Herz-Kreislauf-ErkrankungenDigitoxin bei Herzinsuffizienz: Klinische Studie sucht Teilnehmer*innen

Der Wirkstoff Digitoxin aus dem Roten Fingerhut wird seit Langem zur Behandlung von fortgeschrittener Herzschwäche eingesetzt. Zweifelsfrei nachgewiesen wurde der Nutzen noch nicht. Eine klinische Studie will dies nun ändern.

Digitalis purpurea, Roter Fingerhut
K. Oborny/Thieme

Digitoxin wird aus den Blättern des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) gewonnen.

Herzinsuffizienz – die verminderte Pumpleistung des Herzens – ist heute mit Wirkstoffen wie ACE-Hemmern und Betablockern behandelbar. Dennoch interessieren sich Forschende im Rahmen der DIGIT-HF-Studie (DIGitoxin to Improve ouTcomes in patients with advanced chronic Heart Failure) für den Wirkstoff Digitoxin: Sie untersuchen in dieser klinischen Studie, ob der ursprünglich aus der heimischen Waldpflanze Digitalis purpurea gewonnene Wirkstoff eine wichtige Unterstützung für die Behandlung von Herzinsuffizienz sein kann.

„Digitalispräparate werden wegen ihrer stärkenden Wirkung auf die Schlagkraft des Herzens schon seit über 200 Jahren zur Behandlung der Herzinsuffizienz eingesetzt, ihr Nutzen zusätzlich zur heutigen Standardmedikation wurde aber noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen“, sagt Studienleiter Prof. Johann Bauersachs von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Unsere Studie füllt eine Wissenslücke, denn wir haben großen Bedarf an weiteren Behandlungsmöglichkeiten bei Herzschwäche“, ergänzt Co-Studienleiter Prof. Udo Bavendiek. Hintergrund ist, dass manche Patient*innen die heutige Standardtherapie nicht oder nur eingeschränkt vertragen – beispielsweise bei eingeschränkter Nierenfunktion. „Digitoxin könnte sich als ein wirksames und preisgünstiges Medikament herausstellen, das die Behandlungsmöglichkeiten bei Herzschwäche deutlich verbessert“, so Bavendiek.

Renaissance des Digitoxins

Bereits in den 1960er-Jahren wurde Digitoxin zur Therapie der Herzinsuffizienz eingesetzt, geriet dann aber wegen Nebenwirkungen in Verruf. „Heute wissen wir, dass die Dosierung damals zu hoch war, denn Digitoxin baut sich im Körper nur sehr langsam ab“, erklärt Bavendiek. Anstelle von Digitoxin verordnete man den Wirkstoff Digoxin. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Digitalispräparat, das aber chemisch gesehen um eine Hydroxygruppe reicher ist, daher über die Nieren deutlich schneller ausgeschieden wird und so eine kurze Halbwertszeit hat.

Für die Erkrankten war diese Entwicklung jedoch kein Gewinn: Da viele Patient*innen mit Herzinsuffizienz auch eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion haben, sammelte sich das Digoxin bei ihnen in toxischen Konzentrationen an; teils lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen waren die Folge. Als Konsequenz geriet die Gruppe der Digitalispräparate insgesamt in Verruf.

Anliegen der Hannoveraner Forschenden ist es, das altbewährte Digitoxin zu rehabilitieren. „Im Gegensatz zum Digoxin wird Digitoxin nicht über die Nieren, sondern über Leber und Darm ausgeschieden. Das Medikament Digitoxin ist somit auch für vorbelastete Patient*innen mit Nierenschwäche verträglich“, so Bauersachs.

Wie so häufig komme es auf die richtige Dosis an. Im bisherigen Studienverlauf erscheine die Behandlung mit Digitoxin sicher. Aus den Daten seien bereits Empfehlungen zur einfachen und sicheren Dosierung von Digitoxin erarbeitet worden, sagt Bavendieck.

Wie gehen die Forschenden vor? 

Die DIGIT-HF-Studie wird von der MHH in Zusammenarbeit mit anderen Kliniken in Deutschland, Österreich und Serbien durchgeführt. Dabei werden die Teilnehmer*innen nach dem Zufallsprinzip einer von zwei Behandlungsgruppen zugeordnet. Die Patient*innen der einen Gruppe bekommen zusätzlich zur Standardbehandlung das Medikament Digitoxin. Die andere Gruppe erhält stattdessen ein identisch aussehendes Scheinmedikament (Placebo). Die Studie wird verblindet durchgeführt – weder die Forschenden noch die Betroffenen wissen, wer zu welcher Gruppe gehört. Bei der Auswertung der Ergebnisse zum Studienende im Jahr 2024 wird dann untersucht, ob die Einnahme von Digitoxin tatsächlich dazu führt, dass die Patientinnen und Patienten länger leben und weniger Zeit im Krankenhaus verbringen müssen.

DIGIT-HF-Studie: Teilnehmer*innen weiterhin gesucht

Die DIGIT-HF-Studie läuft seit 2015 und wird noch bis 2024 weitergeführt, um die notwendige Gesamtzahl von etwa 1700 Studienpatient*innen zu erreichen. Das BMBF stellt in der zweiten Förderperiode rund 3,8 Mio. Euro für die Studie bereit; die erste Förderperiode wurde mit rund 3 Mio. unterstützt. Die Deutsche Herzstiftung sowie die Braukmann-Wittenberg Herz-Stiftung unterstützen Teilprojekte innerhalb der Studie. Es besteht für Betroffene noch bis Ende März 2023 die Möglichkeit, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen.
Weitere Informationen unter www.digit-hf.de

Originalpublikationen

Bavendiek U et al. Assumption versus evidence: the case of digoxin in atrial fibrillation and heart failure. Eur Heart J 2017; doi: 10.1093/eurheartj/ehw577

Bavendiek U et al. Rationale and design of the DIGIT-HF trial (DIGitoxin to Improve ouTcomes in patients with advanced chronic Heart Failure): a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Eur J Heart Fail 2019; doi: 10.1002/ejhf.1452

Quelle: Pressemitteilung/BMBF

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