt und betreut aktuell eine Studie in der Schweiz, die auch in den Blick nimmt, wie Menschen hohen Alters die Pandemie erlebt haben. „Mit diesen Studien möchten wir auch zeigen, wie unterschiedlich 100-jährige Leben sind und welche kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte zu einem hohen Alter beitragen, um so eine realistischere und positive Perspektive zu ermöglichen“, erklärt die Psychologin.

Hochbetagte sind seltener depressiv und meist zufrieden mit ihrem Leben

Ein hundertjähriges Leben ist stark von gesundheitlichen Einschränkungen geprägt:

  • 94 Prozent aller Hochbetagten haben Seh- und/oder Hörprobleme,
  • 72 Prozent Mobilitätserkrankungen und
  • 60 Prozent muskuloskelettale Erkrankungen.

Das ist ein Ergebnis aus der zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie, die 2011 und 2012 durchgeführt wurde. Gleichzeitig zeigt sich im Vergleich mit der ersten Heidelberger Studie aus den Jahren 2001 und 2002, dass die Probanden trotz der gesundheitlichen Herausforderungen zunehmend selbstständig werden:

83 Prozent gaben an, eigenständig ihr Essen zu sich zu nehmen – zehn Jahre zuvor waren es noch 61 Prozent. „Ebenso haben wir festgestellt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei den heute Hundertjährigen besser ist“, sagt Professorin Daniela Jopp.

Gesundheitliche Probleme, kognitive Einschränkungen, soziale Verluste von Partner*innen, Freund*innen, oft auch Kindern – da ist die Frage berechtigt: Lebensqualität mit 100 – geht das überhaupt? „Die vielleicht zunächst überraschende Antwort ist: Ja, das geht sehr wohl! Dies belegen verschiedene Hundertjährigen-Studien“, sagt Daniela Jopp.

So hat die US-amerikanische Fordham-Studie aus New York gezeigt, dass Hundertjährige relativ selten Depressionen haben. In der zweiten Heidelberger Studie gaben mehr als 80 Prozent der Hundertjährigen zudem an, dass sie zufrieden mit ihrem Leben seien. Die Lebenszufriedenheit ist dabei im Vergleich mit der Gruppe der 80- bis 95-jährigen Menschen sogar höher. Und auch die aktuelle Schweizer Studie bescheinigt Menschen im fortgeschrittenen Alter eine hohe Resilienz.

Ein wichtiges Forschungsinteresse von Daniela Jopp ist, welche psychologischen Mechanismen dazu führen, dass Hundertjährige trotz ihrer oft widrigen Umstände so positiv durchs Leben gehen. „Ältere Menschen setzen eher auf kognitive Strategien, mit denen sie ein Problem umbewerten. Sie konzentrieren sich nicht auf ihren Gesundheitszustand, sondern eher darauf, dass sie am Leben sind – und schätzen dies.“ So haben Studien ergeben, dass Hundertjährige optimistischer sind als die Gruppe 80- bis 95-Jährigen.

Termin

Ihre neuesten Forschungsergebnisse präsentiert Prof. Daniela Jopp in ihrer Keynote-Lecture beim gemeinsamen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG), der vom 12. - 15. September in Frankfurt am Main stattfindet.

Hier geht es zum Programm des Gerontologie und Geriatrie Kongresses 2022

Quelle: Pressemitteilung/DGG